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Die Soca, der Smaragdfluss

Glasklar und türkis. Die Soca ist einer der letzten noch weitgehend unberührten Alpenflüsse.

Mit dem Hüftschwung einer Bauchtänzerin und der Grazie einer Primaballerina tänzelt ein an Farbintensität kaum zu überbietender Strom durch den "Wilden Westen" Sloweniens. Eingebettet in den einzigen Nationalpark des Landes, den Triglav-Nationalpark, entspringt die Soca in den schroffen Julischen Alpen, unweit der Grenze zu Kärnten. Wie um der rauen Bergwelt zu trotzen, gräbt sie ihre kristallklaren Mäander - mal aquamarin, türkis oder gar smaragdgrün leuchtend - in das weiße Kalkgestein. Das kräftige Grün von Buchen und Fichten begleitet ihren Lauf, der über Stromschnellen, kleine Wasserfälle und vorbei an riesigen, von Moos überwachsenen Felsen führt. Die Soca steht ganz oben auf der Liste jener Alpenflüsse, die sich nicht nur ihrer Schönheit, sondern auch ihrer (weitgehenden) Unberührtheit rühmen dürfen.Dem Namen alle Ehren machenWährend der Fluss über steile Felsvorsprünge als weiße Gischt hinwegprescht, erholt sich das Wasser in den dazwischenliegenden Felspools und entfaltet hier seine ganze Farbpracht. Nicht ohne Grund trägt die Soca den Zweitnamen "Smaragdfluss" und hat auch schon filmische Berühmtheit erlangt. 2007 drehten die Disney Studios in ihren Stromschnellen einige Filmszenen für "Die Chroniken von Narnia".

So magisch die unzähligen Blau- und Grünschattierungen des Flusses auch leuchten, so prosaisch ist allerdings ihr Ursprung: An feinsten Kalkpartikelchen wird kurzwellige Strahlung gestreut und ergibt die Farbe Blau. Die grünen Anteile stammen dagegen von mikroskopisch kleinen Flusslebewesen, den Grünalgen.

Wer gut zu Fuß ist, sollte sich den Oberlauf der Soca im Schritttempo erschließen. Der hier noch schmale Gebirgsbach lässt sich entlang des längsten und ältesten Parkwegs des Triglav-Nationalparks erkunden. 20 Kilometer führt der Pfad durch stille und weniger bekannte Gegenden des Trenta-Tals, quert mithilfe von Hängebrücken immer wieder den Fluss und erreicht schließlich Bovec, die erste größere Ortschaft außerhalb des Triglav-Nationalparks. Der Boka-Wasserfall sorgt für NachschubHier speisen die gewaltigen Wassermassen des Boka-Wasserfalls die Soca. Mit viel Getöse stürzt der Wasserfall 144 Meter in die Tiefe und ist damit der höchste Wasserfall Sloweniens. 20 Kilometer weiter flussabwärts verpflichtet Kobarid zu einem Stopp. Nicht nur, weil die Soca sich hier besonders breit, elegant und farbenfroh gibt, sondern auch, weil sich entlang eines unscheinbar wirkenden Zuflüsschens, des Kozjak-Bachs, ein wahres Kleinod verbirgt. Wie die Liebesgrotte von Tristan und Isolde mutet der halbmondförmig ins Gestein eingebettete Veliki Kozjak an. Sein herabprasselndes Wasser höhlt einen grünblau schimmernden, unterirdischen "Saal" aus, dessen erfrischendes Nass aber nur etwas für hartgesottene Romantiker ist. Denen sei jedoch ans Herz gelegt: Trotz frischer Wassertemperaturen Schwimmrunde unbedingt ausprobieren!

Das Ufer der Soca eignet sich rings um Kobarid ideal zum Picknicken, Fischen, Seele-baumeln-Lassen, Wellen- und Wildwasserfahrer-Zählen. Letztgenannte werden von der Soca nämlich wie die Motten vom Licht angezogen. Egal ob Kajak, Kanu oder Raftingboot, von März bis Ende Oktober pulsiert der Adrenalinspiegel passionierter Wildwasserfahrer im Soca-Rhythmus. Besonders Wagemutige können an manchen Stellen auch einen Sprung riskieren: vom Zehn-Meter-Felsen rein ins Blaugrün. Weniger Wagemutige beobachten das lieber aus der Ferne und sind begeistert ob des gekonnten Navigierens der vorbeirauschenden Paddler. Bis etwa Kobarid ist die Wildwasserstrecke für Anfänger wie Könner gleichermaßen ein spannendes Erlebnis. Aus diesem Grund war der Fluss in den vergangenen Jahren auch oft Schauplatz großer internationaler Kajak-Wettkämpfe.Die Soca trifft auf den NationalparkNach rund 15 weiteren Flusskilometern trifft die Soca erneut auf den Triglav-Nationalpark und schmiegt sich an seine südlichste Spitze. Hier wird der Smaragdfluss gleich von zwei Flüssen gespeist. Tolminka und Zadlašica fließen - im Gegensatz zum Boka-Wasserfall - nicht mit Getöse, sondern mit "Tiefgang" in die Soca. Die beiden Zuflüsse warten mit den längsten und tiefsten Schluchten Sloweniens auf. Fast urwaldartige Vegetation begegnet einem in diesen feucht-warmen Schluchten, die so eng sind, dass sich so mancher Felsbrocken zwischen ihnen verkeilt. Der zottelig bemooste Medvedova glava, der "Bärenkopf", steckt etwa wie ein verlorener Edelstein - auf der Suche nach seiner Fassung - fest.

Die Soca und ihre Nebenflüsse sind bis Tolmin nach wie vor rein und unberührt - auch von Wasserkraft. So mancher Verfechter der "grünen" Energie würde das allerdings gern geändert sehen. Aber solange die Augen der Menschen in der blaugrünen Aura der Soca zu strahlen beginnen, wird dieser brillante Edelstein seine einzigartige Fassung auf jeden Fall behalten.