Waldviertler Pioniere
Die Dyk-Mühle ist nicht irgendeine Mühle: Anfang der 80er-Jahre war sie in Österreich die erste, in der nach einem speziell entwickelten Verfahren Vollkornmehl gemahlen wurde. "Das war kein Zufall, sondern eine sehr bewusste Entscheidung", versichert Lisa Dyk. "Mein Vater hat 1971 beruflich ein Jahr in Südafrika verbracht, wo er für einen großen internationalen Konzern gearbeitet hat." Ihm sei in dieser Zeit schnell klar geworden, dass es für kleine österreichische Mühlen ohne Spezialisierung wirtschaftlich kaum Überlebenschancen geben würde. Also fasste er den Plan, ein innovatives Produkt zu entwickeln, mit dem er am Markt bestehen könnte. "Er wollte ein Mehl herstellen, das nicht dick macht, da es gesunde und sättigenden Ballaststoffe enthält."
"Wir möchten nicht mehr weiter wachsen"
Lisa Dyk
Geschäftsführerin
Vitalstoffe und Haltbarkeit
Warum herkömmliches weißes Mehl nur wenige Ballaststoffe enthält, erklärt sich durch die Verarbeitung. "Beim Weißmehl werden die Randschichten und der Keimling des Korns entfernt", weiß Lisa Dyk. Dadurch bleibe nur der Mehlkörper zurück. "Das Mehl ist hell, fein und haltbar, enthält jedoch kaum Vitalstoffe." Werden die Schale und der Keimling mitvermahlen, sei das Mehl zwar vitamin- und ballaststoffreicher, in der Regel aber nicht lange haltbar, weil der Keimling verderbliche Fette enthält. Für dieses Dilemma erfand Peter Dyk Anfang der 80er-Jahre eine technische Lösung. Dem gelernten Maschinenbauer gelang es, ein Spezialmahlverfahren zu entwickeln, bei dem die fettspaltenden Enzyme des Korns deaktiviert werden konnten, ohne dabei die Vitamine zu zerstören. Damit war das Rennen aber noch nicht gewonnen. Um das Vollkornmehl endgültig auf den Markt zu bringen, mussten auch noch bürokratische Hürden überwunden werden. "Für das neue Produkt existierten ja noch keine gesetzlichen Regelungen", schildert die Geschäftsführerin die Situation Anfang der 80er-Jahre. "Im Österreichischen Lebensmittelkodex war es noch nicht erfasst, alle anderen Mühlen produzierten ja schließlich nur Weißmehl. Die Situation war aus heutiger Sicht fast kurios", führt sie weiter aus, "mein Vater musste beim zuständigen Ministerium vorsprechen, um die Behörden vom Bedarf unseres Vollkornmehls zu überzeugen. Erst nach der Zustimmung wurde ein Preis festgelegt."
Erfolg am Markt
"Es war sicherlich Pionierarbeit", betont sie heute. "Durch das ,Dyk Flour Milling'-Verfahren ist das Vollkornmehl praktisch markttauglich geworden. Wenige Konsumenten hätten sich für ein Produkt interessiert, das nach kurzer Zeit nicht mehr genießbar ist." Auf Basis von Versuchsreihen konnten die Dyks für ihr Mehl garantieren, dass es mindestens neun Monate lang haltbar bleibt.
Peter Dyk bot sein Erzeugnis zuerst dem Lebensmittelhändler Julius Meinl an, später folgten dann auch die Konsumgeschäfte. Der Erfolg war verblüffend: "Wir hätten damals viel mehr verkaufen können, als wir produziert haben", erzählt die Betriebswirtin. "Das Mehl aus ungespitztem Getreide" - so lautete die Produktbezeichnung auf der Packung - hatte den Zeitgeist genau getroffen. Bis heute zieht sich ökologisches Denken und Handeln wie ein roter Faden durch alle betrieblichen Ebenen der Dyk-Mühle. Für Lisa Dyk ist Bio sowieso selbstverständlich: "Wir produzieren ausnahmslos biologische Lebensmittel und daneben auch in Demeter-Qualität, die noch strengere Richtlinien hat." Von großer Bedeutung ist im Unternehmen auch der sorgsame und nachhaltige Umgang mit Energie. Durch ein Wasserkraftwerk und Photovoltaikanlagen ist die Mühle heute fast zu hundert Prozent energieautark. Der Waldviertler Betrieb wurde für sein nachhaltiges Engagement mehrfach ausgezeichnet.
Altes Getreide neu entdeckt
Zur Produktpalette der Dyk-Mühle gehören heute Biomehlsorten der klassischen Art, Biomahlprodukte wie Grieße und Schrote, Biobackmittel, Biosnacks, Mühlennachprodukte wie Dinkelspelzen oder Kleie. Ein Fokus liegt auch auf der Verarbeitung von vergessenen Kulturpflanzen wie Einkorn oder Emmer. Zu diesen alten Sorten zählt auch das Waldviertler Bio-Waldstaudenkorn. Lisa Dyk: "Es ist eine robuste Getreidesorte, die weder Dünger noch Pflanzenschutz benötigt." Eine Besonderheit ist, dass das Getreide erst im zweiten Jahr gedroschen, vermahlen und zu Brot gebacken wird. Da der Ertrag eher gering ist, verschwand das Waldstaudenkorn nach und nach, heute wird es wieder gefördert. Dabei ist es sehr gesund: Das ungewöhnliche Verhältnis von Schale zu Mehlkörper macht es zu einem ausgesprochen wertvollen Getreide, das über viele Vitalstoffe verfügt. Wachsen möchte Lisa Dyk mit ihrem Betrieb nicht mehr. "Wir möchten nicht reich werden", sagt sie. Insbesondere ihre jungen Mitarbeiter schätzten auch eine gute Work-Life-Balance. "Die sagen oft mahnend zu mir: Du musst dich jetzt auch einmal entspannen", erzählt sie lachend. "Das lerne ich gerade."