Weihnachten ist die Zeit, wo Kerzen das Leben in ein mildes Licht tauchen, wo Kinderaugen glänzen und man sich versöhnt. Und es ist der Moment, wo die Seele schmerzlich spürt, was fehlt. Bereits junge Menschen brächten mitunter "gewaltige Rucksäcke mit sich", weiß Martina Horvath von der Erste Bank in Wien, die als Lehrlingsbeauftragte viele Jahrgänge an jungen Menschen bei der Ausbildung begleitet und tiefe Einblicke in ihre Lebenswelten gewonnen hat.
Vom Flüchtling zum Lehrling: Berührende Geschichte eines jungen Afghanen
Horvath erinnert sich an einen jungen Afghanen, der als Minderjähriger allein nach Österreich kam. Der Flüchtling wurde im Rahmen der #glaubandich-Kampagne als Lehrling aufgenommen und absolvierte eine Ausbildung zum Kundenbetreuer - die Erste Group animiert in ihren Werbespots dazu, die eigenen Träume zu verfolgen, wobei die animierten Weihnachtsclips (#believeinchristmas oder #believeinyourself) Kultstatus erreicht und auf YouTube bis zu 17 Millionen Aufrufe generiert haben.
Sie habe mit dem jungen Flüchtling "ganz viele Gespräche" gehabt, erzählt Horvath. "Der war zu Weihnachten allein, wenn die anderen gefeiert haben. Der war oft ,down', etwa als er erfuhr, dass sein Onkel von den Taliban ermordet wurde." Irgendwann habe sie den Jugendlichen gefragt, was er sich von einer Zauberfee wünschen würde? Seine Antwort war: Das alte Leben, er wünsche sich das Dasein auf dem Land zurück, die Familie in Afghanistan.
Betreuung und Kurse: Wegbereitung für junge Zuwanderer in Österreich
Die Einsicht, dass es kein normales Leben unter einem Terrorregime gibt, und die intensive Betreuung in der Bank halfen dem jungen Zuwanderer, seinen Weg in Österreich weiterzugehen. "Er hat seine Lehrabschlussprüfung gemacht und ist heute ein geschätzter Kundenbetreuer", sagt Martina Horvath. Zur Lehrlingsausbildung gehören heute auch Persönlichkeitskurse. "Da fließen dann oft die Tränen, wenn sensible Dinge angerührt werden", weiß Horvath. Man habe es mit 15-, 16-Jährigen im ersten Lehrjahr zu tun, "wo kein Elternteil Deutsch spricht. Diese Kinder übernehmen Elternrollen. Da muss der Sohn sich freinehmen, um mit dem Vater ins Spital zu gehen, weil der Papa nicht Deutsch kann. Auch in Patchwork-Familien gibt es viele Dramen und schwierige Verhältnisse. Diese Jugendlichen erzählen oft Geschichten, dass man glaubt, die sind schon 30 Jahre auf der Welt, so viel haben die erlebt", schildert Horvath. Die Psychologie nennt dieses Phänomen Notreife, gemeint ist ein aus elterlichen Defiziten erzwungenes zu frühes Erwachsenwerden der Kinder und Jugendlichen.
Die zweite Generation holt auf: Beruflicher Aufstieg junger Zuwanderer in Österreich
259.000 junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte im Alter von 15 bis 24 Jahren lebten im Jahr 2021 in Österreich. Laut dem Bildungsexperten und Sozialforscher Johann Bacher von der Universität Linz brauchen sie länger für den beruflichen Aufstieg, holen aber von Generation zu Generation auf. "Diese jungen Menschen strengen sich an. 70 bis 80 Prozent sind erfolgreich, sie haben einen Schulabschluss, der über die Pflichtschule hinausgeht, einen Lehrabschluss, eine berufsbildende mittlere Schule oder eine berufsbildende höhere Schule abgeschlossen. Aber sie sind sehr lange im System. Sie haben Leistungsrückstände beim Lesen, Schreiben und Rechnen. Lehrlinge sind dann oft 20, 21 Jahre alt." Wobei die zweite Generation, also die in Österreich Geborenen, deutlich besser abschneiden als die erste und sich langsam der autochthonen Bevölkerung angleiche. Die Bremsen, die den Aufstieg verlangsamen, sind zumeist in den Elternhäusern und dem sozioökonomischen Milieu verankert, in dem junge Migranten aufwachsen. "Viele zugewanderte Eltern möchten, dass die Kinder einen möglichst hohen Bildungsabschluss erreichen. Sie selbst bringen jedoch Defizite in den Kompetenzen mit, von der Bildung bis hin zur Alltagssprache, die zu Hause gesprochen wird. All das wirkt sich auf das Einkommen, die Wohnverhältnisse und die Möglichkeit, die eigenen Kinder zu fördern, aus", so Bacher.
Integrationsherausforderungen in Österreich: Wie gelingen diese Ausbildungswege?
Die Integration müsse beschleunigt werden, dies sei für die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt von zentraler Bedeutung. Man wisse, dass der Kindergarten integrativ wirke, es brauche eine verpflichtende Ganztagsschule, mehr Mittel für Schulen mit einer ungünstigen sozialen Zusammensetzung, größere Schuleinheiten, wo Volksschule, Mittelschule und Unterstufen der AHS vereint seien. "Das sind Schulen, wo man dann auch Sozialarbeiter anstellen kann und es eine geballte pädagogische Kompetenz gibt." Nicht untypisch für Österreich ist: Es gibt die gesetzlichen Grundlagen seit Langem, sie werden jedoch nicht umgesetzt.