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Runterkommen in Indien

Hideaway in Grün. Frühbuddhistische Schätze und viel Natur - der Gebirgszug der Westghats südlich von Mumbai zeigt ein anderes, stilles Indien.

Runterkommen in Indien
Runterkommen in Indien


Das goldene Abendlicht erweckt den Stein zum Leben: In der Vorkammer der Karla-Höhle wachen drei monumentale Elefanten, im Inneren des 14 Meter hohen und 45 Meter langen Rundgewölbes posieren auf zwei mächtigen Säulenreihen prachtvolle Prinzen aus der Marathi-Familie, Händler, Mönche, barbusige Frauen, kraftstrotzende Löwen. Die Pracht der Steinfiguren ist monumental, ihr Zustand nahezu unversehrt - und das, obwohl sie 2000 Jahre Geschichte auf ihrem Rücken tragen. Nur die drei Elefanten mussten dem Zahn der Zeit ihre Rüssel opfern.

Die frühbuddhistischen Karla Caves liegen nahe der aufstrebenden IT-Stadt Pune rund zwei Autostunden südöstlich von Mumbai in der bergigen Landschaft der Westghats. Sie gehen auf die Zeitspanne 200 Jahre vor und nach Christus zurück und dienten einst Händlern auf dem Weg von der Arabischen See ins Dekkan-Hochland als Versammlungsort, Tempel sowie Unterkunft. Das geschützte antike Denkmal ist eine der bedeutendsten und besterhaltenen Felshöhlen in ganz Indien, die Figuren von detailverliebter Schönheit. Dennoch sind westliche Touristen rar - die dann für die einheimischen Besucher zur wahren Sensation und regelrecht bestaunt werden. Unversehens hat die blonde Europäerin ein milchkaffeebraunes Baby auf dem Arm und steht inmitten der Sippe. Klick. Fürs indische Familienalbum.

Wer die Westghats im Bundesstaat Maharashtra besucht, erlebt das andere Indien: die weitgehend unentdeckte, naturbelassene und unberührte Seite des gewaltigen Subkontinents. Inmitten absoluter Bergeseinsamkeit eröffnete unlängst das erste internationale Hotelresort, das Hilton Shillim Estate Retreat and Spa. Das angenehme Klima, die Höhenlage auf 700 Metern, saubere Luft, unberührte Natur, vollkommene Ruhe: Das zieht wohlhabende Inder aus Mumbai an - aber auch internationale Klientel. Shillim ist ein nahezu idealer Ort, um nach oder vor einer anstrengenden Indien-Rundreise runterzukommen.

Zugegeben, sehr leicht erreichbar ist die abgeschiedene Region nicht: Über drei Stunden rumpelt das Auto vom Mumbai Airport hierher. 120 Kilometer über die indische Version einer Autobahn, über eine halsbrecherische Passstraße und die Schlaglöcher einer Schotterpiste. Wesentlich angenehmer - und auch nicht viel teurer - ist die Anreise mit dem Wasserflugzeug ab Mumbai und Landung auf dem gewaltigen Pavna-Stausee.

Europäer fühlen sich in den Shillim Hills wie Tourismuspioniere, hellhäutige Gäste sind eine Rarität. Auf Mountainbiketouren in Begleitung eines einheimischen Guides werden sie von der Bevölkerung bestaunt wie ein Weltwunder. Doch die Begegnungen mit den Einheimischen sind so herzlich und offen, wie kaum sonst wo auf der Welt. Die in bunte Saris gehüllten Frauen versuchen gar nicht, ihre unverblümte Neugier zu verbergen.

Am Straßenrand sind bunte Pilgergruppen anzutreffen, die Richtung Nasik ziehen, wo alljährlich Ende November eine große hinduistische Prozession mit 15.000 Teilnehmern stattfindet. Bei ihren Pausen tanzen und singen sie - und es wäre eine unverzeihliche Beleidigung, ihre Einladung abzulehnen. So haben dann auch die Europäer nette Schnappschüsse fürs Fotoalbum. Das Motiv: "Tellerreiben" mit indischen Pilgerinnen - also mit gekreuzt gereichten Armen sich zu zweit schnell im Kreis drehen.

Wer aus dem Naturidyll in den indischen Großstadttrubel abzweigen will, der findet in der nahen IT-Stadt Pune ein lohnendes Ziel. Sehenswert sind hier die Paläste Shaniwar Wada und Vishram Bagh Wada, eine Handvoll Tempel, der bunte Markt und das private Raja-Dinkar-Kelkar-Museum. Im Aga-Khan-Palast war Mahatma Gandhi auf Befehl der Briten zwei Jahre lang inhaftiert, seine Frau Kasturba starb hier. Ihre Asche ruht nun in einer Urne im Garten des heutigen Gandhi National Memorial.

Esoterisch angehauchten Westlern ist Pune längst ein Begriff - und ident mit der Osho-Kommune des Bhagwan Rajneesh. Auch nach dem Tod des flippigen Mystikers und indischen Philosophen im Jahr 1990 zieht der Ashram und seine von der spirituellen Suche bestimmte Lebensart immer noch zahlreiche Anhänger aus Europa und den USA an.

Im Hideaways wie dem Hilton Shillim Estate Retreat und Resort hingegen geht es mehr entspannt als spirituell zu. Mitten im Luxus mit stylish-reduzierter Architektur genießt der Gast eines der größten Spas Asiens mit einer umfangreichen Angebotspalette von Ayurveda bis Yoga, garniert mit zahlreichen Treatments aus dem Westen.

Die grüne Harmonie rund um das Resort lädt zum Reiten, Wandern und Mountainbiken ein. So charmant, dass sich selbst stocksteife Hardcore-Morgenmuffel alltäglich freiwillig beim frühmorgendlichen Yoga wiederfinden. Und weil er seine bleichen Pappenheimer mittlerweile kennt, hat Yoga- und Meditationslehrer Vijay Sharma denn auch ein Zauberwort parat, das den Westlern besonders guttut: "Slowly, slowly!"