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Neuer Trend zum "Ja"

Es wird wieder mehr geheiratet. In Österreich treten immer mehr Paare vor den Traualtar. Woher die neue Lust an der Ehe kommt.

Zahlen und Fakten rund ums Heiraten.
Zahlen und Fakten rund ums Heiraten.
„Mit unserer Hochzeit im September feiern wir, dass wir uns gefunden haben.“ Isabella Kopf & Benedict Mayer, Wirtschaftswissenschafter
„Mit unserer Hochzeit im September feiern wir, dass wir uns gefunden haben.“ Isabella Kopf & Benedict Mayer, Wirtschaftswissenschafter

Auf einem Aussichtsturm mitten in Cannes hielt Benedict Mayer um die Hand seiner langjährigen Partnerin Isabella Kopf an. "Es war 12 Uhr Mittag und wir waren ganz allein dort oben", schildert die Oberösterreicherin. Am 14. September werden die beiden in ihrer Heimatgemeinde Ternberg heiraten - in jener Kirche, in der die junge Wirtschaftswissenschafterin bereits getauft und gefirmt wurde. Auch ihre Eltern haben dort "Ja" zueinander gesagt. Bei dieser Hochzeit war der künftige Schwiegervater von Isabella Kopf übrigens als Sänger im Einsatz.

"Es geht uns sehr gut miteinander, wir feiern, dass wir uns gefunden haben", sagt die 27-Jährige. Ihren zukünftigen Mann kennt sie seit ihrem 14. Lebensjahr - also schon ihr halbes Leben. Seit zehn Jahren sind die beiden ein Paar, sie besuchten die gleiche Schule und studierten beide Wirtschaftswissenschaften in Linz. Seit drei Jahren wohnen die beiden auch zusammen. Mit ihrer Heirat wollen sie ihre Beziehung krönen. "Wir könnten auch ohne Hochzeit weiterleben wie bisher, ein Haus kaufen und Kinder bekommen, aber es macht einen Unterschied, ob man ein Paar ist oder ein Ehepaar", sagt Kopf. Für sie war zeit ihres Lebens klar, dass sie eines Tages heiraten möchte. Auch kirchlich. "Meinen Namen gebe ich aber nicht her." Wie das Paar sollen einmal auch die Kinder Kopf-Mayer heißen.

Die Brautleute sind in bester Gesellschaft. Heiraten ist wieder en vogue. Seit fünf Jahren steigt die Zahl der Eheschließungen kontinuierlich: 2018 wurden in Österreich 45.455 Ehen geschlossen - das sind in etwa so viele wie in den 1980er- und 1990er-Jahren. Zum Vergleich: Der Negativrekord nach dem Krieg wurde 2001 erreicht. Nur rund 34.000 Paare traten damals vor den Traualtar. Statistiker Peter Kurz vom Land Salzburg erinnert an den denkwürdigen Ausreißer nach oben im Jahr 1987, als sich österreichweit mehr als 76.000 Paare rechtzeitig vor deren Abschaffung die staatliche Heiratsprämie sicherten.

Seit 2015 fließen auch im Ausland geschlossene Ehen von Personen mit Hauptwohnsitz in Österreich in die Statistik ein. Dieser Umstand fällt laut Kurz aber kaum ins Gewicht. Soziologin Sonja Dörfler vom Österreichischen Institut für Familienforschung verweist auf die wachsende Bevölkerung, die auch auf die Zuwanderung zurückzuführen sei. "Die meisten Zuwanderer sind im typischen Heiratsalter."

Früher wurde geheiratet, weil es der Anstand gebot, weil uneheliche Kinder als Bastarde beschimpft wurden und weil Frauen aus wirtschaftlichem Zwang heraus keine andere Wahl hatten. Doch warum wird heute begeistert geheiratet, wo doch jeder weiß, dass fast 40 Prozent der Ehen geschieden werden? Das Scheitern hält jedenfalls nicht von weiteren Versuchen ab. Bei 298 der im Jahr 2017 im Bundesland Salzburg geschlossenen 3030 Ehen war der Bräutigam schon mindestens einmal verheiratet (9,8 Prozent), in 231 Fällen die Braut (7,6 Prozent). Ein Mann und zwei Frauen heirateten bereits das fünfte Mal.

