Sie sind durchaus charmant, intelligent, sie agieren nicht besonders auffällig, sind im Hintergrund aktiv - und genau deshalb so gefährlich: Psychopathinnen und Psychopathen, die an Schlüsselpositionen sitzen.
Elon Musk könnte ein Beispiel sein
Nicht immer erwischt der Tesla-Chef und Visionär die gute Balance zwischen tollkühnen Entscheidungen und Größenwahnsinn. Seine Methoden werden gehypt oder gehasst, sein Verhalten dem Team gegenüber ist immer wieder und für die Öffentlichkeit gut sichtbar mehr als bedenklich. Doch nicht nur bei Tesla steht ein Mann vorne, dessen Persönlichkeit polarisiert. "Ja, es gibt Psychopathen in der Führungsebene - sogar relativ oft", bestätigt Patricia Staniek. Sie ist Profilerin und Kriminologin in Wien, tätig ist sie inner- und außerhalb Österreichs. Und sie warnt: "Es gibt Menschen mit psychopathischen Anteilen und es gibt tatsächliche psychopathische Persönlichkeitsstörungen. Die Zuweisung des Begriffs obliegt Fachleuten - doch Hinweise auf diesen Stil im Berufsalltag zu erkennen ist für uns alle aufschlussreich."
Psychopathisches Verhalten von Führungspersonen kann massiv schaden aber auch nützen
Die Analystin, die das menschliche Verhalten intensiv studiert und Schlüsse aus der kleinsten Bewegung im Gesicht ziehen kann, ergänzt: "Solche Entscheiderinnen und Entscheider ticken ganz anders als die allermeisten von uns. Sie verletzen gesellschaftliche Regeln, empfinden kaum Mitgefühl oder Reue und manipulieren andere, um an ihre Ziele zu gelangen. Aber solche Menschen im Unternehmen zu haben ist nicht immer nur ein Nachteil." Psychopathisches Verhalten nutze beispielsweise dann, wenn Entscheidungen in einer Gefahrensituation oder unter enormem Druck getroffen werden müssen. Wenn riesige Budgets eine Rolle spielen oder zig Arbeitsplätze auf der Kippe stehen. "
Psychopathen gehen hohe Risiken ein und fällen Entscheidungen, die außer ihnen niemand so treffen würde und über deren Ergebnisse wir staunen. Ihnen fehlt der Angstbereich im limbischen System und deshalb handeln sie, wie sie eben handeln."
Ein derartiges Verhalten könne andererseits auch massiven Schaden anrichten und Teams tiefgreifend beeinträchtigen; Psychopathen haben mitunter Freude an der Demütigung anderer Menschen, sind nutzen- sowie machtorientiert und verstehen die Menschen in ihrem Umfeld gelegentlich als Objekte. "Das gute Maß an der richtigen Stelle ist entscheidend. Generell reißen sich Branchen, in denen regelmäßig Risiken eingegangen werden sollen, aber um diesen Typus."
Wahre Alphatiere können ihre Gruppe zum Erfolg führen
Patricia Staniek untersucht nicht nur Menschen und ihr Verhalten. Vor einiger Zeit hat sie sich im niederösterreichischen Ernstbrunn an eine Gruppe angenähert, bei der die Hierarchie glasklar ist. "Meine Faszination für Wölfe besteht seit meiner Kindheit", sagt die Wienerin und erklärt, was ihr schon beim Zugehen auf das abgesperrte Areal aufgefallen ist: "Die Alphawölfe, stets Männchen, nehmen eine coole Haltung ein. Dabei entgeht ihnen nichts." Wölfe seien grundsätzlich kooperativ - deshalb wagt die Profilerin den Vergleich zwischen der höchsten Position in einem Wolfsrudel und der Führungskräfte-Ebene in einem Unternehmen. Dass Managerinnen und Manager ganz selbstverständlich, ohne nennenswerte Wertschätzung und in einer Tour den größten Einsatz von ihren Mitarbeitenden fordern können, schließt sie gleich zu Beginn aus. Vermeintliches Alphaverhalten und übertriebene Dominanz seien absolut unangebracht, das Um und Auf sei die Augenhöhe mit dem Team, wenn es um Aufträge und Entscheidungen gehe. Wahre Alphatiere hätten die Macht, ihre Gruppe zum Erfolg zu führen. Im Business kann das ein Auftrag von neuen Kunden sein, bei den Wölfen steht das Futter im Mittelpunkt des Interesses.
Gesundes Maß an Narzissmus ist im Business oft überlebensnotwendig
Im Gespräch mit ihren Klientinnen und Klienten nimmt Staniek wahr, dass diese nicht nur mit dem Verhalten von Psychopathen zu kämpfen haben, sondern auch mit jenem von Narzissten. Für sie sei die Psychopathie das "Chamäleon unter den Persönlichkeitsstörungen", Narzissmus lasse sich hingegen vergleichsweise einfach durch offen zur Schau getragene Großartigkeit und fehlende Kritikfähigkeit enttarnen.
In etlichen Branchen stelle sich nicht mehr die Frage, wer Narzisstin oder Narzisst sei - sondern wer nicht mehr. Ein gesundes Maß dieser Eigenschaft sei nämlich im Business überlebensnotwendig; ein Übermaß hingegen meist ein echter Stressfaktor für das Umfeld. Staniek: "Diese Leute treten meist sehr eloquent auf. Sie schaffen es, andere auf die Reise mitzunehmen, und präsentieren sich und das Unternehmen bestens nach innen und außen." Der toxische Narzisst schaffe es, Menschen für sich einzuspannen sowie enormen Druck und Angst zu verbreiten. Er halte sich für das Maß aller Dinge. "Er sieht sich ganz oben und ist der Beste."
Welche Strategie dem Team bleibt?
"Verbünden Sie sich niemals mit Psychopathen und seien Sie so uninteressant wie möglich für diesen Typus", sagt die Analystin. Bei Narzissten gilt im beruflichen Kontext in erster Linie: "Hilfe suchen und annehmen."
