SN.AT / Leben / Lifestyle

Erben laden zur Schnäppchenjagd

Nachhaltig. Aus der Idee, dass Altwaren nicht im Müll landen, entstand das "Nachlass-Hopping".

Erben laden zur Schnäppchenjagd
Erben laden zur Schnäppchenjagd
Erben laden zur Schnäppchenjagd
Erben laden zur Schnäppchenjagd
Erben laden zur Schnäppchenjagd
Erben laden zur Schnäppchenjagd


Noch ist es ruhig in der Krottenbachstraße. Hier im 19. Wiener Gemeindebezirk merkt man nichts vom hektischen Treiben in der Innenstadt. Die Straße, in der sich eine Villa an die andere reiht, ist fast menschenleer. Einzig vor der Hausnummer 162 steht eine Gruppe junger Leute und blickt gespannt auf die graue Hausfassade. Hier lebte bis vor zwei Jahren die Mutter von Frau Verena Hornischer. Und hier findet heute mit ihrem Einverständnis ein "Nachlass-Hopping" statt.

Eine ungewöhnliche Aktion, die immer mehr Anhänger findet, wie ihr Erfinder Christof Stein erklärt. Die Idee ist simpel: Der Altwarenhändler übernimmt Verlassenschaften und öffnet sie für die "Nachlass-Hopper". Die können sich um zehn Euro ein Ticket kaufen und dafür alle Gegenstände mitnehmen, die sie brauchen. Wer nichts findet, bekommt die zehn Euro zurück. Geschäft ist das für Christof Stein keines. Ihm gehe es darum, "ein Zeichen gegen die Wegwerfgesellschaft zu setzen", betont er.

Während sich immer mehr Leute auf der Straße sammeln, geht Frau Hornischer, die Besitzerin des alten Hauses, noch einmal die enge Treppe zu ihrem ehemaligen Kinderzimmer hinauf. Die Villa steht jetzt zum Verkauf. "Ich bin schon wehmütig. Hier sind lauter Dinge, mit denen Erinnerungen verbunden sind." Da ist ihr altes Zimmer im dritten Stock, die kleine Schmuckkommode, an der die Mutter ihr die Haare kämmte, und da ist der alte Flügel im Wohnzimmer, an dem sie Klavierspielen lernte. Alles Dinge, die sie nicht mehr brauchen könne, aber die auch nicht im Müll landen sollten. "Deshalb finde ich diese Aktion genial." Nur dabei sein wolle sie nicht. "Ich kann nicht mitansehen, wenn fremde Leute hier herumstöbern."

Es ist Punkt 13.00 Uhr. Das "Nachlass-Hopping" kann beginnen. Für Christof Stein ist es das achte. Wie immer tritt er vor die Wartenden und erklärt die Regeln. "Es steht der Spaß im Vordergrund und nicht die Gier", betont er, ehe es losgeht. Tatsächlich ist die Stimmung entspannt, als die über hundert "Hopper", bewaffnet mit Schraubenziehern und großen Taschen, beginnen, auf vier Etagen nach Verwertbarem zu suchen. Goldgräberstimmung liegt in der Luft und wie schmal der Grat zwischen "Müll" und "Schatz" ist, zeigt sich im bunten Treiben: Ein junges Paar schleppt zwei große Stühle in den Garten und lässt sich erschöpft darauf nieder. Eine Geschichtestudentin wühlt sich durch alte Fotos und fühlt sich wie im "Paradies" und ein junger Student namens Jörg klebt einen Zettel mit "Reserviert" auf Frau Hornischers alten Flügel. Der Jusstudent wollte eigentlich alte Bücher suchen und "stolperte über dieses schöne alte Klavier", das er seiner Schwester schenken will. Die weiß noch nichts von ihrem Glück. Und er weiß noch nicht, wie er den Flügel abtransportieren wird. Er weiß nur eines: "Bei so einem Schnäppchen muss man zuschlagen."

Nicht für jeden Geschmack ist etwas dabei. Innenarchitektin Julia bekommt gerade ihre zehn Euro zurück. "Ich wollte mir das einmal ansehen, aber mir ist das zu stressig. Und eigentlich auch zu persönlich, wenn ich in den Kästen wühle." Sie könne sich vorstellen, dass ihre Kinder nach ihrem Tod auch ein "Nachlass-Hopping" organisieren. "Man sammelt so viel an, das kann man nicht alles den Kindern überlassen."

Mitten im Getümmel steht Christof Stein und grinst. "Die Idee funktioniert. Wir haben weit mehr Anfragen als Tickets." Er hätte auch Medienanfragen aus ganz Europa, um die Idee zu vermarkten, sagt er. Doch er wolle den Trend langsam wachsen lassen. Trotzdem wünscht er sich, dass die Aktion weitergetragen wird. Nicht nur, weil er persönlich es nicht übers Herz bringt, funktionierende Dinge wegzuwerfen. "Die Idee soll im Sinne der Nachhaltigkeit Nachahmer finden. Wir ersticken ja im Müll."

Die Zahlen geben ihm recht: 2009 (jüngere Zahlen gibt es noch nicht) fielen laut Umweltministerium rund 259.000 Tonnen an Sperrmüll an. Tendenz steigend.

Frau Hornischer ist am Ende zufrieden: "Ich freue mich, dass das Klavier nicht auf dem Müll landet. Allein dafür hat sich die Sache schon ausgezahlt."