Wenn Büroangestellte morgens um neun Uhr an ihren Arbeitsplatz kommen, ist schon alles blitzblank. Stunden früher oder vielleicht nach Büroschluss am Abend davor rückten die Beschäftigten eines Reinigungsdienstes an, um Böden zu wischen und Mistkübel zu entleeren.
Dienste zu Randzeiten: niemanden stören und unsichtbar bleiben
Meist sind es Frauen, oft Migrantinnen. Die Löhne sind niedrig. Sie verrichten ihre Dienste zu den Randzeiten auch deshalb, um tagsüber niemandem in die Quere zu kommen. Sie müssen unsichtbar bleiben.
Viele Nachteile durch geteilte Dienste in der Früh und am Abend
Diese Praxis hat zur Folge, dass die Arbeitszeiten der Reinigungskräfte oft als geteilte Dienste organisiert sind - beispielsweise von 6 bis 9 Uhr in der Früh und von 17 bis 20 Uhr am Abend. Aus dieser Zerstückelung des Tagesablaufs entstehen für die Betroffenen zahlreiche Nachteile.
Auswirkungen von Splitwork für Betroffene, Unternehmen und Rahmenbedingungen
Die Soziologin Karin Sardadvar von der Wirtschaftsuniversität Wien hat die Problematik, die bisher kaum in den Fokus wissenschaftlicher, medialer oder arbeitsrechtlicher Diskurse gerückt wurde, erstmals in das Zentrum einer umfassenden Forschungsarbeit gestellt. Das Projekt "Fragmentierungen des Arbeitslebens durch geteilte Dienste (Splitwork)", das im Rahmen des Richter-Programms des Wissenschaftsfonds FWF unterstützt wird, betrachtet die Problematik der geteilten Arbeitszeiten in der Reinigungsbranche und in der Pflege aus mehreren Perspektiven. Dabei erfassen Sardadvar und ihr Team nicht nur Auswirkungen auf das Leben der betroffenen Beschäftigten, sondern auch die unternehmerischen Entwicklungen und regulativen Rahmenbedingungen, die diese Arbeitsform ermöglichen und befördern.
Dienstzeiten mit Unterbrechung oft bei Reinigung, Pflege, ÖPNV und Gastgewerbe
Den Ursprung der heutigen Praxis der geteilten Dienste verortet Sardadvar in den 1980er- und 1990er-Jahren. "Die Unternehmen begannen damals, Reinigungsarbeiten auszulagern. Durch die neue Dynamik am Arbeitsmarkt entstanden viele Teilzeitjobs und vermehrt geteilte Dienste", erläutert die Soziologin. "In der Pflege ist die Fragmentierung dagegen oft dem Tagesablauf der Patientinnen und Patienten geschuldet, in dem am Morgen und am späten Nachmittag und Abend besonders viele Tätigkeiten zu verrichten sind."
Trotz der großen Verbreitung von geteilten Diensten - auch im Gastgewerbe oder im öffentlichen Verkehr sind sie üblich - gibt es bis heute keine tragfähigen Zahlen dazu. "Aus einer großen Erhebung wissen wir lediglich, dass zwölf Prozent der Arbeitskräfte Dienstzeiten mit einer Unterbrechung von mehr als einer Stunde haben", erklärt Sardadvar. "Die Zahl umfasst aber auch andere Beschäftigungsformen, etwa Lehrkräfte, die Freistunden haben, oder Selbstständige, die ihren Tag selbst strukturieren."
Fragmentierung der Arbeitszeit bedeutet Einschränkung des Privat-, Sozial- und Familienlebens
Aus Sicht der Betroffenen bedeuten die geteilten Dienste insbesondere eines: eine Einschränkung ihres Privat-, Sozial- und Familienlebens. "Die Beschäftigten werden abseits üblicher gesellschaftlicher Zeitrhythmen eingesetzt. Partnerschaften, Kinderbetreuung und Freundschaftspflege leiden", fasst Sardadvar die Erkenntnisse aus Interviews mit den Betroffenen zusammen.
Freizeit zwischen den Diensten verliert an Erholungswert
Gleichzeitig wird die Zeit zwischen den Diensten nicht als erholsam, nicht als "richtige" Freizeit erlebt. "Durch die Rückkehr in die Arbeit noch am selben Tag entsteht ein Druck, der als einschränkend empfunden wird", so die Soziologin.
Betroffene erzählen etwa von der Mühe, vier Mal täglich den Arbeitsweg zurücklegen zu müssen, von der Hektik der Hausarbeit in der Pause und von der Belastung, wenn man die Kinder im Schulalter nur am Wochenende zu Gesicht bekommt. Sardadvar betont, dass bei einer Untersuchung dieser Art jedenfalls ein erweiterter Arbeitsbegriff anzuwenden sei, der über den Erwerb hinausgeht: "Meist geht es hier um Frauen, die auch einen Großteil der unbezahlten Arbeit im Haushalt erledigen. Das muss miteinbezogen werden."
Ein Hintergrund, warum Unternehmen geteilte Dienste einführen, ist schlicht der Kundenwunsch
"Man erwartet einfach, dass die Reinigung zu Beginn der Bürozeiten erledigt ist", sagt Sardadvar. Dabei werde übersehen, dass es mit der Tagesreinigung während der üblichen Bürozeiten durchaus auch eine Alternative gibt, die in den meisten Fällen gut anwendbar wäre. Die Störungen, die Büroangestellte bei ihrer Arbeit fürchten, stellten sich in der Praxis meist als wenig relevant heraus, sagt die Soziologin.
Kulturwechsel: Blick nach Skandinavien
Vorbild für die Etablierung der Tagesreinigung ist Norwegen, wo Sardadvar zu diesem Thema geforscht hat.
