Die Bewegungen auf dem Immobilienmarkt betreffen nicht nur Mieter und Käuferinnen oder Banken und Verkäufer, sondern auch die Gutachterzunft. Denn mit den üblichen Mitteln der Gutachtenserstellung kommt man angesichts unsicherer Parameter manchmal nicht weiter.
Die drei Hauptmethoden der Immobilienbewertung
"Grundsätzlich gibt es drei Verfahren der Bewertung", sagt Sandra Hochleitner, allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige und Geschäftsführerin der Resh Advisory GmbH in Wien. Das ist einmal das Vergleichswertverfahren, bei dem Objekte, die in wesentlichen Merkmalen ähnlich sind, miteinander verglichen werden. "Das Problem dabei: Zwei Gebäude sind nicht gleich", sagt Hochleitner. Dann gibt es das Sachwertverfahren, das auf der fiktiven Wiederherstellung eines Objekts beruht. Dabei werden Bodenkosten und Baukosten errechnet sowie Abschläge aufgrund des Alters und Zustands des Gebäudes abgezogen. Dritter Weg ist das Ertragswertverfahren, das vor allem im großvolumigen Bereich, etwa für Investoren, zum Einsatz kommt. Dabei werden die erzielten Erträge auf eine mögliche Gesamtrendite umgerechnet.
Bauträger vor neuen Herausforderungen
"Die aktuellen Schwierigkeiten fangen für Private schon bei der KIM-Verordnung an", sagt Hochleitner (KIM: Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen, Anm.). Weil Private ihre Wunschimmobilien deshalb oft nicht finanzieren können, sinkt die Nachfrage, was Bauträger vor die Notwendigkeit stellt, ihre Bauvorhaben aufzuschieben, weil die Käufer abhandenkommen. Hochleitner: "Jetzt heißt es, die Bauträger sollen stattdessen Mietwohnungen bauen. Doch darauf sind viele nicht ausgelegt, dafür braucht es neben dem richtigen Personal auch einen entsprechenden Cashflow." Auch die hohen Zinsen betreffen einerseits die Privaten, andererseits auch Großinvestoren, wenn sie fremdfinanziert sind. "Wir haben auch schon gesehen, dass Immobilienfonds deshalb geschlossen wurden. Sie mussten abverkaufen, um Mittel zu lukrieren."
Gutachter kämpfen mit unklaren Marktwerten
Das alles betrifft auch die Gutachter. "Wir versuchen die Zukunft aufgrund der Vergangenheit zu prognostizieren", erklärt die Expertin. "Das ist aber schwierig, wenn nicht gehandelt wird. Dadurch gibt es auch keinen vergleichbaren Marktpreis." Beim Ertragswertverfahren gilt es, die Marktanpassung im Liegenschaftszins zu berücksichtigen. Doch auf welcher Basis kann das erfolgen? "Grundlage ist meine Erfahrung und auch die Gespräche mit den Marktteilnehmern", sagt die Gutachterin. "Dazu kommen Empfehlungen vom Sachverständigenverband und letztlich der Kapitalmarkt, der Renditeerwartungen von Immobilien in Vergleich zu anderen Anlageformen setzt." Der Sachverständigenverband gibt eine Bandbreite für verschiedene Immobilien in verschiedenen Lagen an.
Sie müsse aber bei einem Gutachten schon konkret darlegen, wie sie auf den angegebenen Liegenschaftszins kommt. "Den Preis weiß man erst, wenn man verkauft. Da spielen dann oft auch persönliche Interessen hinein, der Preis ist also nicht automatisch der Marktwert."
Ertragswertverfahren bei Investoren-Gutachten
Auch bei Gutachten für Bilanzen, vor allem im Investorenbereich, wendet die Expertin in der Regel das Ertragswertverfahren an. "Es gibt eine gewisse Miete minus Nebenkosten, die nicht abgewälzt werden können. Übrig bleibt der Reinertrag." Daraus lässt sich der Marktwert berechnen, was allerdings aufgrund der Bewegungen auf dem Markt jährlich unterschiedlich sein kann. Das ermöglicht dann eine "falsche Miete". Hochleitner: "Wir müssen nachvollziehen, ob sie dauerhaft erzielbar ist." Deshalb gibt es Stichtagsbewertungen. "Wenn heute bei einer Wohnung 15 Euro pro Quadratmeter erzielbar sind, langfristig in dieser Gegend aber nur 12 Euro, so müssen wir das in unserer Langfristperspektive berücksichtigen." Das Problem: Die Wohnungsmiete ist, vor allem in Wien, Veränderungen beim Richtwert und den Zinsen ausgesetzt. So ist der gesetzliche Richtwert derzeit aufgrund des Mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetzes (MILG) seit 31. 12. 2023 teilweise gedeckelt. Das erschwert Prognosen zusätzlich.
"Wir haben jedenfalls die Befürchtung, dass es durch den reduzierten Bau von neuen Wohnungen verbunden mit verstärktem Zuzug in die Städte zu einer Wohnungsknappheit kommen wird", sagt Hochleitner. Verkäufer überlegen deshalb, ihre Wohnungen nicht zu verkaufen, weil sie auf eine dadurch ausgelöste Wertsteigerung hoffen.