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KI im Bauwesen: Revolutionäre Entwürfe und nachhaltige Architektur

Wie digital ist die analoge Bauwirtschaft? KI ist nicht nur in aller Munde, sondern auch auf immer mehr Computern. Davon können Architektur und Bautechnik in Entwurf und Umsetzung profitieren.

„Valley“ ist ein spektakuläres Projekt in Amsterdam, entworfen mit KI-Unterstützung.
„Valley“ ist ein spektakuläres Projekt in Amsterdam, entworfen mit KI-Unterstützung.

Die digitale Revolution macht vor keiner Branche halt, daher auch nicht vor der - an sich sehr bodenständigen und analogen - Bauwirtschaft. Deshalb stand der digitale Wandel in der Bauwirtschaft auch im Mittelpunkt der von Wienerberger veranstalteten "Future Brick Days" in Wien. "Der Computer ist ein intelligenter Bleistift", erklärte Lars Krückeberg vom Berliner Büro Graft Architects: "Vor allem skulptural lässt sich digital sehr gut arbeiten." Die KI stelle eine Revolution dar, man müsse aber keine Angst davor haben, man könne sie für alles benutzen und sie liefere vor allem visuellen Reichtum, sagt Krückeberg. "Früher wurden wir von Bauherren oft aufgefordert, eine schnelle erste Skizze zu machen. Das geht nicht so einfach. Jetzt ist es mithilfe der KI möglich." Aber der Computer mache dies nicht von allein. "Oft ist das Ergebnis nicht das, was man will." Also sollte man eine oder mehrere Skizzen wie eine Zwiebel darüberlegen, woraus die KI dann Vorschläge errechne.

Kreative Fassadengestaltung mit KI

"Die Entscheidung trifft immer der Mensch", betont der Experte. Und er nennt einige Beispiele aus seiner internationalen Praxis. So wurden etwa Bilder von Ähren als Vorbild hochgeladen und dazu die Aufforderung an die KI, daraus Vorschläge für eine Fassadengestaltung zu machen. Ähnliches setzten die Berliner bei einem Bauprojekt in Georgien um. Dort gibt es typische Häuser mit speziell geschnitzten Balkonen. Auch da ließen sich die Architekten eine Fülle an Vorschlägen ausarbeiten. "Die KI kann aus einem ungeheuren Schatz an Vorbildern unter Anleitung neue Formen entwickeln." Im Fall des Projekts in Georgien waren es nicht nur Vorschläge für die Fassade auf Basis der Balkongeländer, sondern auch die Verwendung von typischen Farben für den Lobbybereich sowie Landschaftsformen und Gesteinsfarben für den Spa-Bereich.

Berlin: Ohne KI wäre die Umsetzung der Fassade und des Eingangs nicht möglich gewesen.
Berlin: Ohne KI wäre die Umsetzung der Fassade und des Eingangs nicht möglich gewesen.

"KI macht ungewöhnliche Formen erst möglich und vor allem baubar", erzählt Krückeberg von einem Ziegelbau in Berlin-Schöneberg. Dort war die Idee, die Fassade sozusagen umzudrehen. Die Fenster sprangen also nicht nach hinten, sondern nach vorn; um die Bauflucht mit den benachbarten Gebäuden zu erhalten, wurden die oberen Geschoße stufenweise zurückgesetzt. Für den Eingangsbereich wollte man aber eine Lösung mit Ziegelsteinen, die den Menschen förmlich ins Gebäude saugt. Dank KI konnte nicht nur ein entsprechender Entwurf entwickelt werden, sondern gleich auch die notwendige bautechnische Vorgabe für die Realisierung.

KI: Rechte sind noch ungeklärt

Auf eine Problematik wies Krückeberg aber besonders hin: jene der Rechte. "Man könnte jetzt die KI mit zahllosen Bildern und Entwürfen beispielsweise der Stararchitektin Zaha Hadid füttern und der KI dann sagen: Ich will einen Entwurf im Design von Hadid." Das sei technisch möglich, aber die rechtliche Frage sei ungeklärt, denn man könne sich nicht einfach am geistigen Eigentum eines anderen bereichern. Umgekehrt ist es natürlich leichter: Man füttere die KI mit den eigenen Entwürfen und Projekten und könne dann Vorschläge im unternehmenseigenen Stil "bestellen".

Einsatz künstlicher Intelligenz für nachhaltiges Bauen

Was mit KI schon im Entwurfsstadium möglich ist, erläuterte auch die Grazer Architektin Christine Sohar, die beim internationalen Architekturbüro MVRDV in Rotterdam arbeitet. Man könne mit KI-Hilfe die Grenzen der Technik noch viel mehr ausreizen, auch inklusive des immer wichtiger werdenden Themas Nachhaltigkeit. Sie nennt als Beispiel die Markthalle Rotterdam oder das Projekt "Valley" in Amsterdam (siehe Bild oben). Dieses sei nicht nur ein Designobjekt, sondern mehr. Es sei optimiertes Bauen mit spektakulärer Architektur. "Wir wollten schon im Entwurf wissen, wie der Bau in Sachen Nachhaltigkeit abschneidet, und wussten bei jeder Variante den CO₂-Abdruck pro Quadratmeter im Vergleich zu anderen Projekten, inklusive Statik und Struktur."

Auch Stadtentwicklungspläne können mit KI erstellt werden

MVRDV verwende KI auch für Projekte, die anders nicht möglich wären, beziehungsweise auch in der Stadtentwicklung. Man könne so einen Masterplan für ganze Stadtviertel entwickeln und damit den Detailprojekten noch genügend Freiraum geben. "From research to project", nennt Sohar diesen Ansatz. So könne man zu Beginn sozusagen ein "aufgeblasenes" digitales Modell rechnen, das überall ans Maximum der gesetzlichen Rahmenbedingungen geht. Als nächsten Schritt könne man dann beispielsweise den Sonnenstand beziehungsweise die Sonneneinstrahlung mit einbeziehen und daraus optimale Gebäudehöhen und -formen entwickeln und damit die beabsichtigte Nutzung optimieren. "Wie dicht kann man bauen, dass dennoch genug Licht einfällt?" Auf dieser Basis entwickelt sie "Sunspots" als Basis für die Weiterentwicklung der einzelnen Grundstücke.