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Elektrische Lkw von MAN: Reichweite ist kein Problem

Beim Lkw- und Bushersteller MAN mit Sitz in Eugendorf hat das Elektrozeitalter begonnen. Seit Anfang des Jahres fahren die ersten eTrucks. Ein Lokalaugenschein bei den ganz schweren Brummern.

Beim Lkw- und Bushersteller MAN in Eugendorf bei Salzburg begann Anfang des Jahres 2025 eine neue Ära. Rechtzeitig zum neuen Geschäftsjahr wurden auch in Österreich die Auftragsbücher für die neuen vollelektrischen eTruck-Modelle geöffnet. Egal ob für den Fernverkehr, Baufahrzeuge, speziell ausgestattete Modelle für den Verteilerverkehr, Kommunalfahrzeuge oder Tank- und Silofahrzeuge - die neuen eTGX- und eTGS-Fahrzeuge können seither in den verschiedensten Varianten an die Kunden geliefert werden.

MAN zeigt elektrische Lkw-Varianten

Einer, der sich mit elektrifizierten Nutzfahrzeugen besonders gut auskennt, ist Bernd Kramer. Der MAN-Verkaufsleiter für Westösterreich kennt so gut wie alle möglichen Konfigurationen der eTrucks aus dem Effeff. Tatsächlich ist die Suche nach dem perfekten Lkw viel komplexer als erwartet. "Während es bei Pkw hauptsächlich nur darum geht, Personen bestmöglich von A nach B zu bringen, ist die Vielfalt bei den Nutzfahrzeugen natürlich viel größer", erklärt Kramer. Kein Wunder, dass sowohl der eTGX, als auch der eTGS von MAN als 4x2 Sattelzugmaschine, als 4x2 Fahrgestell oder als 6x2 Fahrgestell erhältlich ist. Die Vier bzw. die Sechs in der Modellbezeichnung steht dabei stets für die Anzahl der Achsen.

MAN-Verkaufsleiter Bernd Kramer genießt jeden Kilometer mit dem eTruck.
MAN-Verkaufsleiter Bernd Kramer genießt jeden Kilometer mit dem eTruck.

Die beiden Fahrgestell-Modelle bilden häufig die Basis für spezifischere Aufbauten und können je nach Reichweiten-Anforderung mit drei bis sechs Batteriepacks und damit mit einer Netto-Batteriekapazität von 240 bis 480 kWh konfiguriert werden, die Sattelzugmaschine ist mit vier bis sechs Batteriepacks und 320 bis 480 kWh erhältlich. Im Vergleich dazu wirken selbst die größten E-Auto-Batterien geradezu winzig. Doch für die herstellerseitig versprochenen Reichweiten von bis zu 400 Kilometer ohne Zwischenladen sowie ein Zug-Gesamtgewicht von - je nach Fahrzeuglayout - bis zu 44 Tonnen, braucht es dementsprechend viel Power.

Österreichs E-Lkw starten durch

Zwölf Prozent der im ersten Quartal 2025 in Österreich neu zugelassenen Lkw der Klassen N2 (3,5 bis 12 Tonnen) fahren mit Strom. Das geht aus einer aktuellen Studie des Verkehrsclub Österreich (VCÖ) hervor. Im selben Zeitraum betrug der Anteil in Schweden 45 Prozent, in Dänemark 54 Prozent und in den Niederlanden sogar stattliche 83 Prozent.

Doch wenngleich der heimische Nutzfahrzeugemarke nicht mit den absoluten Pioniernationen vergleichbar ist, so ist doch auch hierzulande eine Art Aufbruchsstimmung zu bemerken. Laut "Austria Tech" gab es mit Stand Ende Mai in Österreich immerhin 75 elektrische Sattelzugfahrzeuge, 332 E-Lkw der Klassen N2 und N3 sowie 14.933 Elektro-Transporter. Für Bernhard Kramer ist das alles erst der Anfang. "In Bezug auf die vollelektrischen Lastwagen befindet sich die Nutzfahrzeug-Branche gerade in der aufregenden Wilder-Westen-Phase."

Blickt man auf die Verkaufszahlen, so sind die batterieelektrischen Modelle aktuell noch echte Exoten. Doch geht es nach dem Experten, so dürfte sich das schon bald dramatisch ändern. "Wenn man unternehmerisch denkt und perspektivisch auch die gesetzlichen und ökologischen Rahmenbedingungen in die Kaufentscheidung mit einkalkuliert, dann wäre es aus heutiger Sicht geradezu tollkühn, jetzt nicht auf Elektro-Lkw zu setzen", ist Bernd Kamer überzeugt.

Dabei beschreibt sich der MAN-Verkaufsleiter für Vorarlberg, Tirol und Salzburg selbst als "Old School". Schon im Alter von 18 hat er selbst den Lkw-Führerschein gemacht, um im Anschluss Fernfahrer zu werden. Praktisch sein gesamtes bisheriges Berufsleben hatte Kramer ausschließlich mit konventionellen Lastwagen zu tun. "Diesel im Blut" nennt man das in der Branche. Nach einem Studium folgte dann der Wechsel zu MAN und vom Fahrersitz hinter den Schreibtisch.

