Es kratzt, es prickelt, es brennt: Tausende Nadelstiche, 120 pro Sekunde, dringen durch die Haut und drücken Tinte in die Dermis - eine ledrige Schicht, etwa ein bis drei Millimeter unter der Hautoberfläche. Das Ergebnis: einzigartige Körperkunst fürs Leben. Sich unter die Nadel zu legen kostet Mut, Zeit und Geld. Dessen ist sich Bernhard Leopold alias "Leo Salzburg" nur zu gut bewusst: "Auch wenn ich ein Motiv schon 500 Mal gestochen habe: Für die Kundin, den Kunden ist das ein ganz besonderer Moment, etwas, das man auch nicht mehr so einfach rückgängig machen kann. Deshalb arbeite ich jedes Mal mit Vorsicht und Bedacht."
Leo ist der Kopf hinter dem Studio "Naked Trust" am Müllner Hügel in der Stadt Salzburg und damit einer von aktuell 78 aktiven Tätowiererinnen und Tätowierern mit Berufsbefähigungsprüfung im Bundesland. Und er lebt seinen Beruf: Drachen und andere Fabelwesen haben sich auf seinen Armen breitgemacht, aus dem Kragen seines T-Shirts ranken schwarze Wirbel. Inzwischen ist es gut 27 Jahre her, dass der 52-Jährige das erste offizielle Tattoo- und Piercing-Studio im Bundesland eröffnet hat. "Damals war es alles andere als alltäglich, tätowiert zu sein", erinnert er sich. "Vielleicht hast du einmal irgendwelche Biker gesehen, die Tattoos hatten. Das war's. Es war kein Massenphänomen wie heute."
Leos Handwerk ist eines, das es seit mehr als 5000 Jahren gibt: Schon aus dem Alten Ägypten sind Mumienfunde mit Tätowierungen bekannt, auf der Gletschermumie Ötzi finden sich mehr als 60 feine grafische Muster. Auch andere Völker, wie die Maori aus Polynesien und Neuseeland, schmücken so seit Jahrtausenden ihre Körper.
Heute ist eine Tätowierung häufig Ausdruck des Selbst, Tagebuch des Lebens: das Sternzeichen, der Hochzeitstag, der Herzschlag des Kindes sind gängige Motive. Sie ist außerdem der sichtbare Beweis dafür, dass man bereit ist, über Grenzen, über Schmerzgrenzen zu gehen. Hierzulande trägt inzwischen jeder Fünfte Körperkunst für die Ewigkeit. Bei den 20- bis 29-Jährigen ist sogar jeder Zweite tätowiert.
Kunst im Blut
Grafiker, technische Zeichnerinnen, Drucker - jene, die sich für das Tätowieren interessieren, haben üblicherweise bereits zuvor in einem kreativen Feld gearbeitet. Auch Leos eigene Ausbildung war eine künstlerische: Er lernte Porzellanmaler bei Augarten in Wien (ein Lehrberuf, der 2009 ausgelaufen ist), war acht Jahre in dem Feld tätig. "Ich habe die Lehre angefangen, weil ich immer schon gerne zu Hause gesessen bin und gezeichnet habe", erzählt er. Tattoos seien für ihn als 15-Jährigen aber "überhaupt kein Thema" gewesen. Zum Handwerk kam er über Umwege: Er lernte einen Tattookünstler kennen, fertigte Entwürfe für ihn an und hatte schließlich zum ersten Mal eine Tätowiermaschine in der Hand: "Ich habe bei dem Drachen, den er auf der Brust hatte, die Farbe nachgestochen. Das Ergebnis war sicher furchtbar", lacht Leo. Denn das Tätowierhandwerk ist eines, das viel Übung und viel Hintergrundwissen braucht.