Holzschindel: Schuppenschicht für Dach und Fassade
Vom denkmalgeschützten Gebäude bis zum modernen Neubau - der Einsatzbereich für Holzschindeln ist vielfältig. Harald Rapold weiß, wo sich was eignet und wie gefragt Schindeln sind.
BILD: SN/SCHINDELHEIMAT HARALD RAPOLD
Schindeln sind nicht nur etwas für Almhütten. Architekten wählen sie auch für moderne Bauten.
Die Firma Schindelheimat von Harald Rapold ist in Bad Reichenhall-Kirchberg leicht zu erkennen, obwohl das Hauptgebäude nicht mit Schindeln verkleidet ist. Vielmehr hat der Künstler Lothar Korvin 1937 die Fassade zur Thumseestraße hin mit Szenen des Schindelmacherhandwerks verziert - vom Fällen eines Baums über die Schindelproduktion bis zu mit Schindeln fertig gedeckten Häusern. Damals, in den 1930er-Jahren, hatte Harald Rapolds Großvater Karl-Albert Rapold das Gebäude erworben, um darin seine Geschäftsidee zur verwirklichen.
Er habe Holzschindeln als Produkt für den Alpenraum bewahren wollen, erzählt sein Enkel. Allerdings gab (und gibt) es keine Zunft der Schindelmacher. "Bergbauern haben die Schindeln gemacht. Die ganze Familie half mit. Die Schindeln waren für den Stall, die Alm oder die Kirche." Karl-Albert Rapold kannte einige Bergbauern aus dem Loferer Raum. Er bat sie, mehr Schindeln herzustellen. Er kauft sie ihnen ab und handelte mit ihnen.
Bergbauern wussten, was ein Schindelbaum war und welcher Baum nicht infrage kam
Ein Schindelbaum braucht den richtigen Standort, um gerade oder maximal leicht gedreht wachsen zu können, und sein Stamm muss arm an Ästen sein. Dieses Wissen wurde von Generation zu Generation weitergegeben, doch inzwischen erkennen nur mehr wenige einen Schindelbaum, wie Harald Rapold erklärt. Er kann auf acht Forstbetriebe in Österreich zurückgreifen, die ihn mit Schindelbäumen versorgen.
Karl-Albert Rapold wollte Schindeln nicht nur vertreiben, sondern auch eine eigene Produktion aufziehen, doch er fiel im Krieg. Sein Sohn Wolfram griff schließlich den Plan seines Vaters auf und realisierte ihn. Ende der 1950er-Jahre streckte er seine Fühler nach Kanada aus. Aus British Columbia importierte er Zedernschindeln.
"Für Schindeln gibt es einen gesunden Markt"
Harald Rapold
Schindelhändler
Diese waren bis in die 1980er-Jahre gefragt, dann nahm das Interesse an ihnen ab. Nach der Öffnung des Ostens ließ Wolfram Rapold in Werkstätten in Tschechien, in der Slowakei und in Sibirien Lärchenschindeln herstellen. Beide Entwicklungen hatten Einfluss auf die Firma. "Die Produktion ist in Bad Reichenhall eingeschlafen", schildert Harald Rapold. Vor rund acht Jahren nahm er sie wieder auf. Allerdings kann mit ihr der Bedarf an Schindeln nicht gedeckt werden, weshalb Rapold auch auf externe Werkstätten zurückgreift.
Jede Region hat ihre "Schindeln-Tradition"
"Holzschindeln sind regional traditionsgemäß gebunden", weiß er. Soll heißen: Kunden aus Deutschland und Österreich wollen vor allem Lärchenschindeln, während im norddeutschen Raum und in Frankreich Eichenschindeln gefragt sind. In der Schweiz wiederum haben Fichtenschindeln Tradition und im Raum Fulda in Hessen welche aus Buchenholz. In Rapolds Sortiment finden sich Robinie, Lärche, Eiche, Fichte, Weiß-Zeder, Rot-Zeder und Alaska-Zeder. Auch die Länge der Schindeln hängt von der Region beziehungsweise der Tradition ab. Lärchenschindeln gibt es von 20 bis 80 Zentimetern in unterschiedlichen Breiten. Hingegen haben zum Beispiel im Bregenzer Wald kleinformatige Schindeln Tradition. Darüber hinaus werden Schindeln in manchen Regionen gestrichen, etwa in Grün oder Weiß. "Bei uns würde man das nie tun", betont Rapold.
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Zunächst werden die Schindeln von einem geviertelten Baumstamm gespalten und nach einem Zwischenschritt von Hand geputzt.
