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E-Fuels: Fluch oder Segen?

Synthetische Treibstoffe als Thema bei der zweiten IMFS-Online-Session. Befürworter und Gegner von E-Fuels diskutieren über Verfügbarkeit, Effizienz und Kosten.

Stephan Schwarzer von der E-Fuel Alliance Österreich (l.) und EMC-Direktor Christian Peter (r.).
Stephan Schwarzer von der E-Fuel Alliance Österreich (l.) und EMC-Direktor Christian Peter (r.).

Kaum ein Thema wurde zuletzt so kontrovers diskutiert wie der Einsatz synthetischer Kraftstoffe im Pkw-Verkehr. Im SN-Saal sprachen darüber der Geschäftsführer der E-Fuel Alliance Österreich, Stephan Schwarzer, und Christian Peter, Direktor des EMC Austria.

Herr Schwarzer, was sind E-Fuels? Stephan Schwarzer: E-Fuels können eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte sein. Das Grundprinzip ist simpel: Mit Strom aus Sonne und Wind wird Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Durch die Vermengung von CO2 mit dem Wasserstoff entstehen Produkte, die Benzin, Diesel oder Kerosin sehr ähneln und fossile Treibstoffe ersetzen können.

Herr Peter, warum sind aus Ihrer Sicht die Elektroautos im Vorteil? Christian Peter: Der EMC hat nichts gegen E-Fuels. Es gibt dafür unzählige Anwendungsbereiche, etwa die Schifffahrt und Flugzeuge oder die chemische Industrie. Es gibt einen breiten Bereich, wo der Einsatz unstrittig ist. Die Frage ist, ob es ab 2035 in der EU noch Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotor geben soll oder ausschließlich E-Autos. Am Ende wird entscheidend sein, welche Technologie schneller skaliert. Aktuell sieht es so aus, dass die E-Mobilität dieses Rennen gewinnt. Schon heute helfen E-Autos dabei, Milliarden Liter von Erdöl einzusparen. Für die Produktion von E-Fuels benötigt man zudem auch Wasser als Rohstoff - je nach Produktionsmethode können das bis zu sechs Liter Wasser pro Liter Treibstoff sein. Wir reden hier also von Milliarden Litern Trinkwasser, die täglich notwendig wären. Auch muss das CO2 erst mit viel Energie aus der Luft abgeschieden werden. Die Technologie ist da, sie funktioniert, aber sie ist noch nicht hochskaliert.

Herr Schwarzer, warum ist es aus Ihrer Sicht klüger, in E-Fuels zu investieren? Stephan Schwarzer: Bei der E-Mobilität gibt es zum einen Probleme mit den Rohstoffen, die sehr stark in chinesischer Hand sind. Die zweite Hürde ist die Strommenge, die immer dann just in time benötigt wird, wenn geladen wird. Das ist keine triviale Aufgabe für ein Land, das Strom importieren muss.

"Bei E-Fuels ist die Verfügbarkeit Trumpf, nicht die Effizienz."
Stephan Schwarzer
GF E-Fuel Alliance Österreich

Aus meiner Sicht spricht die Skalierbarkeit für die E-Fuels, weil es sehr viele Länder mit großem Potenzial für deren Produktion gibt. Dadurch kommen wir nicht mehr in eine große Abhängigkeit. Unser Auftrag ist primär, fossile Energieträger möglichst schnell zu ersetzen. Wir müssen jetzt säen, damit wir früh anfangen können zu ernten.

