Wenn man das Reihenhaus, in dem die Familie Burkl in Henndorf am Wallersee lebt, von außen betrachtet, dann würde man nicht vermuten, was sich hinter den weißen Mauern und unter dem braunen Dach verbirgt. Raum für Raum hat der 22 Jahre alte Paul Burkl für sich erobert, auch das ausgebaute Dachgeschoß hat er in Beschlag genommen. Nähmaschinen und Labeldrucker stehen in einem Zimmer. In den Wandschränken lagern Rollen mit türkisem und schwarzem Stoff. Unter dem Dach stapeln sich Kapuzenpullover, heute nennt man sie Hoodies. Sonne durchflutet den Raum, Burkl lehnt am Stiegengeländer und zeigt stolz sein Reich, das er sich - mit Unterstützung der Eltern selbstverständlich - geschaffen hat.
Wie ein Salzburger die Modeszene aufmischt
Coole Mode direkt aus dem Salzburger Land. Paul Burkl hat vom Elektriker zum Schneider umgesattelt und ein nachhaltiges Lifestyle-Modelabel gegründet.


Er ist Gründer, Designer, Markenbotschafter und hat sein eigenes Modelabel. Es heißt Urside Clothing, kurz: ursideclo. Das Logo zeigt einen Bärenkopf, der wiederum ein Hinweis auf den Markennamen ist. Der wissenschaftliche Name für Bären auf Latein lautet "Ursidae"; spielt man mit der englischen Sprache, darf man "urside" als "your side", also als den eigenen Stil verstehen.
Do what you love
Paul Burkl ist gelernter Elektriker. "Dabei habe ich schnell gemerkt, dass ich mehr will, als von 9 bis 17 Uhr zu arbeiten", sagt er. Als ihn die "Salzburger Nachrichten" zum Interview treffen, trägt er von Kopf bis Fuß Kleidung seines eigenen Labels. Das Kapperl auf dem Kopf ziert der schwarz-weiße Bär, der mintfarbene Pulli ist aus seiner Kollektion, die beige Hose und die weißen Socken (auch sie ziert das Logo) ebenfalls. Wie kommt es, dass ein Elektriker zum Schneider und Designer umsattelt?

"Als ich aus dem Hamsterrad in meinem ersten Job rauswollte, habe ich begonnen, für mich selbst zu nähen. Dabei ist die Idee entstanden, dass ich aus diesem Hobby und meiner Leidenschaft mein eigenes Business machen kann. Gesagt, getan. Zwei Jahre haben seine Vorbereitungen gedauert. Dann hat er die ersten ursideclo-Teile verkauft. Dass er sich von anderen Labels abheben wollte, um sein eigenes Ding zu machen, war für ihn klar. Dennoch ist er ein Typ, der Netzwerke schätzt und nutzt. Als Start-up lautet sein Ziel, seine Mode bald weltweit zu vertreiben und zur überall bekannten Marke zu werden. Deshalb hat er sich für das "Do what you love"-Programm entschieden, ein Euregio-Projekt, das Start-up-Szene-Kennerin Romy Sigl von Coworking Salzburg initiiert hat. Ein Jahr lang treffen sich rund 100 innovative und kreative Leute, um in Workshops und Netzwerkevents ihren jeweiligen Businessideen nachzugehen. Manche arbeiten erst an der Idee, andere sind schon weiter, schreiben am Businessplan oder entwickeln ihren Auftritt im Netz und in den sozialen Netzwerken wie Instagram oder Pinterest.
Aller Anfang ist schwer
Burkl ist mit seinem Business schon weit. Ein Blick auf den Instagram-Account von ursideclo zeigt Lifestyle-Mode im Streetstyle-Bereich. Will heißen: Longsleeve-T-Shirts, Jogginghosen, Sweater und Zipper beispielsweise. Und das für Frauen und Männer.

