Pro Juventute ist in der Kinder- und Jugendhilfe tätig - das Sozialunternehmen hat Standorte in sechs Bundesländern. Hier werden Kinder ab drei Jahren und Jugendliche in Wohngemeinschaften wie auch auf mobilem Wege betreut. Susanne Molnar und Andrea Scharinger bilden die Geschäftsleitung von Pro Juventute Soziale Dienste in Salzburg und standen den "Salzburger Nachrichten" Rede und Antwort.
Warum sollte man eine sozialpädagogische Ausbildung starten? Susanne Molnar: Eine sozialpädagogische Ausbildung und die Tätigkeit in einem entsprechenden Beruf können Menschen interessieren, die ihre soziale Kompetenz weiterentwickeln und einbringen möchten. Menschen, die einen verantwortungsvollen und sinnvollen Beruf ausüben und die Welt, einfach gesagt, ein wenig menschlicher gestalten möchten. Die Sinnfrage spielt eine große Rolle.
Welche Fähigkeiten und Charaktereigenschaften muss man für eine Ausbildung im sozialpädagogischen Bereich mitbringen? Molnar: Man sollte mit sich selbst einigermaßen im Klaren sein, Interesse an den Menschen, der Kommunikation und an sozialen Beziehungen haben. Respekt und Toleranz sind wichtige Haltungen - es gilt, Konflikte auszuhalten und an Lösungen mitzuwirken. Dazu benötigen wir die Bereitschaft zur Reflexion unseres pädagogischen Handelns. Ein sozialpädagogischer Beruf ist anspruchsvoll und befriedigend.
Wie ist es aktuell um sozialpädagogische Berufe bestellt? Molnar: Nahezu in allen Branchen herrscht ein Wettbewerb um jüngere oder umsteigewillige Menschen, auch in den sozialpädagogischen Berufen. In der Sozialbranche in Österreich verzeichnen wir bereits gewisse Leerstände an Plätzen durch Personalmangel. Pro Juventute ist davon bisher noch nicht betroffen, wenngleich die Nachbesetzungen herausfordernd sind. Ein Faktor ist hier: Durch die vor wenigen Jahren erfolgte Kompetenzveränderung in der Bundesverfassung wurden Bestimmungen der Kinder- und Jugendhilfe "verländert". Die Ausbildungsanforderungen an Mitarbeitende sind in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Der Abschluss des Kollegs für Sozialpädagogik wird in Salzburg nicht anerkannt, in anderen Bundesländern schon. Das ist im Grunde nicht verständlich und schränkt die Mobilität am Arbeitsmarkt ein.
Wie geht man mit belastenden Situationen im Ausbildungs- und Berufsalltag um? Andrea Scharinger: In Belastungssituationen müssen Ruhe und Überblick bewahrt werden, um das Richtige zu tun. Dazu zählt auch, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Aufarbeitung und Reflexion im Anschluss sind wichtig. Unsere Teams werden vom pädagogischen Fachdienst begleitet und in Krisen beziehungsweise belastenden Situationen unterstützt. Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Fachdienst sind erfahrene Mitarbeitende mit Zusatzqualifikationen, wie zum Beispiel in der Sexualpädagogik, Suchtprävention, Deeskalation, und beraten und begleiten unsere Teams und auch einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Weiters beschäftigen wir in nahezu allen Teams sogenannte kollegiale Ersthelferinnen und Ersthelfer, die konsultiert werden können. Angebote wie Einzel- und Teamsupervision sind gut etabliert und nachgefragt.
Welche Maßnahmen braucht es, um dem Personalmangel entgegenzuwirken? Scharinger: Konzeptgeleitete und qualitativ gute Arbeit ist die Grundanforderung, die es zu erfüllen gilt. Darüber hinaus sind Konzepte nötig, die Interessentinnen und Interessenten anziehen. Weiters ist eine vorausschauende und kontinuierliche Personaleinsatzplanung unumgänglich. Führungskräfte sind gefordert, auf der einen Seite neue Mitarbeitende zu gewinnen und auf der anderen Seite die genehmigten Personalstunden im Blick zu halten. Kontakte mit Ausbildungsstätten und gute Rahmenbedingungen für Praktikantinnen und Praktikanten gewinnen im Sinne eines Relationship-Recruitings immer mehr an Bedeutung. Die Kulturentwicklung laut einem Leitbild und gelebte Werte sowie ein Führungsverständnis, das auf Vertrauen, Wertschätzung und Partizipation beruht, sind wichtige Parameter, um neue Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.
