SN.AT / Leben / Karriere

Teuerung: Harte Zeiten für Single-Mütter

Die Teuerungskrise trifft berufstätige Alleinerzieherinnen mit voller Wucht. Die monatlichen Kinderkosten marschieren in Richtung 1000 Euro.

Alleinerzieherinnen gehören zu den am stärksten armutsgefährdeten Bevölkerungsgruppen. Die Rekordinflation verschärft die Lage zusätzlich.
Alleinerzieherinnen gehören zu den am stärksten armutsgefährdeten Bevölkerungsgruppen. Die Rekordinflation verschärft die Lage zusätzlich.

Frauen, die ihre Kinder allein durchbringen, arbeiten mehr und länger als Mütter, die in einer Partnerschaft leben. 84 Prozent der Alleinerzieherinnen sind im Erwerbsprozess, sie arbeiten pro Woche im Schnitt 36 Stunden und mehr - so die Studie "Alleinerziehende in Österreich" im Auftrag des Sozialministeriums (2011). Diese Frauen jonglieren sich managementtauglich durch den Alltag, tragen die volle Last der Existenzsicherung, sie leisten - meist unter vielerlei Schuldgefühlen - die Fürsorgearbeit und verzichten auf vieles.

Im Vorjahr erzogen 234.000 Mütter und 46.000 Väter ihren Nachwuchs allein. Während Solomütter die ökonomische Situation als größte Herausforderung bezeichnen, sehen sich alleinerziehende Väter am stärksten durch den Streit um die Obsorge belastet. Die von Frauen geführten Familien trifft die Teuerungskrise mit voller Wucht.

Armutsgefährdung von Alleinerzieherinnen: 300 Euro Unterhalt im Monat

Bereits vor der Pandemie lebte jedes zweite Kind (54 Prozent) von Alleinerzieherinnen nach offiziellen Zahlen in Armut oder Ausgrenzung. Inzwischen sind es 70 Prozent, weiß der Verein Feministische Alleinerzieherinnen Fema in Wien. "Man lässt uns im Stich", sagt Obfrau Andrea Czak. "

"Zu uns kommen Frauen, die am Monatsende nicht mehr wissen, wie sie Essen einkaufen sollen."
Andrea Czak
Obfrau Fema

Alleinerzieherinnen gehören zu den am stärksten armutsgefährdeten Bevölkerungsgruppen. Der Unterhalt beträgt laut Statistik Austria durchschnittlich nur 300 Euro. Die Kinderkosten liegen mittlerweile aber bei 1000 Euro. Zu uns kommen Frauen, die am Monatsende nicht mehr wissen, wie sie Essen einkaufen und die Miete bezahlen sollen", schildert Czak.

Unterhaltsgarantie für Kinder statt Almosenpolitik der Regierung

Die Maßnahmen der Regierung - 60 Euro Extrabonus für finanziell Schwache oder der Wohnschirm (134 Millionen Euro bis 2026) - seien begrüßenswert. "Natürlich ist man dankbar. Aber 60 Euro sind zu wenig, es müssten 180 Euro sein." Außerdem müsse statt einer Almosenpolitik endlich die seit 2017 versprochene (staatliche) Unterhaltsgarantie für Kinder umgesetzt werden, fordert Czak. "Die ÖVP sträubt sich. In der konservativen Denkweise hält man am Modell Vater-Mutter-Kind fest. Frauen, die gehen oder ohne Partner leben, werden insgeheim immer noch scheel angesehen, auch wenn man das nicht mehr so offen sagt wie früher." Frauen hätten einen finanziellen Zwang, in Beziehungen auszuharren, egal ob dies den Beteiligten guttue. Oder man zwinge sie in den zermürbenden Hürdenlauf vor Unterhaltsgerichte und Behörden.

Die Kinderkostenstudie des Sozialministeriums aus 2021 bestätigt, wie hart es ist, Kinder allein großzuziehen. So müssen Haushalte mit zwei Elternteilen und einem Kind elf Prozent mehr verdienen als ein Vergleichspaar ohne Kind, um das gleiche Wohlstandsniveau zu erreichen. Eine Single-Mutter mit Kind müsste indes um 43 Prozent mehr Einkommen haben, was in Geld umgerechnet monatlich 900 Euro pro Kind wären.

