"Investieren ist nicht nur ein Thema für Superreiche: Um alternative Anlageformen zu nutzen, braucht es Wissen."
Nina von Gayl
Kuratorin Financial Life Park, Erste Bank
Gutes Finanzwissen sei daher immer noch der beste Schutz und die Grundlage, um informierte Entscheidungen zu treffen. Doch mit der Finanzbildung beschäftige man sich in Österreich eher zu wenig, meint Vybiral. Gerade im vergangenen Jahr sei bei den unter 25-Jährigen die Zahl der Privatinsolvenzen, aber auch die durchschnittliche Schuldenhöhe gestiegen.
Zwar schneiden Österreicherinnen und Österreicher laut einer Studie der OECD aus 2019 in Sachen Finanzwissen überdurchschnittlich gut ab, trotzdem sieht auch Nina von Gayl, Kuratorin des Erste Financial Life Park, noch Potenzial: "Nur weil jemand wiedergeben kann, was Zinseszinsen sind, heißt das nicht, dass er oder sie es praktisch im Lebensalltag anwenden kann."
Von Gayl nennt das Sparbuch als Beispiel: "Mit der aktuellen Inflation und den niedrigen Zinsen verliert das Geld am Sparbuch reell an Wert. Dennoch ist es immer noch beliebt." Nach einer aktuellen Umfrage des Marktforschungsinstituts Gallup im Auftrag der Santander Consumer Bank ist es mit 43 Prozent sogar die beliebteste Anlageform. "Um alternative Anlageformen zu nutzen, braucht es Wissen", so Finanzbildungsexpertin von Gayl. "Investieren ist nicht nur ein Thema für Superreiche."
Gute Finanzbildung beginnt im Elternhaus
Erstinformationen können sich junge Menschen im FLiP, dem Financial Life Park am Erste Campus in Wien, holen. In den Bundesländern tourt der FLiP2Go-Bus von Schule zu Schule. Spielerisch, multimedial und interaktiv lernen Schulklassen, wirtschaftliche und finanzielle Zusammenhänge zu verstehen: Wie viel kostet ein WG-Zimmer? Was ist ein Einziehungsauftrag? Gleichzeitig wird ein Blick auf Produktionsketten geworfen: Was ist nötig, damit ein Pullover hergestellt wird? Und: Braucht es den dritten Pullover wirklich? "FLiP und FLiP2Go sind als Initialzündung gedacht, um Basiswissen zu vermitteln, das an die Lebensrealitäten der Menschen anknüpft. Wir wollen damit auch das offene Gespräch über Geld anstoßen", so von Gayl. "Besonders im deutschsprachigen Raum spricht man ja eher hinter vorgehaltener Hand über Geld."
Dass zu wenig über Geld gesprochen wird, zitiert auch der KSV 1870 aus einer Studie des Bankenverbands. Mehr als die Hälfte der jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren gibt an, dass Geld für sie ein Tabuthema sei. Gerade wenn es im Elternhaus nicht besprochen wird, braucht es ein wachsendes Angebot an Schulen. Seit nun zehn Jahren bietet die Schuldenberatung Salzburg mit dem Finanzführerschein Grundwissen für Mittel- und Berufsschülerinnen und -schüler. Bisher wurden so rund 5000 Jugendliche im Bundesland erreicht.
Peter Niederreiter, Geschäftsführer der Schuldenberatung Salzburg, sieht ein Problem in der zunehmenden Unsichtbarkeit von Geld: "Geld liegt virtuell auf Konten, wir zahlen mit Paypal oder mit Karte. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes immer weniger begreifbar."
Auch der KSV 1870 engagiert sich mit Workshops direkt an Schulen. Eine Kooperation mit Teach for Austria und eine Initiative mit der WU Wien dienen hier als Hebel, um noch mehr junge Menschen zu erreichen. "Wenn ich mit jungen Leuten spreche, dann kommt oft der Aha-Moment. Sie realisieren erstmals, was das Leben kostet und dass ihnen nicht viel übrig bleibt. An dem Punkt ist es mir auch wichtig, auf der Einkommensseite anzusetzen und sie zu motivieren, eher an eine Ausbildung mit Zukunftspotenzial zu denken als nur an die Klassiker wie Friseurin und Friseur oder Mechanikerin und Mechaniker", so Vybiral.
Finanzfragen gibt es in jeder Lebenslage
Lena Gugenberger von Three Coins freut sich, dass Finanz- und Wirtschaftsbildung nun auch von der Regierung durch die nationale Strategie für Finanzbildung verankert wird. Three Coins ist ein Sozialunternehmen, das Finanzbildungsprojekte entwickelt und umsetzt. Was für das Team von Three Coins vor zehn Jahren mit Jugend und Schülerarbeit begann, soll nun breiter werden: "Die meisten Angebote richten sich ja eher an Menschen in der Krise oder an Schülerinnen und Schüler. Wir denken aber, dass es in jeder Lebensphase andere Geldfragen gibt. Während junge Menschen ausziehen und einen Kredit aufnehmen wollen, dominiert bei Familiengründung das Thema Karenzgeld und Teilzeitarbeit, später möchte man Erspartes vielleicht sinnvoll anlegen und weiß nicht, wie. Für jede dieser Phasen sollte es niederschwellige und unabhängige Beratungs- und Informationsangebote geben."
Three Coins startet deshalb mithilfe einer Förderung des Sozialministeriums ab Herbst das Pilotprojekt "Servicestelle Geldleben": "Ausgebildete Beraterinnen und Berater geben in Wien, St. Pölten und Graz Auskunft, vernetzen Menschen mit den richtigen Stellen und bieten Workshops zur Weiterbildung." Nach erfolgreicher Pilotphase soll die "Servicestelle Geldleben" auch in den anderen Bundesländern aktiv werden.