Die Onlineplattform absolventen.at hat basierend auf aktuellen Zahlen der Statistik Austria die durchschnittliche Studiendauer und Drop-out-Rate an Österreichs Unis untersucht. Das Ergebnis: Die tatsächliche Studiendauer weicht oft gravierend von der Regelstudienzeit inklusive Toleranzsemestern ab. Bei allen untersuchten Unis lag die Bachelor-Abschlussquote unter 45 Prozent.
In den meisten Curricula ist für Bachelorstudien eine Regelstudienzeit von sechs und für Masterstudiengänge eine von vier Semestern vorgesehen. absolventen.at hat dazu neun große Universitäten (Salzburg, Innsbruck, Graz, Linz, Wien, Klagenfurt, WU Wien, TU Graz, TU Wien) hinsichtlich der Anzahl der Abschlüsse innerhalb der Toleranzstudiendauer im Studienjahr 2015/16 verglichen. An der Uni Salzburg werden die meisten Bachelorabsolventen am schnellsten fertig. Doch an keiner der für die Untersuchung herangezogenen Unis schafften mehr als 45 Prozent ihren Abschluss innerhalb der Toleranzstudiendauer. An der TU Wien gelang dies sogar nur rund zwölf Prozent der Studierenden.
Etwas positiver fallen die Zahlen bei den Masterstudierenden aus: Hier liegt die im Bachelorbereich weit hinten platzierte WU Wien mit knapp 69 Prozent erfolgreicher Abschlüsse sogar auf Platz eins. Bachelor- und Masterstudiendauer können sich also auch an derselben Uni deutlich unterscheiden. Die wenigsten Abschlüsse innerhalb der Toleranzstudiendauer verzeichnen die Unis Klagenfurt (rund 29,8 Prozent) und Wien (22 Prozent). Insgesamt beträgt die durchschnittliche Studiendauer in den (im Regelfall auslaufenden) Diplomstudiengängen 13,3 Semester. Bachelorstudierende benötigen acht und Masterstudenten 5,6 Semester für ihren Abschluss. Zahlen von beispielsweise medizinischen Hochschulen, an denen traditionell mehr Studierende innerhalb der Toleranzstudiendauer abschließen, wurden hier nicht berücksichtigt.
Die Gründe für eine lange Studiendauer sind vielfältig und unterscheiden sich je nach Hochschule. Ein Problem kann laut absolventen.at die teils verwirrende Angabe von ECTS-Punkten sein, mit denen der Arbeitsaufwand pro Lehrveranstaltung angegeben wird. Ein ECTS-Punkt entspricht einem Arbeitsaufwand von 25 Stunden, teils sei dieser aber nicht treffend angegeben - der tatsächliche Aufwand höher. Weitere Gründe seien eine für berufstätige Studierende ungünstig gewählte Kursgestaltung, zu wenige angebotene Plätze und zu selten angebotene Kurse. Dazu kämen Voraussetzungsketten für Lehrveranstaltungen, Knock-out-Prüfungen sowie eine hohe Prüfungsfrequenz am Semesterende und wenige Wiederholungsmöglichkeiten in relevanten Fächern.
Stimmt so nicht, betont Erich Müller, Vizerektor für Lehre an der Uni Salzburg, für seine Universität. Diese ist im Bachelorbereich im absolventen.at-Vergleich der Universitäten ganz vorn. Aber selbst dort schaffen nur 45 Prozent ihren Abschluss in der Toleranzstudiendauer. "Zuallererst ist zu sagen: Egal welches Studium, an der Uni Salzburg hat jeder die Möglichkeit, das Studium in der Regelzeit zu schaffen - wenn er oder sie es in Vollzeit betreiben. Dafür kann ich eine Garantie aussprechen, Stichwort: exzellente Betreuungsverhältnisse."
Grundsätzlich seien die Statistiken nicht ganz realistisch, da sie die wichtige Variable der von den Studierenden investierten Zeit oftmals nicht mit einbezögen, sagt Müller. Außerdem gebe es noch einen zweiten Aspekt, der verzerre: "Studierende schreiben sich am Beginn ihres Studiums oftmals für mehrere Studien ein, gehen in die Studieneingangs- und Orientierungsphase (kurz STEOP) und entscheiden dann, wo sie ernsthaft weiterstudieren. Hier kommt es dann natürlich zu Verzögerungen und in den nicht weiter betriebenen Studien zu Abgängen. Wichtig wäre es eigentlich, die Studienzeit ab Ende der STEOP bis zum Studienende zu messen." Laut Müller machen 45 Prozent der ursprünglich eingeschriebenen Studierenden nach der STEOP im Fach tatsächlich weiter. Möglich sei dieses Vorgehen, weil es in den meisten Fächern keine Aufnahmeverfahren gebe, die den grundsätzlichen Zugang limitierten.
