SN.AT / Leben / Reisen

Erfurt: Außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten

Erfurt, wieder Hauptstadt des deutschen Freistaats Thüringen, überrascht den Besucher mit einer Fülle an hochkarätigen Sehenswürdigkeiten. Und seinen Einwohnern, die sich als Hülsenfrüchte sehen.

Erfurt: Außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten
Erfurt: Außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten
Erfurt: Außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten
Erfurt: Außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten
Erfurt: Außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten
Erfurt: Außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten
Erfurt: Außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten
Erfurt: Außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten
Erfurt: Außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten
Erfurt: Außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten

Willy Brandt als ehemaliger BRD-Kanzler und die Wende sorgten in Erfurt für besondere Turbulenzen, historische Bedeutung genoss Erfurt jedoch früher schon: So lebte vor einem halben Jahrtausend in seinem Augustinerkloster ein gewisser Martin Luther. Für den Papst immerhin ein Grund, den Ort im Vorjahr zu besuchen und dort einen ökumenischen Gottesdienst zu zelebrieren, freilich ohne das erhoffte vatikanische "Geschenk für die Einheit der Christen". Das aber werden die Lutheraner bis spätestens 2017, wenn sie "500 Jahre Thesenanschlag zu Wittenberg" feiern, verschmerzt haben.

Erfurt, seit der Wende wieder Hauptstadt des Freistaats Thüringen, liegt an der alten Via Regia, der Königsstraße, die Paris mit Königsberg und Nowgorod verband. Die Route führte über die Krämerbrücke, die ein wenig dem Florentiner Ponte Vecchio ähnelt. Wie dieser ist sie komplett überbaut, statt Juwelieren flankieren Kunstgewerbeläden den Übergang über die Gera, die - verglichen mit dem Arno - ein Rinnsal ist. Freundlich lädt der Puppenmacher Martin Gobsch in seine Boutique, in einem anderen Gewölbe locken köstliche Goldhelm-Pralinen. Besonders hoch her geht es hier zum Krämerbrückenfest im Juni.

Der Spaziergang führt vorbei an liebevoll gepflegten Fachwerkbauten, goldenen Zunftzeichen und knallig-preußischblauen Briefkästen. Und rätselhaften Löchern an den mächtigen Bürgerhäusern: Durch die Öffnungen wurden Buschen gesteckt, wie bei unseren Heurigen, hier aber, um frisch gebrautes Bier anzuzeigen. Im Mittelalter reich geworden war Erfurt durch den Färberwaid, eine Pflanze zum Färben von Stoffen, die später der billigeren Kolonialware Indigo weichen musste.

Auf dem Domplatz öffnet in wenigen Tagen wieder der stimmungsvolle Weihnachtsmarkt. Schon werden vor der gotischen Kulisse aus Kathedrale und Severikirche die ersten Buden und eine zwölf Meter hohe Weihnachtspyramide aus dem Erzgebirge aufgestellt.

Ein älterer Herr fragt: "Entschuldigung, sind Sie Erfurter oder Besucher?" Das Outing als Tourist beglückt ihn: "Sie sollten unbedingt das Kolumbarium in der katholischen Allerheiligenkirche ansehen, eine moderne Urnenaufbewahrungsstätte. Und dann dürfen Sie natürlich nicht unseren fast sieben Jahrhunderte alten Hochzeitsschatz in der Alten Synagoge versäumen . . ."

Für die Pest verantwortlich gemacht, wurde Erfurts blühende jüdische Gemeinde 1349 durch ein Pogrom komplett ausgelöscht. Doch einem ihrer Mitglieder war es noch gelungen, nahe der Synagoge 30 Kilogramm Edelmetall zu vergraben: mehr als 3000 Silbermünzen, 14 Silberbarren und 700 Goldschmiedearbeiten, darunter als einmaliges Prunkstück ein Hochzeitsring. Der Schatz geriet in Vergessenheit, das Bet- wurde zum Lagerhaus - und überlebte so die NS-Zeit. Bis vor ein paar Jahren eine Baggerschaufel die Kostbarkeiten ans Tageslicht hob.

Der Streifzug durch die Vergangenheit macht hungrig. Was liegt näher als eine echte Thüringer Rostbratwurst? Wer jedoch dazu Ketchup bestellt, hat mit sofortigem Landesverweis zu rechnen. Also bitte nur mit Senf, möglichst von der Firma Born. Will man es "kompletter", empfehlen sich als Beilage Thüringer Klöße. Ein solcher Kartoffelknödel muss zwei Mal schwimmen: erst im kochenden Wasser, bis er gar gekocht auftaucht. Und dann auf dem Teller in reichlich dunkler Soße.

Und die "rischdschen Buffbohnen"? Hinter dem Ausdruck verbergen sich "richtige Puffbohnen". Aber dieser Zungenbrecher meint nur indirekt die Vicia faba, die Acker- oder Saubohne, die hier stets so gut gedieh, dass das Volk keinen Hunger litt. Dankbar identifizierten sich die Menschen mit der Hülsenfrucht, und heute gilt "rischdsche Buffbohne" als Spitzname für die Erfurter. Stolz dichtete ein Epigone der Weimarer Klassik: Fragt in Pommern, fragt in Schwaben, solche Bohnen sie nicht haben . . .

Daten und Fakten: Im Freistaat Thüringen leben auf 16.000 Quadratkilometern 2,2 Millionen Menschen, in der Landeshauptstadt Erfurt 200.000; www.thueringen.de, www.erfurt-tourismus.de

Der Erfurter Weihnachtsmarkt öffnet am 27. November, www.erfurter-weihnachtsmarkt.eu, www.weihnachtsland.thueringen-entdecken.de

Sehenswertes im Sommer: Erfurts Gartenschau ega, die Rosenstadt Bad Langensalza sowie der Naturpark Hainich mit einem Baumkronenpfad

Anreise: Per Auto: Salzburg-Erfurt rund 540 Kilometer;
Weitere touristische Auskünfte auf www.germany.travel

Barrierefrei sind viele Sehenswürdigkeiten in Deutschland, insbesondere Thüringen, www.barrierefreie-reiseziele.de