Negativer Spitzenplatz: Österreichs Frauen verdienen 19 Prozent weniger als Männer

Es gibt in Österreich im Wesentlichen nur eine Berufsgruppe, wo Frauen im Einkommen den Männern nicht nachstehen: den öffentlichen Dienst. Beamtinnen haben ein mittleres Bruttoeinkommen von monatlich 4562 Euro, Angestellte eines von 3855 Euro, während Arbeiterinnen nur noch auf 2608 Euro kommen (Einkommensbericht Finanzministerium). Im Gastgewerbe oder Handel gehen Tausende Frauen gar mit Nettolöhnen von 1400 bis 1600 Euro nach Hause. Generell erhalten Frauen in Österreich um 19 Prozent weniger Gehalt als Männer, ein negativer Spitzenplatz in Europa.

Ausgaben für ein Kind gehen in Richtung 1000 Euro pro Monat

Der Dachverband der Schuldnerberatungen in Linz errechnet jährlich sogenannte Referenzbudgets für unterschiedliche Haushaltstypen. Dabei gehe es um einen angemessenen, wenn auch bescheidenen Lebensstil, erklärt die stellvertretende Geschäftsführerin Maria Kemmetmüller. "Da ist kein Luxus drinnen, aber es ist auch nicht das blanke Überleben. Es sind Ausgaben, damit Menschen sich noch an der Gesellschaft beteiligen können." 2021 waren dies für ein Kind im Alter von sieben Jahren 814 Euro beziehungsweise 872 Euro für einen Teenager mit 14 Jahren. Knapp drei Viertel der Ausgaben entfallen auf Essen, Wohnen und Schule. Man erstellt gerade die neuesten Zahlen für 2022, es fehlten noch die Miet- und Energiekosten. Schon jetzt sei klar: "Wir liegen bei über 900 Euro, es geht in Richtung 1000 Euro", so Kemmetmüller.

Arm durch Rekordinflation: Alleinerziehende sparen, wo es geht

Die Verarmung durch die Rekordinflation zeigt sich (noch) nicht offen in der Gesellschaft. Betroffene holten sich Hilfe, wo sie können, schildert Doris Pettighofer, Geschäftsführerin der Österreichischen Plattform für Alleinerziehende (ÖPA). "

Es gibt diverse Lösungsstrategien, wie die Frauen überleben. Man schaut, wo kann man am schnellsten einsparen? Die Wohnungssicherung steht ganz oben, das versucht man zu zahlen. Man spart bei der Nachhilfe für die Kinder." Weiter: "Zum Schluss kommt das Essen. Man kauft Lebensmittel im Sozialmarkt oder geht zur Gratis-Essensausgabe der Caritas. Manche Frauen mit Kindern ziehen zu den Eltern nach Hause zurück, wenn es gar nicht mehr geht. Wir hören auch, dass Ehepaare, die sich trennen, aus Kostengründen zusammen wohnen bleiben. Da werden manchmal zwei Wohngemeinschaften gegründet. Und es gibt Alleinerzieherinnen, die sich verschulden und Geldbeträge bei Freunden ausborgen."

Neue, innovative Modelle für die Kinderbetreuung sind notwendig

Ein existenzielles Kriterium sei die Betreuungsfrage für die Kinder. "Einen Platz kriegt man. Aber oft reicht er nicht, dass man einer Vollerwerbstätigkeit nachgehen kann." Mit mehreren Kindern werde es immer schwieriger. "Eines geht noch. Mit drei Kindern wird es superkritisch mit einem Vollzeitjob. Das packt man nicht mehr, die Termine, die Vorsorgeuntersuchungen, die Erkrankungen, die Schuldinge. Wir haben einige Fälle, wo Mütter aus dem Erwerbsleben herausgefallen sind, weil die Arbeitgeber kein Verständnis für die speziellen flexiblen Erfordernisse von alleinerziehenden Müttern haben."

"Einen Betreuungsplatz kriegt man.Aber oft reicht er nicht, dass man Vollzeit arbeiten gehen kann."
Doris Pettighofer
Geschäftsführerin ÖPA

Es brauche neue, innovative Modelle. "Hilfreich wäre, in der ersten Zeit mit kleinen Kindern Abholdienste oder Bringdienste zu haben. Oder ergänzende Betreuungsangebote in Unternehmen, wenn die Kinder krank sind. Es gibt viele Ideen und Best-Practice-Modelle." Der Arbeitsmarkt habe sich zum Beschäftigtenmarkt gedreht. Dies sei eine Chance, meint Pettighofer: "Unsere große Hoffnung ist, dass sich auch für die Frauen was bessert. Dass das hierarchische, alte Denken aufhört."