Einer der Kritikpunkte an E-Fuels ist der schlechte Wirkungsgrad. Weniger als 20 Prozent der ursprünglich eingesetzten Energie werden in Bewegung umgewandelt. Bei E-Autos sind es zwischen 80 und 90 Prozent. Stephan Schwarzer: Meiner Meinung nach ist die Verfügbarkeit Trumpf, nicht die Effizienz. Ich sehe die Aufgabe von E-Fuels vor allem darin, im Bestand möglichst schnell zu wirken. Wir haben aktuell in Österreich 5,2 Millionen Pkw auf der Straße. Die alle zu ersetzen wird eine Zeit dauern. Wenn wir es mit dem Klimaschutz ernst meinen, dann müssen wir es auch auf der Treibstoffseite angehen. Damit meine ich nicht nur E-Fuels, sondern auch Bio-Fuels und HVO. Wenn uns nichts einfällt, wie wir 1,3 Milliarden Fahrzeuge weltweit CO2-neutral betreiben können, haben wir den Kampf schon jetzt verloren. Zu warten, bis alle elektrifiziert sind, ist keine Alternative.

"Wir reden von kleinsten Mengen. 100 Prozent E-Fuels sind unrealistisch."
Christian Peter
Direktor EMC Austria
Christian Peter: Es spricht überhaupt nichts dagegen, E-Fuels künftig wie heute schon E10 an der Zapfsäule beizumischen. Aber wir reden hier von kleinsten Mengen. Es ist aus heutiger Sicht völlig unrealistisch, Pkw zu 100 Prozent mit E-Fuels zu betreiben. Auch in Bezug auf den Fahrzeugbestand sind höchstens ein, zwei Prozent machbar.

Laut Berechnungen des Verbands der Automobilindustrie in Deutschland (VDA) kostet ein Liter E-Fuel heute 4,50 Euro. Ist es überhaupt realistisch, dass synthetische Treibstoffe in absehbarer Zeit so günstig werden wie Benzin und Diesel? Stephan Schwarzer: Solche Zahlen sind mit Vorbehalt zu bewerten. In erster Linie konkurrieren wir mit fossilen Treibstoffen. Diese werden durch den Emissionshandel wahrscheinlich auch teurer werden. Die Kostendegression wird zudem dafür sorgen, dass die Preise für die E-Fuels schnell fallen. Ich wage die Prognose, dass wir in einigen Jahren nicht weit weg sein werden von den heutigen Treibstoffpreisen. Es wird vielleicht ein wenig dauern. Aber der Pkw-Sektor könnte als eine Art Lokomotive dienen. Die Politik sendet leider nicht die richtigen Signale. Sie findet diesen oder jenen Makel an den E-Fuels, anstatt die Ärmel hochzukrempeln. Dennoch gehe ich jede Wette ein, dass flüssige Energieträger bei der Dekarbonisierung auf globaler Ebene eine entscheidende Rolle spielen werden.

Christian Peter: Auch wenn die Technologie hochskaliert wird, reden wir im optimistischen Falle von Produktionskosten von rund 1,5 Euro pro Liter - noch vor Steuern und Gebühren, exklusive Transportkosten. Ich verstehe nicht, warum E-Fuels, die so dringend für den Flugverkehr und andere Bereiche gebraucht werden, für Neufahrzeuge verwendet werden sollen. Und die Autoindustrie hat sich bereits für das E-Auto entschieden, das Thema hat sich bis dahin ohnehin erledigt.

Mancherorts wird befürchtet, dass die vielen E-Autos das Stromnetz überlasten könnten. Christian Peter: Es stimmt nicht, dass alle Autos immer zeitgleich und sofort geladen werden müssen. Im Gegenteil - die meisten Autos stehen 23 Stunden am Tag nur herum, in Österreich werden im Durchschnitt nur 30 Kilometer täglich gefahren. Schon jetzt gibt es smarte Wallboxen, die nur dann laden, wenn viel günstiger Strom verfügbar ist. Anstatt gezwungen zu sein, die Windräder abzuschalten, könnten E-Autos als mobile Speicher verwendet werden, wenn gerade zu viel Strom zur Verfügung steht.

IMFS-ONLINE-SESSION #2

Der komplette Stream des Expertengesprächs zum Thema E-Fuels mit zusätzlichen Fragen und detaillierten Antworten von Stephan Schwarzer von der E-Fuel Alliance Österreich und Christian Peter vom EMC Austria kann jederzeit im Relive unter www.SN.at/imfs angesehen werden.