Der "Elektro-Virus" hat Bernd Kramer schließlich bei einer internen Vergleichsfahrt erwischt, wo der vollelektrische eTruck von MAN im Wechsel mit den etablierten Dieselmodellen getestet werden konnte. "Als ich damals nach einer halben Stunde hinterm Steuer des eTruck wieder zurück zum Diesel gewechselt bin, hab ich mir gedacht: Oh mein Gott, wie laut ist das denn!" Dabei seien die Nutzfahrzeuge von MAN ja eigentlich für ihre enorme Laufruhe bekannt, wie Kramer lächelnd anmerkt.

"Dank der Förderung sind eTrucks schon heute schnell rentabel."
Bernd Kramer
Verkaufsleiter MAN

ETrucks überzeugen mit Kostenvorteilen

Tatsächlich ist der technologische Sprung vom Diesel-Lkw zum eTruck gefühlt noch viel größer als bei einem vergleichbaren Wechsel von einem Diesel- oder Benziner-Pkw auf ein Elektroauto. Die völlige Abwesenheit der vertrauten Geräuschkulisse des Antriebs lässt einen beschleunigenden Elektro-Lkw für Außenstehende beinahe surreal erscheinen.

Die dadurch entstehenden Vorteile - neben der geringeren Geräuschsbelastung vor allem das komplette Wegfallen der lokalen CO₂-Emissionen - sind es es auch, die immer mehr Transportunternehmer vom Umstieg auf eTrucks überzeugen. Der mit Abstand wichtigste Faktor sei aber der finanzielle Vorteil, den die batterieelektrische Technologie bereits heute biete, so Bernd Kramer.

Bis zu 80 Prozent des Aufpreises zu einem vergleichbaren Diesel-Lkw werden in Österreich aktuell gefördert. Bei einem Kaufpreis von über 300.000 Euro pro elektrischem Lkw ist das ein kaum zu unterschätzender Anreiz. "Natürlich ist die Förderung auch für unsere Kunden ein enorm wichtiger Hebel, der die Anschaffung kalkulierbarer macht und das unternehmerische Risiko senkt", so Kramer.

Spannend: Anders als etwa im Pkw-Bereich, wo die früheren Ankaufsförderungen defacto ohne Rücksicht auf die tatsächlichen ökologischen Vorteile nach dem Gießkannen-Prinzip vergeben wurden, sind die Förderungen für elektrische Lastkraftwagen direkt von den gefahrenen Kilometern abhängig.

Das heißt, dass die Begünstigten die tatsächlichen CO₂-Einsparungen nachweisen - und bei Nichterreichung die finanzielle Mittel auch wieder zurückzahlen müssen. "Doch selbst wenn aus Sicht der Branche das Worst-Case-Szenario eintreten würde und der Gesetzgeber die aktuellen Kaufförderungen von heute auf morgen einstellt, würde das nur wenig an den grundlegenden Vorteilen der Technologien ändern", ist Bernd Kramer überzeugt. "Als Unternehmer müsste man in diesem Fall sicher etwas langfristiger kalkulieren, bis das elektrische Fahrzeug wirtschaftlich in die Gewinnzone kommt."

Denn neben der Ankaufsförderung sind es vor allem die vergleichsweise geringen Betriebskosten, die eTrucks schon heute attraktiv machen. Das beginnt bei der vergleichsweise viel günstigeren Lkw-Maut, die in Österreich für lokal emissionsfreie Nutzfahrzeuge gerade einmal elf Cent pro Kilometer beträgt. Bei einem neuen Diesel-Vierachser der Emissionsklasse 6 werden hingegen knapp 53 Cent pro Kilometer fällig. Je nach Autobahn-Anteil macht das schon einen beträchtlichen Unterschied. Dazu kommen laut Bernd Kramer spürbar geringere Wartungskosten bei vergleichbarer Nutzungsdauer.

Elektro-Lkw überwinden Reichweitenangst

Die von seinen Kunden am häufigsten angesprochenen Bedenken - die vielzitierte Reichweitenangst - ist laut Bernd Kramer auch im Lkw-Segment tatsächlich nur ein Randthema. "Das liegt vor allem daran, dass sich das Geschäftsmodell eines Elektro-Lastwagens vor allem dann besonders schnell rentiert, wenn man ganz ohne öffentliches Laden auskommt, etwa im Zulieferverkehr, im kommunalen Bereich oder wenn fixe Routen gefahren."

Doch selbst im Fernverkehr ist das die Reichweite weitaus weniger problematisch als gedacht: Einerseits reichen die aktuell möglichen Reichweiten bei der heutigen Verkehrslage meist schon aus, um die gesetzlich erlaubten zehn Arbeitsstunden pro Werktag voll auszunutzen. "Wenn man es schafft, während der vorgeschriebenen Ruhepausen nachzuladen, kommt man schnell auf die Tagesreichweiten, die man vom Diesel gewohnt ist."

Der natürliche Engpass ist natürlich die öffentliche Ladeinfrastruktur, die sich eLkw-Fahrer heute meist mit privaten E-Autofahrern teilen müssen. Im schlimmsten Fall heißt es dann: Auflieger absatteln und mit der Zugmaschine zum nächsten Ladepunkt zu fahren.