Die Welt ist unter neuen, bis vor Kurzem noch völlig undenkbaren Vorzeichen nach wie vor in Aufruhr. Die Menschen sind verunsichert, ernüchtert und müde. Unendlich müde. Die Mode für den Sommer 2022 versucht, dem entgegenzuwirken. Sie verzichtet weitgehend auf Extravaganzen, gibt aber doch der Lust auf Neues Nahrung. Mit großzügigen Silhouetten, die mehr Raum geben und ein Gefühl fast grenzenloser Freiheit erzielen. Und mit starken Farben, die nur auf den ersten Blick als Blickfang fungieren, unter der Oberfläche aber ihre nicht unbeträchtliche manipulative Macht ausspielen.
Die Farben
"Very Peri", ein Mix aus Blau und Rot-Violett, wurde vom amerikanischen Farbinstitut Pantone nicht grundlos kreiert und zur Farbe des Jahres 2022 gekürt, symbolisiert sie doch sowohl den globalen Zeitgeist als auch den Wandel, der gerade stattfindet. ",Very Peri' zeigt uns eine lebhafte, fröhliche Sicht auf die Welt und dynamische Präsenz, die zu mutiger Kreativität und fantasievollem Ausdruck inspiriert", sagt Leatrice Eiseman von Pantone. Die Tragweite von "Very Peri" reicht von zartem Flieder bis zu kräftigem Lila. Weiters im Aufgebot als Stimmungs- und Mutmacher: Gelb. Nuancen von sanftem Zitronen- bis zu sattem Dottergelb haben immer denselben Effekt: Frische, Fröhlichkeit, Strahlen. Nicht weit davon entfernt ist weiches Orange, das sich intensiv und in vielen Nuancen präsentiert - Enthusiasmus in Reinform. An Rot - der Farbe, die sich wie keine andere der Leidenschaft, Energie und Liebe verschrieben hat - kommt in diesem Sommer niemand, der Wert auf eine modische Erscheinung legt, vorbei. Kräftiges Pink und Rosa, Farben, die Übermut, Romantik und Verspieltheit symbolisieren, fehlen ebenso wenig wie das für seine Verlässlichkeit und Ruhe bekannte Blau (von Dunkel- bis Hellblau), das für Harmonie und Stabilität stehende Grün (von Mint- über Gras- bis Smaragdgrün) sowie Braun- und weiche Erdtöne, die Stabilität vermitteln sollen. Weiß mit seiner Aura von Unschuld, Reinheit und Neubeginn und die unbändige Kraft und Eleganz von Schwarz komplettieren die Trendfarben, die fast so etwas wie eine optische Rüstung sind.
Die Styles
Auch im Sommer 2022 erfindet die Mode das Rad nicht wirklich neu. Weich fließende, hoch geschlossene Kleider, Kleider mit Cut-Outs und Raffungen, Kleider aus Glitzer - und Silberstoffen (für den Abend), luftige Blusen, gerne mit Rüschen und Volants, Blazer in Übergröße, XL-Hosen, Oversized-Jeans, Midi- und sehr, sehr kurze Miniröcke, Shorts und bauchfreie Tops - alles nicht wirklich neu. Auch bei den Mustern: üppige Blumenmuster, Batik, Streifen in allen Varianten, Punkte und Karos in allen Größen, Fantasie-Prints ohne Ende - alles schon einmal da gewesen. Designer setzen auf Bewährtes und Beliebtes. Spielsteine der Mode, die größtmögliche Individualität beim Styling zulassen, was nicht nur erwünscht, sondern geradezu verlangt wird. Und das wiederum macht die Mode, die ja nie nur Bekleidung allein, sondern immer auch Kommunikation und damit Schauplatz ist, dann doch wieder aufregend. Entspannt lässige, minimalistisch cleane, subtil elegante Looks sind ebenso Trend wie übermütig freche und frivole und futuristisch angehauchte. Zur Ruhe kommen auf der einen Seite, Aufbruchstimmung auf der anderen.
Die Stoffe
Das Gefühl von Freiheit, Leichtigkeit und Sinnlichkeit, das die Sommermode transportiert, ist untrennbar mit den Stoffen verbunden, aus denen sie gefertigt wird. Natürliche Materialien wie Baumwolle (bitte in Bioqualität), Leinen (einer der ältesten Stoffe der Welt) sowie Seide geben den Ton an. Spitze, Netzstoffe (grob und fein), Mesh und Häkelpartien sorgen für Luftdurchlässigkeit. Das ist auch die Aufgabe von zartem Chiffon, der unentbehrlich für den nach wie vor bestehenden Hang zur Transparenz ist.
Auch Strick ist ein Sommerthema, denn Strick präsentiert sich durch den Einsatz von dünner Baumwolle und Wolle, Seide und Cashmere leicht und luftig. Sommertauglich ist auch Leder. Cool, elegant und weich wie eine zweite Haut macht es nicht nur beim Klassiker Lederjacke, sondern auch als Kleid, Hose und Rock gute Figur.