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Kraftwerk Dießbach: Energie in Bewegung

Seit 1964 wird im Kraftwerk Dießbach Strom aus Wasserkraft produziert. Vor fünf Jahren wurde die Anlage zu einem hochmodernen Pumpspeicherkraftwerk umgebaut.

Ein Hingucker seit den 60er-Jahren: die fast senkrechten Druckrohrleitungen des Kraftwerks.
Ein Hingucker seit den 60er-Jahren: die fast senkrechten Druckrohrleitungen des Kraftwerks.

Den Pinzgauern ist - sprichwörtlich - sehr früh das Licht aufgegangen. Als Ignaz Rojacher 1881 im Rauriser Goldbergwerk mit einem einfachen Wasserrad zum ersten Mal Lichtstrom erzeugte, war er der erste Salzburger, dem das gelungen war. Eine Vorreiterrolle in Sachen Wasserkraft nahm die Region auch in weiterer Folge ein. Die wasserreiche, gebirgige Landschaft schuf beste Voraussetzungen und der aufkeimende Tourismus wirkte als Innovationsmotor. Um die Jahrhundertwende war der Fortschritt dann nicht mehr aufzuhalten. Gemeinden wie Niedernsill und Zell am See versorgten sich 1902 bzw. 1904 bereits eigenständig mit Strom. Aktuell erzeugen die sechs Wasserkraftwerke im Pinzgau eine Energiemenge von rund 220.000 Megawattstunden pro Jahr.

Kraftwerk Dießbach

Entlang der B311 zwischen Weißbach und Saalfelden bieten seit den 1960er-Jahren die Druckrohrleitungen des Kraftwerks Dießbach einen spektakulären Blickfang. Ein 1,6 Kilometer langer Stollen unter dem Rauchkopf verbindet hier den Stausee auf der Kallbrunnalm mit dem Wasserschloss auf der anderen Seite des Berges.

700 Meter Gefälle überwindet das Wasser aus dem Stausee.
700 Meter Gefälle überwindet das Wasser aus dem Stausee.

In zwei mächtigen Metallrohren prescht das Wasser 700 Meter den Berg hinab, bis es das Maschinenhaus im Tal erreicht. Der Druck, der sich durch das Gefälle aufbaut, erreicht rund 70 bar und versetzt die Laufräder zweier Turbinen in Rotation. Der Rest ist sozusagen Schulwissen. Mit einem an die Turbinen angekoppelten Generator wird Wechselstrom erzeugt, der über einen Transformator ins Netz eingespeist wird.

Daniel Gensbichler
Daniel Gensbichler

"Rund 15.000 Haushalte können jährlich allein durch den Ertrag dieses Kraftwerks versorgt werden", erklärt Daniel Gensbichler, Leiter der Kraftwerksgruppe Pinzgau bei der Salzburg AG. Der Maschinenbauingenieur ist seit 2017 für das Dienstgebiet zwischen Weißbach und Wald zuständig und auch für den Standort in Dießbach.

4000 Datenpunkte

Bis heute gilt das Kraftwerk im Saalachtal als bauliches und technisches Meisterwerk. Die Errichtung des Stausees, des Stollens und der Felsleitung in dem ausgesetzten steilen Gelände erforderte in den 60er-Jahren einen extremen Einsatz. So mussten unter anderem auch Felsanker montiert werden, um die schweren Metallleitungen im brüchigen Gestein zu sichern. Zwischen den teilweise fast senkrecht verlaufenden Rohren wurde auch eine Standseilbahn eingebaut. Nach wie vor wird der "Michael 1" jede Woche mindestens ein Mal in Betrieb genommen, um Leitung, Gelände und Technik genau zu überwachen. Die tägliche Kontrolle bildet insgesamt einen wesentlichen Teil der Arbeit im Kraftwerk. "Allein am Standort in Dießbach gibt es rund 4000 überwachte Datenpunkte", berichtet Gensbichler. "Dabei handelt es sich um Temperaturen, Drehzahlen, Spannungen oder zum Beispiel den Wasserstand im Stausee. Wenn nur ein Wert den Sollbereich verlässt, erfolgt sofort ein Alarm auf den Handys der Mitarbeiter."

"Upgrade" zum Pumpspeicher

55 Jahre lang wurde die Kraftwerksanlage als Speicherkraftwerk betrieben. Seit vier Jahren eröffnen sich durch den Umbau in ein Pumpspeicherkraftwerk nun neue technische Welten. "Pumpspeicheranlagen übernehmen eine wichtige Rolle im Bereich der europäischen Netzstabilität", erklärt Daniel Gensbichler. "Dazu muss man wissen, dass im gesamten europäischen Stromnetz eine einheitliche Frequenz von 50 Hertz herrscht, die nur geringfügig über- oder unterschritten werden darf. Würde die Netzfrequenz vom Nominalwert drastisch abweichen, könnte das schwerwiegende Folgen für das gesamteuropäische Stromsystem haben."

Von Portugal bis Osteuropa sind die 50 Hertz damit - was den Strom betrifft - das "Maß aller Dinge". Kommt es zu einer Überproduktion, sprich einem Stromüberschuss etwa durch Schönwetter und die Einspeisung vieler lokaler PV-Anlagen, erhöht das die Netzfrequenz. An diesem Punkt treten dann Pumpspeicheranlagen auf den Plan. "Mithilfe dieser Anlagen ist es möglich, Strom aus dem Netz abzuziehen und so die Frequenz zu stabilisieren", sagt Gensbichler. "Das Gute daran: Die Energie wird - in Form des Wassers - im Stausee zwischengespeichert."

Die Matrixpumpe besteht aus 24 Einzelpumpen.
Die Matrixpumpe besteht aus 24 Einzelpumpen.

Wie das in der Praxis funktioniert, skizziert er folgendermaßen: "Mithilfe einer sogenannten Matrixpumpe - bestehend aus 24 zuschaltbaren Einzelpumpen - wird das im Talbecken gesammelte Wasser in den rund 700 Meter höher gelegenen Speichersee zurückbefördert." Wie viel Energie dafür aufgewendet wird, hängt von Angebot und Nachfrage an den Energiemärkten ab. "Solange es noch keine anderen Speichermedien gibt, die dazu in der Lage sind, Terawattstunden an Strom wirtschaftlich zu speichern, leisten Pumpspeicherkraftwerke hier einen wichtigen Beitrag zur Netzsicherheit", sagt Gensbichler abschließend.

"Je mehr regenerative Energie erzeugt wird, desto wichtiger wird es werden, die Schwankungen auch entsprechend auszugleichen."

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