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Vom Schaf zur Jacke

Es ist viel Zeit und Fachwissen vonnöten, um das gewonnene Vlies zu wohlig warmen Jacken, Patschen und Pullovern zu verarbeiten. Seit Jahrhunderten halten sie die Menschen warm - und schützen vor Regen, Wind und Schnee.

Vom Schaf zur Jacke
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Vom Schaf zur Jacke
"Heute ist Schafschur." Das ist eine klare Ansage von Peter Buchegger vom Einbergbauern in Abtenau. Für die Schur holt er mit flinken und gekonnten Griffen ein Schaf nach dem anderen aus dem Stall. Der Platz, wo es den Schafen an die Wolle geht, ist überdacht, hell und sonnig. Schnell. Buchegger wirkt hochkonzentriert, während er mit dem elektrischen Schurapparat die Vierbeiner von ihrer dichten Wolle befreit. Nicht einmal zehn Minuten pro Schaf dauert dieser "Friseurtermin". Sichtlich froh springt das "nackte" Schaf dann nach der überstandenen Prozedur zu seinen geschorenen Artgenossen. Buchegger sammelt jetzt die Rohwolle in großen Körben für die Weiterverarbeitung ein. Jetzt ist sie auf dem Weg zu einer Web- und Spinnerei.

Die jährliche Schafschur dient nicht nur zur Wollgewinnung. Sie sorgt auch für das Wohlbefinden der Schafe. "Wenn die Schafe zu Winterbeginn eingestallt werden, wird ihnen die dichte Wolle zu heiß. Außerdem verschmutzen die langen Haare im Stall und Parasiten könnten sich leichter einnisten." Das erklärt der Obmann der Arche Austria, Thomas Strubreiter.

Die zweite Schur findet übrigens vor dem Almauftrieb von Mitte Mai bis Mitte Juni statt. In dieser Zeit sind die Schafe durch den hohen Anteil an Wollschweiß (das ist Gemenge von Wollfett - dem Lanolin - und den eingetrockneten Hautabsonderungen) leicht zu scheren. Dermaßen gepflegt und von der Wolle "befreit" verbringen die Vierbeiner den Sommer dann gemütlich auf den Salzburger Almen. Weiters erklärt Strubreiter: "Jedes Wollschaf sollte mindestens ein Mal im Jahr geschoren werden. Weil die Wolle sonst anfängt zu verfilzen und zu verkleben und somit immer schwerer und luftundurchlässiger wird. Außerdem ist sie dann nicht mehr zur Weiterverarbeitung für Wollprodukte geeignet." Früher hatte die Schafwolle einen sehr hohen Stellenwert in der bäuerlichen Bevölkerung. Weil noch sehr viele Kleidungsstücke daraus hergestellt wurden.

Franz Huber aus Mariapfarr im Lungau verarbeitet etwa Rohwolle zu Garn und feinem Vlies. Auf alten Maschinen und mit viel Handarbeit strickt der gelernte Weber das Garn nicht nur zu Jacken. Auch die Nachfrage nach Fäustlingen und Socken steigt ständig. Gleich beim Eingang seines Betriebs stehen große Säcke voll weißer, brauner, schwarzer und grauer Rohwolle. Auch kräftige Orange-, Rot-, Grün- und Blautöne gibt es. Huber färbt sie in speziellen Maschinen. Dann werden die kreuz und quer stehenden Fasern der Rohwolle auf der Krempelmaschine parallel ausgerichtet - sozusagen gekämmt. Feines Vlies entsteht. Einige alte Bäuerinnen holen und spinnen es auf dem Handspinnrad zu Garn für Socken und Fäustlinge. Im Herbst und im Winter klappern dann die Nadeln in den gemütlichen Stuben. Manch einer freut sich über das wärmende Geschenk.

Das Vlies ist neben dem Spinnen auch Ausgangsmaterial für das Filzen und Walken. Mit Walken ist an dieser Stelle ausnahmsweise einmal nicht das englische "Gehen", sondern das Verfilzen des Gewebes gemeint. Da stricken die Strickerinnen die Jacken, Fäustlinge und Socken etwa ein Drittel größer als gewünscht - dann waschen sie sie zu heiß. Durch den Schleuder- und den Waschvorgang verfilzt die Wolle und geht auf die gewünschte Größe ein. Dabei werden unzählige Luftkammern im Stoff eingeschlossen. Sie wirken wie eine Pufferzone. Daher bleibt die Temperatur im Inneren einer Walkjacke bei Kälte und Wind fast gleich. Außerdem kann das gewalkte Stück gut die Hälfte des Eigengewichts an Wasser aufnehmen, ohne sich nass anzufühlen.

Der Spaziergang durch Hubers Betrieb ist wie eine Entdeckungsreise: Vor allem die blaue Schurwolle sticht hervor. Im kleinen Geschäft wird die Wolle von Rosa Huber verkauft. Sie meint, dass für eine Jacke etwa ein Kilogramm Wolle benötigt wird. Gesagt. Gekauft. Das große Stricken kann beginnen. Früher war Selbstgemachtes aus Wolle manchmal das einzige wärmende Kleidungsstück, das die Menschen besaßen. Heutzutage spinnen, stricken und filzen wieder mehrere. Dabei geht es vor allem um die Wertschätzung, die Kreativität und den Stolz auf das Geschaffene.