SN.AT / Leben / Karriere

Interimsmanager als Joker

Wenn Not am Mann ist oder Projekte nicht vom Fleck kommen, ziehen Unternehmen Manager auf Zeit als Trumpf.

Stefanie Lintschinger kennt sich aus mit ersten Malen. Gerade im beruflichen Kontext hat sie schon etliche erlebt. Und fast ebenso viele skeptische Blicke. Denn wenn sie auftaucht, heißt das, dass es Herausforderungen im Unternehmen gibt. Herausforderungen, die das Unternehmen nicht allein bewältigen kann. Lintschinger ist Unternehmensberaterin und Interimsmanagerin.

Management auf Zeit: Bei Ausfall einer Führungskraft kurzfristig Lücken schließen

Als solche füllt sie kurzfristig Lücken, die sich auftun, wenn eine Führungskraft kündigt, in Karenz geht oder wegen einer Erkrankung oder eines Sabbaticals längere Zeit ausfällt. Aber auch bei Fusionen oder wenn es darum geht, Personalabteilung und Geschäftsführung in Hinblick auf die Teamzusammenstellung zu beraten, beim Konfliktmanagement oder bei Projekten, die nicht recht vom Fleck kommen, treten Interimsmanager auf den Plan.

Das Management auf Zeit ist inzwischen auch in Österreich eine wirtschaftliche Realität geworden, zeigt eine Studie der Wiener Agentur Bühler Management aus dem Vorjahr: Der Markt wächst, die Aussichten sind positiv, besonders in der Autobranche, der Industrie und im Handel. Gründe dafür gibt es viele: volatile Zeiten, Personalengpässe, Aufträge, die die vorhandenen Ressourcen ausreizen.

Was sind Grundvoraussetzungen für den Beruf eines Interimsmanagers?

"Neben Offenheit und Expertise braucht es ein superschnelles Auffassungsvermögen", sagt Lintschinger wie aus der Pistole geschossen, "man hat deutlich weniger Zeit, um sich einzufinden, als ein regulärer Mitarbeiter." Außerdem müsse man sich zu hundert Prozent auf das einlassen, was der jeweilige Auftraggeber braucht. "Es hilft nichts, wenn ich einen gut bestückten Methodenkoffer habe, aber nicht das richtige Tool heraushole." Hier profitiert die Oberösterreicherin von zwanzig Jahren Erfahrung im Projektmanagement und einem Verständnis davon, wie die einzelnen Unternehmenstypen und Branchen funktionieren. "Bei einem Start-up kann es etwa darum gehen, dass man die Idee filetiert und das Projekt ausgießt: Welche Leute braucht es? Was ist der Zeitplan, das Budget?", schildert sie.

Entscheidungshilfe gegen Non-Performer

"Experten auf diesem Level sind extrem rar, weil sie meist schon in Unternehmen verankert sind", weiß Lintschinger. Mit Interimsmanagern können sich Betriebe unbürokratisch hochqualifiziertes Personal ins Haus holen - ein unschätzbarer Mehrwert.

"Projekte scheitern primär an der Kommunikation."
Stefanie Lintschinger
Unternehmensberaterin, human!projekt e. U.

Eine Erfahrung, die Harald Schönfeld bestätigen kann. Er ist Geschäftsführer der Schweizer Personalberatungsagentur Butterflymanager, die auf die Vermittlung von Interimsmanagern spezialisiert ist. Diese, so seine Überzeugung, sorgen in Zeiten des Fachkräftemangels zudem für eine willkommene Schnaufpause: Laut Schönfeld sind nämlich schätzungsweise bis zu zwanzig Prozent aller Führungskräfte "Non-Performer": Ein Finanzchef ohne zeitgemäße Leitungskompetenz oder eine Produktionsleiterin mit wenig Freude an Digitalem, die sich bei anstehenden Veränderungen querstellt, können eine ganze Firma in eine gefährliche Schieflage bringen. Aus Angst davor, dass sich bis zur Nachbesetzung eine monatelange Lücke auftut, blieben sie häufig dennoch im Amt, beobachtet der HR-Experte.

Seine Überzeugung: "Von Managern, die der Firma und den Menschen nicht guttun, muss man sich konsequent mit Blick auf das Gesamtwohl trennen." Übergangsphasen ließen sich erfahrungsgemäß immer mit einem spezialisierten Interimsmanager überbrücken. "Mit diesem Wissen eröffnet sich eine völlig neue Freiheit bei Personalentscheidungen."

Wie Interimsmanagement in der Praxis aussehen kann?

Im Schnitt vergingen zwei Wochen vom ersten Briefing bis zu dem Moment, an dem sie in einem ihr bis dahin oftmals unbekannten Büro steht, erzählt Stefanie Lintschinger. Zu Beginn führt sie 1:1-Gespräche mit allen Beteiligten, Erfolge werden gemeinsam gefeiert und auch ein guter Abschluss ist ihr wichtig. "Ich lebe im Interimsmanagement kein Helikopterprinzip. Als Interimsmanagerin muss ich eine gern gesehene Kollegin sein", sagt sie. "Immerhin bin ich darauf angewiesen, dass mir die Mitarbeitenden die ungeschriebenen Gesetze, die im Unternehmen gelten, zutragen. Ein Gespür für menschliche Themen ist das Um und Auf." Zugute kommt der Oberösterreicherin hier ihr Hintergrund als psychologische Beraterin.

Mitarbeitende müssen mit im Boot sitzen

Und auch das Temporäre an ihrer Managementtätigkeit habe durchaus seine Vorteile: "Als Außenstehende bin ich nicht so im Firmenstrudel verwoben. Ich erkenne so blinde Flecken leichter und kann bestimmte Themen offener ansprechen." Mitunter müsse sie der Geschäftsführung ins Gewissen reden, denn wenn Projekte scheitern, tun sie das primär wegen mangelhafter Kommunikation und fehlender Transparenz: "Ein Strukturprozess etwa ist keine kosmetische Korrektur, die man sich gönnt. Er muss authentisch sein und die Mitarbeitenden mit ins Boot holen."