Meinungsforscherin und Ex-Familienministerin Sophie Karmasin führt die neue Lust am Heiraten auf mehrere Faktoren zurück: "In Zeiten mit guter Wirtschaftskonjunktur und sinkender Arbeitslosigkeit wächst der Wunsch zu heiraten und eine Familie zu gründen." Zwischen 2014 und 2017 sei auch die Geburtenrate angestiegen. "Das betrifft keineswegs nur kinderreiche Familien mit Migrationshintergrund." Die Politik habe das Thema durch Maßnahmen wie den Papamonat und die Erhöhung des Kindergelds wieder in den Fokus gerückt. Die politische "Großstimmungslage" unter der neuen Mitte-rechts-Regierung fördere das Heiratsklima. "Traditionelle Werte stehen hoch im Kurs, der Wunsch nach Familie wächst." Stark im Wachsen sei auch die gesamte Hochzeitsbranche.

Tatsächlich beflügeln die sozialen Medien den Heiratswunsch. Sie stecken voller Inspirationen und Ideen und machen Gusto auf ein schönes, großes Fest. Nach amerikanischem Vorbild sind auch im deutschsprachigen Raum viele Hochzeitsblogs entstanden. "Hochzeiten werden immer mehr wie ein Event aufgezogen, alles muss perfekt harmonieren, von der Einladung über die Tischkarten und den Blumenschmuck bis zur Musik", sagt Weddingplanerin Verena Kindermann. Aus ihren Kundengesprächen weiß die Grazerin, dass sich viele Brautpaare nach Halt und Sicherheit sehnen und Rückhalt in der Familie und bei Freunden suchen. "In unserer schnelllebigen Zeit jemanden an der Seite zu haben, der zu einem steht, empfinden die Paare als etwas ganz Besonderes." Dementsprechend aufwendig würden viele Hochzeiten inszeniert. Als Kindermann vor acht Jahren die erste Hochzeit plante, war sie eine von wenigen in diesem Metier. Heute sind nicht nur ihre Auftragsbücher voll, sie bildet seit vier Jahren auch Hochzeitsplaner aus.

Brautpaare sind bereit, für den schönsten Tag ihres Lebens viel Geld auszugeben. Im Schnitt kostet eine von Kindermann organisierte Hochzeit für 60 Personen 30.000 Euro. "Nicht alle Paare sind betucht, viele sparen auf diesen Tag hin." Besonders beliebt seien Trauungszeremonien im Freien. Zunehmend werde auch im Winter geheiratet. "Ein Paar hat sich eine Hochzeit auf 2000 Metern Seehöhe gewünscht, die Gäste kamen mit der Gondel zur Zeremonie und wurden im Skidoo zum Essen gebracht."

Rund ums Heiraten habe sich in Österreich in den vergangenen Jahren eine ganze Branche mit hoch spezialisierten Dienstleistern etabliert - von Wedding-Stylisten über Videographen bis zu Floral-Designern, sagt die Salzburgerin Andrea Streitwieser, die sich einen Namen mit ihren Tortenkreationen gemacht hat. Mit ihrem vor fünf Jahren gegründeten Unternehmen "Cake Couture" hat sie sich als Erste auf Sweet-Table-Konzepte spezialisiert. Ein solcher "Süßer Tisch" besteht nicht nur aus der Hochzeitstorte, sondern auch aus designmäßig abstimmten Süßigkeiten inklusive Dekorationskonzept. Seit vier Jahren gibt es in Österreich auch den "Austrian Wedding Award" - quasi den Oscar in der Hochzeitsbranche. Streitwieser hat ihn vier Mal in Folge gewonnen.

Im Kommen sind laut Kindermann Hochzeiten nur zu zweit und freie Trauungszeremonien ohne religiösen Charakter. Eine solche freie Feier plant auch die 25-jährige Salzburgerin Leonie Schindlmeier, die einen YouTube-Kanal betreibt und ihre Follower an ihrem Leben teilhaben lässt. Dort schildert sie auch den Antrag, den ihr Verlobter ihr auf den Cayman Islands gemacht hat. "Wir feiern nächsten Sommer mit unseren Familien und Freunden ein Fest der Liebe." Auch in ihrem Freundeskreis werde vermehrt geheiratet. "Ist das nicht schön?"