Grüner wird's nicht? Irrtum. Der Markt für Biokosmetik wächst. Sechs Prozent - laut Branchenmonitor - pro Jahr. Zahlen, von denen Hersteller konventioneller Kosmetik nur träumen können.
Visionär: Less is More
Die Chemikerin Doris Brandhuber, die gemeinsam mit dem Friseur Hannes Trummer 2007 in Wien die Kosmetikmarke Less is More gegründet hat, erklärt den Boom, den Naturkosmetik seit einiger Zeit erlebt, so: "Immer mehr Leute versuchen, gesundheitsfördernd zu leben, mit mehr Bewegung, mit Ernährung. Dazu kommt ein steigendes Umweltbewusstsein. Die Leute schauen auf sich und wollen ein gutes Gewissen dabei haben." In manchen Bereichen wie dem Reisen oder der Fortbewegung sei das schwierig. "Aber wo es einfach geht, bei Biolebensmitteln und Biokosmetik, gibt es eine konsumierbare Alternative. Und diese Alternativen werden auch immer attraktiver. Vom Design her, vom Können, von der Funktionalität." Österreichische Naturkosmetikmarken sind - im Vergleich zu den alteingesessenen Marken vor allem aus Deutschland, die aber eher im Drogerie- und Massenmarkt zu finden sind - ein spezialisierter Bereich und durchwegs im Premiumsegment zu finden. "Sie sind nicht nur teurer, sondern auch von höherer Qualität", sagt Brandhuber. "Österreich ist das Land mit dem höchsten Anteil an Biolandwirtschaft in der ganzen Welt. Der Alpenraum ist sehr inspirierend und das kommt immer stärker im Bewusstsein der Leute und der Hersteller an."
Brandhuber hat im Frühling 2021 zusätzlich zu den Haarpflege- und Stylingprodukten, den Düften und der Körperpflege eine Gesichtspflege-Linie auf den Markt gebracht. "Die Face Care zu realisieren war im Vergleich zur Haarpflege einfach. Da sind sehr gute Wirkstoffe und wissenschaftliche Studien verfügbar. Die Nachfrage nach Wirkstoffen ist größer, da wird mehr geforscht. Das macht das Formulieren leichter. Bei der Haarpflege hingegen haben wir bei fast null angefangen."
Die Gesichtspflege entstand auf Wunsch der Kunden. Neuheiten kommen nämlich nur, wenn sie nachgefragt werden. "Wir hören da sehr genau hin. Wenn ein Wunsch häufig geäußert wird, gehen wir an die Arbeit." Conditioner und Haarmasken zum Beispiel, die so wirken wie konventionelle Produkte, standen auf der Wunschliste, seien aber nicht realisierbar gewesen. "Wir haben lange auf Wirkstoffe gewartet, die für Naturkosmetik erlaubt sind, die die Nasskämmbarkeit möglich machen." Das Produkt, nach dem seit 2007 Nachfrage bestand, wurde 2020 realisiert. 2022 wird ein Trockenshampoo, auch immer wieder gefordert, kommen. Auch der klassische Haarspray sei immer wieder gewünscht worden. Aber Aerosole sind in der Naturkosmetik tabu. Ebenfalls herausfordernd sei Sonnenschutz. "In unserer Gesichtspflege ist kein klassischer UV-Filter enthalten. Wir verwenden Wirkstoffe, die den Zellschaden, den UV-Licht verursacht, reparieren, ein indirekter UV-Schutz sozusagen." Projekte, die derzeit anstehen, sind Sonnenschutz und Pflanzenhaarfarben. "Daran arbeiten wir seit drei Jahren in Kooperation mit dem Institut für Nanostrukturforschung der Universität Wien."
Wer sich für Naturkosmetik interessiert, dem rät Brandhuber, die auch ausgebildete Aromatherapeutin ist, sich auf Zertifizierungen und auf seine Nase zu verlassen. "Tägliches Wohlbefinden geht über gute Gerüche, angenehme Texturen und ein angenehmes Hautgefühl."
The next big thing: Zero Waste
Julia Schauer ist neu im Club der österreichischen Biokosmetikhersteller. Mit ihrem Label Queen of Green (www.queenofgreen.eu) arbeitet sie derzeit an einer Lippenpflegeserie, "die alles kann, was sich Frauen wünschen. Etwas zu machen, was nicht bio ist, kam nicht infrage. Gerade bei Lippenpflege. Die hat man auf den Lippen und man isst sie", sagt Julia Schauer. "Durchschnittlich 20 Gramm pro Jahr. Das klingt wenig, aber das sind vier bis fünf Pflegestifte." Auch die Plastikhülsen waren ihr seit Langem ein Dorn im Auge. "Auch weil Lippenpflege aus Wachsen und Ölen besteht, die heiß in das Plastik eingefüllt werden." Ihre Lippenpflege aus veganen Wachsen wird von Hand in Kartonhüllen abgefüllt. Und die lösen sich, wenn sie in der Erde oder im Kompost sind, binnen sechs Wochen auf - Zero Waste, ein Megathema in der Naturkosmetik. "Der Karton ist FSC-zertifiziert und außen mit Maisstärke beschichtet. Das gibt dem Ganzen ein angenehmes Finish und fühlt sich nicht so typisch öko an."
Für den Anfang sind drei Pflegestifte geplant, die Schauer mit einer Mikrobiologin entwickelt. Ein normaler Stift mit Mandelöl und Sheabutter, der intensiv pflegt und repariert, "ein Alltagsheld und -helfer". Der zweite (mit Pflaumenkernöl) wird getönt (mit leicht rosa Schimmer) sein und man kann ihn auch als Blush verwenden. Dritter im Bunde ist ein Stift für die Nacht mit Anti-Aging-Wirkstoffen. "Key Ingredient ist die Ringelblume. Mein Vater war Apotheker und hat Ringelblumensalbe als Allheilmittel für die Family gemacht."
Wie die Stifte heißen werden, ist noch nicht fix. Auf Instagram (@queenofgreenbeauty) kann man über Namen und Düfte abstimmen. "Wenn alles gut läuft, kommt die Lippenpflege im Frühling 2022 auf den Markt. Das dauert, weil Sicherheitsbewertungen und Biozertifikate eben Zeit brauchen. Und permanente Rezeptkorrekturen. Aktuell sind wir bei Prototyp 62."