Wie wird man als Vertreter einer ehemaligen Kolonialmacht an der Grenze des zwischenzeitlich unabhängigen Landes empfangen? Gibt es noch Ressentiments? Oder gar Schikanen? Zugegeben, einem Reisenden aus Österreich stellt sich diese Frage nicht so oft. Eigentlich nur auf der Inselgruppe der Nikobaren in Indien und eben hier in Mosambik. Die Grenzpolizisten blicken ziemlich mürrisch drein, aber das tun sie auch bei den südafrikanischen Touristen, die gemeinsam mit den beiden Alpenrepublikanern auf ihre Abfertigung warten. Grenzübertritte auf dem Schwarzen Kontinent erfordern Geduld. Viel Geduld. Es gilt zahllose Formulare auszufüllen und noch mehr Stempel zu sammeln. Besonders die Einreise im Wagen mit österreichischem Kfz-Kennzeichen zieht einen Rattenschwanz an Bürokratie nach sich. Umso überraschender erscheint es, dass sich schon nach einer guten Stunde der letzte Grenzbalken öffnet. "Bem-vindo em Moçambique!"
Bereits 100 Meter nach dem Grenzposten will die nächste Frage beantwortet werden - und die hat überhaupt nichts mit Geschichte zu tun: Wo geht es nach Ponta do Ouro?
Wegweiser gibt es keinenHatte auf südafrikanischer Seite eine gut ausgeschilderte Asphaltstraße an die Staatsgrenze geführt, so sucht das Auge nun vergeblich nach etwas Straßenähnlichem. Gut, im Reiseführer wird warnend vermerkt, dass der Badeort nur auf einer mit Allradfahrzeugen zu bewältigenden Tiefsandpiste erreicht werden kann. Aber welche der drei mag es sein? Links? Rechts? Oder geradeaus? Wegweiser gibt es keinen. Und auch das Navigationsgerät verweigert beharrlich die gewünschte Auskunft. Also warten, bis jemand an der Kreuzung auftaucht und nach dem Weg fragen. Ein junger, hilfsbereiter Mann kennt ihn: "Right and follow always the big mainroad!"
Diese Auskunft sorgt nur einen Kilometer später für ungläubiges Kopfschütteln. Besagte "big mainroad" entpuppt sich als loses Sammelsurium an Reifenspuren im Sand. An manchen Passagen laufen sie zusammen, sodass die "große Hauptstraße" zum schmalen Karrenweg schrumpft. Dann verästelt sie sich wieder in fünf sich voneinander in alle Richtungen entfernende "tracks", aber sie führen letztlich in das südlichste Dorf Mosambiks, das 130 Kilometer von der Hauptstadt Maputo entfernt ist.
Traumhafte Strände sind der LohnAls Lohn für die Strapazen der Anreise winken traumhafte Strände. Diese stellen das touristische Zukunftspotenzial des Landes dar, das am Indischen Ozean über rund 2500 Küstenkilometer verfügt. Nur wenige davon sind mit Hotels und Resorts bereits so gut erschlossen wie jene von Inhambane, Vilanculos bzw. des Bazaruto- oder des Quirimba-Archipels. Ponta do Ouro gilt hingegen als Geheimtipp, der vor allem Wellenreiter aus aller Welt anlockt. Sie zeigen in der tosenden Brandung ihr akrobatisches Können und gewährleisten mit ihren Kunststücken, dass bei den Sonnenanbetern am Strand nie Langweile aufkommt.
Zum Schwimmen ziehen sich die Badegäste in eine der ruhigeren Buchten zurück. Wer mit Taucherbrille und Schnorchel unterwegs ist, kann die fantastische Unterwasserwelt des Küstenabschnitts erkunden.
Irgendwann bleibt dann aber doch Zeit, sich im Schatten einer Palme ein wenig mit der Geschichte des Landes auseinanderzusetzen: 1498 erreichte Vasco da Gama auf dem Weg nach Indien Mosambik und in Folge bemächtigten sich die Portugiesen strategisch wichtiger Orte, die auf der Suche nach Gold entlang des Sambesi als Stützpunkte fungierten. Daran erinnert auch der Name Ponta do Ouro, also "Punkt des Goldes". Und die Österreicher? Um im Konzert der großen Ausbeuter mitzugeigen, gründete Maria Theresia die Ostindische Handelskompanie. Diese saß in Triest, das 1719 zum Freihafen erklärt worden war. Ab 1776 fuhren ihre Schiffe unter der Flagge des von den Habsburgern beherrschten Heiligen Römischen Reichs und unter dem Kommando des Holländers William Bolts, der zuvor für die Britische Ostindien-Kompanie tätig gewesen war. Im März 1777 erreichte die Flotte der Handelskompanie die Delagoa-Bucht an der Südostküste Afrikas, die im heutigen Mosambik liegt, und erwarb von einem Häuptling den Hafen des zuvor von der Niederländischen Ostindien-Kompanie verlassenen Gebiets.
Zehn Mann erklären Mosambik zur österreichischen KolonieEine kleine Befestigung mit zehn Mann Besatzung wurde errichtet und kurzerhand zur österreichischen Kolonie erklärt, bevor die Schiffe in Richtung Indien weitersegelten. Vier Jahre lang hielt das wackere Grüppchen Österreichs einzige Afrika-Kolonie. 1781 ging die Bucht dann an Portugal verloren, womit das Kapitel österreichischer Kolonialgeschichte auf dem Schwarzen Kontinent gleich wieder geschlossen wurde. Die Portugiesen erwiesen sich als Kolonialherren wesentlich hartnäckiger und blieben insgesamt 500 Jahre. Mosambik wurde erst 1975 in die Unabhängigkeit entlassen. Kein Wunder, dass die Grenzpolizisten in Anbetracht der österreichischen Pässe keinerlei Reaktion zeigten.
Das Angebot der "Beach Bar" von Ponta do Ouro wird auch nicht in deutscher, sondern portugiesischer Sprache angepriesen. Alle Gäste im Lokal - ob nun männlich oder weiblich - starren gebannt auf das TV-Gerät und verfolgen die Liveübertragung eines Rugbyspiels, in dem einander Lions und Sharks gegenüberstehen, keine Tiere, sondern durchtrainierte Sportler. Rugby und Baseball gelten im Süden Afrikas als die Nationalsportarten der Weißen, während Fußball fast ausschließlich von Schwarzen ausgeübt wird. Da Anhänger beider Mannschaften vor dem Fernsehgerät sitzen, präsentiert sich die Stimmung entsprechend aufgeheizt. Lediglich den beiden Österreichern scheint der Ausgang der Begegnung mehr oder weniger egal zu sein. Sie feiern nach einigen entspannten Tagen am Strand ihren Abschied von Mosambik. Morgen geht es zurück an die Grenze. Dass man dort als Vertreter einer ehemaligen Kolonialmacht keine Probleme zu befürchten hat, wissen sie ja schon.