Der Stil ist sauber und ohne Schnörkel, aufgeräumt und modern. Mehr als 1200 Menschen folgen ihm online und zeigen sich begeistert von den Kollektionen. Ohne hippen Onlineauftritt geht heutzutage eben nichts mehr. Der 22-Jährige erzählt, dass er sich sein handwerkliches Wissen angeeignet habe, indem er Schneider besucht und einfach direkt von ihnen gelernt habe. Danach habe er sich die ersten Nähmaschinen gekauft und im größeren Stil losgelegt. Schließlich war er finanziell erfolgreich genug, um seine Anstellung als Elektriker zu kündigen. "Klar war der Umstieg anfangs schwierig und ein Typ, der näht, erscheint manchen ungewöhnlich. Sobald die Leute aber gesehen haben, dass das, was ich mache, gut aussieht, haben sie ihre Meinung geändert", erinnert sich der Flachgauer an seinen Start. Die Botschaft, die ihm am wichtigsten ist, ist die der Freiheit. "Jede und jeder hat die Möglichkeit, das zu finden, was sie oder ihn erfüllt", sagt er.
Handmade in Salzburg
Was bedeutet es also, Mode zu tragen, die "handmade in Salzburg" ist? "Sie ist absolut selbst gemacht. Manche denken, ich bestelle die Stücke, mache das Label ab und klebe meins darüber", berichtet er und lacht. Das Gegenteil sei der Fall. "Ich stelle mich bewusst gegen Fast Fashion, also Wegwerfmode. Und gegen die Bedingungen, unter denen diese hergestellt wird." Sein Rohstoff ist Baumwolle, die er sorgfältig auswählt. Sie ist fair gepflückt und verarbeitet und zertifiziert. Ein kleiner Elasthan-Anteil ist dabei. Ein Vorteil: "Nichts verzieht sich beim Waschen." Die Schnitte macht er mit einer Gradiermeisterin, Inspiration kommt aus vielen Ecken. Paul Burkl lässt sich von dem Druck, ständig Neues auf den Markt bringen zu müssen, nicht beeinflussen. Anstelle von monatlich Neuem denkt er in den vier Jahreszeiten und produziert für Frühjahr, Sommer, Herbst, Winter. Das reicht.
Konventionelle Mode meist zu billig
Eine, die die Fahnen für faire, nachhaltige Mode hochhält, ist Mirjam Smend. Die Modejournalistin war kürzlich mit ihrem Projekt Greenstyle zu Gast im Salzburger Messezentrum. Dass Kleidung, die mit gutem Gewissen produziert wurde, immer noch gegen jede Menge Vorurteile kämpft, weiß sie nur zu gut. Teuer, kratzig, mit Öko-Look und schwer zu bekommen? Smend schüttelt den Kopf. Sie hat gute Gegenargumente in der Hand und sagt zum Thema Tragegefühl: "Stoffe wie Viskose oder Tencel und andere fühlen sich nicht nur angenehm auf der Haut an - sie werden teils in Österreich hergestellt und haben keine langen Transportwege hinter sich." Nur beim Thema Preis kann die Münchnerin nicht widersprechen. Sie sagt: "Klar ist nachhaltige Mode teurer als Fast Fashion. Das liegt daran, dass jede und jeder im Herstellungsprozess fair bezahlt wird und ökologische Konzepte mitgedacht werden." Wasser, oft ein rares Gut in fernen Produktionsländern, das vom Färben verschmutzt wird, wird wiederaufbereitet und im Kreislauf behalten. Smends Credo: "Faire Mode ist nicht zu teuer - konventionelle Kleidungsstücke sind einfach zu billig."
Kürzlich war sie mit zahlreichen Designerinnen und Designern im Salzburger Messezentrum zu Gast. Ein Blick in die Halle zeigt: Was innovative Köpfe hier gestaltet haben, dient nicht nur dem guten Gewissen. Es sieht auch richtig stylish aus. Knallige Farben, moderne, lässige Schnitte und Accessoires, die zu jeder Lebenslage passen, ob im Business, tagsüber gemütlich oder schillernd beim Ausgehen am Abend. Das Vorurteil, dass nachhaltige Teile "total öko" aussehen würden, kontert sie mit einem Schmunzeln: "Wie öko kann etwas aussehen, das längst prominent in Magazinen wie ,Vogue' und ,Elle' vertreten ist ?"
Auch Paul Burkl war bei der Greenstyle-Messe mit dabei. Wieder ein Netzwerk, das er schätzt. Noch ist der Henndorfer eine One-Man-Show, doch das soll sich ändern. Deshalb investiert er in hochprofessionelle Fotos, wenn neue Kollektionen herauskommen. "Eines Tages möchte ich weltweit bekannt sein. Die ursideclo-Produktion lagere ich maximal aus diesem Haus aus, aber nicht aus Salzburg. Gemeinsam mit einem Topteam will ich den Lifestyle und die Freiheit zeigen, für die ich von Anfang an stehe."