Welche Rolle spielt die Unterstützung von neuen Mitarbeitenden? Scharinger: Die systematische Begleitung von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wirkt sich auf die Verweildauer aus. Bei Pro Juventute haben sich Onboarding-Leitfäden von der Fachkraft bis zur Haushaltshilfe und entsprechende Mentoring-Programme bewährt. Die Möglichkeit, im Rahmen von Prozessen an der Organisationsentwicklung und pädagogischen Entwick- lungsthemen teilzunehmen, und auch die Möglichkeit, sich regional und beruflich innerhalb der Organisation zu verändern, schätzen unsere Mitarbeitenden sehr.
Was macht gute Betreuung von Kindern und Jugendlichen aus? Scharinger: Das ist eine gute Frage. Wir beschäftigen uns intensiv mit sogenannten Wirkfaktoren in der Kinder- und Jugendhilfe. Unter diesen sind alle möglichen Zusammenhänge mit erreichten Effekten gemeint. Dazu gibt es in Deutschland entsprechende Forschungsergebnisse von Evas. Dabei handelt es sich um das größte Dokumentations- und Evaluationsverfahren für den Bereich der Hilfen zur Erziehung. Hier wurden zum Beispiel 50.000 Einzelfallhilfen auf Effekt beziehungsweise Wirkung untersucht. Ein mehrfach nachgewiesener Wirkfaktor ist Partizipation: Altersgemäß werden Kinder und Jugendliche in Entscheidungen miteinbezogen. Weitere Wirkfaktoren sind das Alter bei Hilfebeginn und die sozialpädagogische Diagnostik. Je mehr Hilfenvorerfahrung gegeben ist, desto mehr Problematiken treten auf. Das heißt, es muss schon zu Beginn mit fachlich richtiger Hilfe unterstützt werden. Das alles zeigt nachweisliche Wirkung.
Wie misst man Erfolge in "zwischenmenschlichen Faktoren"? Scharinger: Es sind natürlich auch die individuellen Lebensläufe der Kinder und Jugendlichen, die Antwort auf diese Frage geben können. Wie zum Beispiel "Halten die Beziehungen?", "Bestehe ich in Belastungs- und Konfliktsituationen?", "Erlerne ich ein selbstständiges Leben?". Als Organisation müssen wir diesen und ähnlich wichtigen Fragen höchste Priorität einräumen. Unsere Verantwortung ist es, die Kinder und Jugendlichen in umfassendem Sinn wachsen zu lassen. Dafür brauchen Kinder und Jugendliche einen sicheren Ort, gute Entwicklungsmöglichkeiten und einen Platz zum Wohlfühlen.
In welchen Bereichen bildet Pro Juventute Lehrlinge aus? Molnar: Wir bilden im Verwaltungsbereich der Zentrale Lehrlinge aus. Zu den Rahmenbedingungen gilt: Die Auszubildenden erhalten zusätzliche und ergänzende Weiterbildungsangebote in persönlichkeitsbildenden und kaufmännischen Belangen. Bei einer Lehre mit Matura werden zusätzliche Lernfreizeiten gewährt. Im sozialpädagogischen Kontext ist die Beschäftigung von Lehrlingen nicht möglich.
Was hat es mit der Pro-Juventute-Akademie auf sich? Molnar: Die Pro-Ju-Akademie kann an einem positiven Klima für die Betreuung und Begleitung von Kindern und Jugendlichen mitwirken und natürlich spielt der Beitrag zur Qualitätsentwicklung eine große Rolle. Durch die Pro-Ju-Akademie werden im psychosozialen und sozialpädagogischen Bereich Impulse gesetzt und das Niveau kann dadurch gehoben werden. Dazu zählen auch die Kontakte und der Austausch mit wissenschaftlichen Expertinnen und Experten sowie deren Arbeit und die Ausrichtung eines entsprechenden Fort- und Weiterbildungsangebotes. Alle diese Maßnahmen sind einerseits interne Angebote und richten sich andererseits auch an die externe Fachszene.