Seine Firma stellt überwiegend gespaltene Schindeln her und zwar auf halbmaschinelle Weise. Der Schindelbaum kann frisch gefällt oder ein bis zwei Jahre gelegen sein. Zuerst wird der Bloch, also der Baumstamm, auf die gewünschte Schindellänge zugeschnitten und der Rundling geviertelt. Von jedem Viertel werden anschließend die Schindeln nach Faserlauf abgespalten. Nach dem parallelen Säumen werden sie mit dem Reifmesser keilförmig zugeputzt. Dabei wird auch das rissige Holz geglättet. "Beim Spalten schaut man auf die Jahresringneigung", erklärt Rapold. In Bayern und Tirol haben die Schindeln stehende Jahresringe, im Lungau dagegen liegende Jahresringe.
Schindeln für Dach und Fassade sind rechteckig
Schindeln, egal ob für ein Dach oder eine Fassade, sind in der Regel rechteckig. Es gibt sie aber zum Beispiel auch mit einer abgerundeten oder einer zugespitzten Seite. Das sind dann Zierschindeln, die ausschließlich für Fassaden verwendet werden.
Für ein Dach gibt es entweder Schar- oder Legschindeln. Scharschindeln sind 40 bis 60 Zentimeter lang und werden auf das Dach genagelt. Sie können deshalb auch für steile Dächer verwendet werden. Sie werden dreilagig gedeckt. Legschindeln dagegen haben eine Länge von 60 bis 80 Zentimetern. Sie wählt man für flache Dächer mit einer Neigung von rund 22 Grad, wie etwa bei Almhütten. Auch sie werden dreilagig gedeckt, aber nur auf das Dach aufgelegt. Niedergeschwert werden sie mit Stangen und Steinen. Alle vier bis zehn Jahre werden die Legschindeln umgedeckt, also umgedreht. Das passiert bis zu vier Mal. Marode Schindeln können beim Umdecken ausgetauscht werden. Dächer werden dreilagig gedeckt. Das heißt, dass weniger als ein Drittel einer Schindel sichtbar ist. Fassaden können zwei- oder dreilagig gedeckt werden. Bei zweilagig ist weniger als die Hälfte einer Schindel zu sehen.
Das Holz behandelt Rapold nicht. "Schindeln müssen einfach vergrauen im Alter. Außerdem ist das Spiel von Licht und Schatten einzigartig." Schindeln haben eine Lebensdauer von 20 bis 60 Jahren. Ihre Haltbarkeit hängt von mehreren Faktoren ab: dem Standort des Gebäudes, der Dachneigung, der Hinterlüftung der Schindeln, der Holzart und der richtigen Nagelung. Früher wurden Schindeln mit der Hand genagelt. Heute wird zum Schussapparat gegriffen. Egal auf welche Weise sie fixiert werden: Die Nagelköpfe sollen nicht im Holz versenkt werden, sonst sammelt sich Feuchtigkeit auf den Köpfen, die das Holz faulen lässt. Außerdem weist Rapold darauf hin, dass Holz immer arbeitet. Es nimmt Feuchtigkeit auf und es trocknet wieder. Dabei bewegen sich Schindeln im Millimeterbereich.
Schindeln sind ein ökologisches Produkt, aber keine Massenware
Dennoch sind sie konstant gefragt. Rapold spricht von einem gesunden Markt. Ob fürs Eigenheim, ein denkmalgeschütztes Gebäude oder moderne Architektur, wie bei Seniorenheimen oder Verwaltungsgebäuden - "der Impuls kommt oft von den Architekten". Rapolds Kunden kommen vor allem aus dem Alpenraum. "Ich liefere vereinzelt auch nach Skandinavien für Gebäude, die unter Denkmalschutz stehen", erzählt Rapold. Für den gleichen Zweck gingen auch schon Lieferungen nach Grönland und in die USA. Schindeln aus Bad Reichenhall zieren zudem ein Skiresort in Südkorea. Rapold hatte zufällig die Projektplaner der Anlage kennengelernt und man kam ins Geschäft.
Harald Rapold selbst erkennt einen Schindelbaum, das Schindelmachen überlässt er aber seinen Mitarbeitern, die schon seit vielen Jahren darin Erfahrung haben. "Für das Holz ist Gespür nötig", sagt der Firmeninhaber. Sein Part ist das laufende Geschäft. "Wir arbeiten mit Zimmereien zusammen. Sie verlegen die Schindeln auf dem Dach, an der Fassade oder auch im Innenraum. Wir beraten und stellen her."