Würde er sich das wünschen? "Grundsätzlich ist die geplante Studienplatzfinanzierung sinnvoll. Aber: Die Zahl derer, die wirklich ein Fach studieren wollen, sollte nicht eingeschränkt werden, sofern die persönlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind." Das bedeutet für Müller: Wenn es Kontingente für einen Standort gibt, aber der Andrang größer ist, sollten Studierende mit Infos versorgt werden, die sie zum gleichen Fach an einen anderen Standort führen, der noch Kapazitäten und gute Betreuungsverhältnisse hat. Derzeit gebe es das noch kaum, der derzeit laufende Diskussionsprozess "Hochschule neu" aller Hochschulen Österreichs habe hier aber Kooperationen ins Rollen gebracht. Wenn auch diese Kontingente dann an allen Standorten erschöpft seien, gelte es, neue Ressourcen bereitzustellen, so Müller.
"Nicht grundsätzlich problematisch" sieht der Vizerektor für Studium und Lehre der TU Wien, Kurt Matyas, längere Studiendauern - solange diese "nicht ausarten". Seine Bachelorstudierenden schaffen es laut absolventen.at-Auswertung am seltensten, in der Regelstudiendauer plus Toleranzsemester abzuschließen. "In der Technik muss man sich sehr viel aneignen, vor allem an Grundlagenwissen im Bachelorstudium. Hier ist auch forschungsgeleitete Lehre sehr wichtig, es wird bereits parallel bei der Arbeit mit Unternehmen Erfahrung gesammelt - all das kostet Zeit. Zudem ist die etwas längere Studiendauer in technischen Fächern auch vom Markt gelebt und gelernt." Dieser wolle zwar schneller Fachkräfte, aber dabei nicht auf umfassende Qualifikationen verzichten, was sich wiederum nur durch eingehendes Studium von teils schwerer Materie machen ließe. "Wir betreten hier teils ganz neue Denkschulen mit den Studierenden, die es zu verinnerlichen gilt." Weitere Gründe für die längere Studiendauer sieht Kurt Matyas im freien Universitätssystem, in dem viel Eigeninitiative und Selbstorganisation gefordert wird - was nicht jedem liege, aber generell viele positive Effekte habe. Teils gebe es auch falsche Erwartungshaltungen bei Studierenden: "Zum Beispiel werden sogenannte schwere Brocken im Studium oft für den Schluss aufbehalten, was letztlich so nicht zu schaffen ist. Hier versuchen wir im Studienplan auch entgegenzusteuern. Wichtig ist deshalb auch eine realitätsnahe, die Komplexität des Studiums gut spiegelnde STEOP, wie wir sie nun seit Herbst in Betrieb haben." Diese ist Matyas lieber als knappe Aufnahmeverfahren davor.
Die durchschnittlichen Studiendauern seien heute nicht höher, sondern tendenziell niedriger als früher, sagt Matyas. Einerseits sei der Zeitgeist entsprechend, andererseits seien aber auch Beihilfen und Stipendien hier strenger als früher. Im Ingenieursbereich liegen diese in Bachelorstudien bei 9 statt 6 Semestern, in Masterstudien bei 5,3 statt 4 Semestern. "Der Master funktioniert als Kür meistens zeitlich schneller. Wo es hakt, das ist oftmals im Bachelor bei der Orientierungsphase und bei den schweren Grundlagenfächern."
Wichtig ist der TU Wien, schrittweise die Anzahl der prüfungsaktiven Studierenden zu erhöhen, derzeit sind das rund 40 Prozent. Prüfungsaktiv bedeutet, mehr als 16 ECTS-Punkte an studentischer Arbeitslast pro Semester zu bewältigen - wobei laut Gesetz 30 ECTS im Vollzeitstudium zumutbar und nötig wären, um das Studium in Mindestzeit abzuschließen.
Verkürzen könne man die Studiendauern natürlich auch mit mehr Ressourcen für kleinere Gruppen und vielem mehr, sagt Matyas - aber nur bis zu einem gewissen Grad: Eine zügig abgeschlossene akademische Orientierung und Eigenengagement sowie die entsprechenden persönlichen Fähigkeiten blieben dennoch Knackpunkte in Richtung früherer Studienabschluss.
