In der Privatwirtschaft geht das Gespenst seit Längerem um; dagegen gefeit ist auch der öffentliche Sektor nicht. Er tue sich nur schwerer, das wahrhaben zu wollen, sagt Unternehmensberater Alfred Lugstein. Die Rede ist vom Fachkräftemangel. Laut Gemeindeverband haben bundesweit 80 Prozent der Gemeinden Probleme, Personal zu finden. In Salzburg ist die Lage ähnlich. Besonders Positionen in der IT seien laut einer aktuellen McKinsey-Studie schwer zu besetzen, genauso wie solche auf Leitungsebene. Hier kommen Alfred Lugstein und Clemens Jager mit ihrer "Gemeindestube" ins Spiel. Sie wollen versierte Akademikerinnen und Akademiker auf der einen, Gemeinden auf der anderen Seite zusammenbringen. In den vergangenen vier Jahren konnten sie so um die 30 Amtsleiterposten besetzen; inzwischen berät der Bergheimer weit über die Bundesländergrenzen hinaus, ist aktuell in die Gemeindeentwicklung in Niederösterreich eingebunden.
Warum Gemeinden bei Stellenbesetzungen nicht punkten?
Im öffentlichen Dienst tätig sind 16,7 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher (OECD-Schnitt: 17,9%). Neben den Gebietskörperschaften von Bund, Ländern und Gemeinden zählen zu diesem Sektor auch die Sozialversicherungsträger, die Kammern und rund 400 Institutionen mit eigener Rechtspersönlichkeit, wie Universitäten, Vereine oder Verbände. Warum sich gerade Gemeinden so schwertun, offene Stellen zu besetzen? Mit ein Grund ist, dass es wenig Gestaltungsraum beim Verdienst gibt. "In Salzburg wird seit Jahren über eine Attraktivierung der (Einstiegs-)Gehälter im Gemeindedienst diskutiert", sagt Petra Berger-Ratley, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Younion. Was eine Mitarbeiterin, ein Mitarbeiter verdient, ist gesetzlich geregelt und kann von Gemeinden nicht individuell festgelegt werden.
Work-Life-Balance und Sinn statt hohem Gehalt
"Auch die Themen Arbeitszeitreduktion und freiwillige Sozialleistungen spielen für viele eine immer wichtigere Rolle. Im Vergleich zur Privatwirtschaft wird neben der Gehaltsthematik oft auch die 40-Stunden-Woche als Entscheidung gegen den Gemeindedienst angeführt", berichtet Berger-Ratley. Mit überdurchschnittlichem Verdienst können Gemeinden also nicht locken, wohl aber mit Werten wie Work-Life-Balance und Sinn, die heute hoch im Kurs stehen: "Die Mitarbeiter können mit ihrer Arbeitszeit fix planen. Es gibt keinen Druck im wirtschaftlichen Sinne, den ständigen Zwang zur Gewinnmaximierung. In der Privatwirtschaft, wo das durchaus Teil der Unternehmenskultur ist, spürt das noch der kleinste Mitarbeiter", sagt Alfred Lugstein. Einige der vermittelten Gemeindeamtsleiter waren im mittleren Management tätig, haben eine Familie gegründet und Argumente wie diese hätten für sie inzwischen mehr Gewicht als Geld. Einen zusätzlichen Anreiz könnten Benefits wie Skikarten, E-Bikes oder Vergünstigungen bei regionalen Betrieben schaffen.
Innovativer Personalbeschaffungsprozess in Gemeinden
Im Personalbeschaffungsprozess verspricht Lugstein, der jahrelang im Management und im Personalwesen in der Versicherungsbranche tätig war, "100 Prozent Transparenz und Überparteilichkeit". "Recruiting ist keine Gemeinderatssitzung. Es geht nicht darum, politisches Kleingeld zu schlagen, sondern die beste Lösung für die Bevölkerung zu finden", erläutert er. "Bürgermeisterinnen und Bürgermeister erkennen zunehmend, dass alle davon profitieren, wenn maßgebliche Stellen nach Qualifikation besetzt werden statt nach Parteibuch. Außerdem sind Bevölkerung und Opposition inzwischen äußerst wachsam geworden, was Postenschacher betrifft." Und er gibt zu bedenken: "Selbst wenn sich die politische Ausrichtung in einer Gemeinde ändert: Der Amtsleiter, die Amtsleiterin bleibt." Im Auswahlprozess, der in enger Abstimmung mit der Gemeinde erfolgt, gehen Lugstein und sein Partner Clemens Jager analog zur Privatwirtschaft vor: Ausschreibung, Hearing, Assessmentcenter. Zum Paket gehören in weiterer Folge Coachings, Imagearbeit, Projektkommunikation. "Wir stülpen keine Konzepte über, sondern reden offen mit den Beteiligten darüber, was gut, was schlecht läuft", erläutert der Berater.
Gemeinden auf dem Weg zur modernen Arbeitgebermarke
Aktuell stelle sich noch kaum eine Gemeinde professionell als Arbeitgebermarke dar. Es habe bisher schlicht nicht die Notwendigkeit gegeben, so Lugstein. "Wir versuchen den Sinn des Gemeindedienstes sichtbar zu machen. Tätigkeiten, die intern als ganz selbstverständlich betrachtet werden, tragen wir nach außen." Die Berater gehen damit eine weitere Hürde an, die von Bewerbungen abhält: das verstaubte Image. Im Stelleninserat, gerade für eine Amtsleitungsstelle, müsse der Gestaltungsspielraum deutlich gemacht werden: "Amtsleiter müssen heute Management- und Leadership-Skills, wie sie auch in der Privatwirtschaft gefordert werden, im kleinen Finger haben", sagt Lugstein. Alles andere also als eine trockene, verstaubte Verwaltungstätigkeit.