Viele schöne Jahre hat Claudia Braunstein mit ihrer Familie im Salzburger Stadtteil Riedenburg verbracht. "Doch jetzt sind unsere vier Kinder ausgeflogen und mein Mann und ich sitzen in einer 150-Quadratmeter-Wohnung mit 70 Quadratmetern Dachterrasse zur Miete. Dieser Luxus ist zwar erfreulich, aber auf Dauer wird es auch zur finanziellen Frage", schildert sie.
Vor allem, weil sie sich mit Mitte 50 Gedanken für später macht, zumal sich die Wohnung im ersten Stock ohne Lift befindet. "Mein Mann ist 70 und ich werde auch nicht jünger." Passenderweise hatte sie genau während des Überlegungsprozesses Kontakt zu den beiden Autorinnen Sonja Schiff und Ursula Spannberger, die einen Leitfaden für das Wohnen im Alter erstellt haben. "Ich war gewissermaßen eines der Versuchskaninchen. Trotz einer Reihe eigener Überlegungen habe ich durch sie eine Menge dazugelernt, es war eine wegweisende Geschichte", betont Braunstein. Klar geworden ist ihr insbesondere, was wichtig ist.
Leitfaden für das Wohnen im Alter
Was muss ich unbedingt haben, worauf kann ich verzichten? Wo soll sich die neue Wohnung befinden - in der Stadt oder aus Kostengründen doch hinaus aufs Land? Reicht ein Balkon oder soll es ein Garten sein? " Mit dem Leitfaden der Autorinnen, den ich als enorm hilfreich empfunden habe, und der Beratung hat sich ein sehr spannender Prozess ergeben - mit einem für uns erfreulichen Ergebnis." Inzwischen haben sie und ihr Mann nämlich eine passende Dreizimmerwohnung in unmittelbarer Nähe gefunden. "Ich bereite jetzt den Umzug vor, im Sommer wird es so weit sein. Zuvor muss ich mich allerdings noch von einigen Einrichtungsgegenständen trennen, denn die werden nicht alle Platz haben."
In derselben Phase befand sich Edith Zehentmayer, die jahrelang in ihrem Elternhaus gelebt hat. "Es stellte sich die Frage nach dem Generationenwohnen. Wie wir das Haus adaptieren können, damit ich mit meinen beiden Töchtern und dem Enkelkind da wohnen kann", schildert sie. Bei ihr hat sich während des Prozesses herausgestellt, dass allen besser gedient ist, wenn sie auszieht und das Haus den Töchtern überlässt. "Jetzt habe ich eine kleine Wohnung für mich gefunden, das wird aber auch nur eine Zwischenlösung sein. Ich weiß jetzt viel genauer, was ich für später unbedingt haben will und was nicht", schildert sie ihre Erfahrungen. Zudem sei sie wesentlich sensibler ihren Bedürfnissen gegenüber geworden.
"Dient mit das Haus, die Wohnung oder diene ich ihm?"
Seit 2018 unterstützt das Land Salzburg das Projekt "neues Wohnen 70 plus", ein Wohnberatungsangebot für Älterwerdende. Die Gerontologin Sonja Schiff beschäftigt sich seit rund 30 Jahren mit den Herausforderungen des Älterwerdens. In der ambulanten Pflege war sie immer wieder mit Wohnsituationen konfrontiert, die dem selbstbestimmten Leben der (hoch-) betagten Menschen vor allem bei Betreuungsbedarf im Wege standen. "Wenn Menschen in Pension gehen, kommt es häufig noch einmal zu einem völligen Lebenswechsel, inklusive der Wohnsituation", betont Sonja Schiff.
Sie hat sich mit der Architektin Ursula Spannberger zusammengetan, beide haben sich Gedanken über das Wohnen im Alter gemacht. "Daraus entstanden ist ein Konzept für das Land, das uns den Auftrag für ein Beratungskonzept samt Leitfaden erteilt hat", ergänzt Spannberger.
Sie hatte schon vor zehn Jahren die "Raumwert-Analyse" entwickelt, ein Instrument zum Selbsttest. "Den wenigsten ist klar, wie stark Räume sie beeinflussen, egal welche - ob zu Hause oder im öffentlichen Raum. Andererseits geht es ganz stark um die Frage: Dient mir das Haus, die Wohnung, oder muss ich es bedienen?", erläutert sie. "Jedes Gebäude muss bestimmte Bedürfnisse erfüllen."
Im Alter geht es auch darum, ob es unerfüllte Wünsche gibt, die einen begleiten. Ist es eine gute Idee, als langjähriger Single doch noch in eine Wohngemeinschaft zu ziehen? Welche Wege gilt es zu bewältigen - innerhalb und außerhalb der Wohnung? Was spricht dafür, als älteres Ehepaar vom Einfamilienhaus am Land in eine Stadtwohnung zu ziehen? Festgestellt haben die Autorinnen, dass es immer schwieriger wird, die Wohnsituation selbstbestimmt zu beeinflussen, je älter man wird.
Babyboomer aufgepasst: Jetzt das Wohnen für später planen
Die Autorinnen Sonja Schiff und Ursula Spannberger ermutigen mit der Broschüre ihre Leserinnen und Leser, wichtige Vorbereitungen für das Wohnen im dritten und vierten Lebensalter beizeiten zu treffen.
Welche Veränderungen sind für ein Altern in den eigenen vier Wänden notwendig? Welche anderen Wohnformen und Angebote gibt es in Salzburg? Welche Bedürfnisse habe ich, die die Wohnsituation unbedingt erfüllen muss?
Keine Generation vorher fühlte sich jenseits der 60 so jung und agil und hatte nach dem Einstieg in die Pension noch so viele weitere Lebensjahre vor sich wie die Babyboomer. Deshalb kann genau jetzt
der richtige Zeitpunkt sein, die notwendigen Schritte zu setzen.
Doch auch wenn die beruflichen Belastungen und Alltagssorgen kleiner geworden und die Kinder längst ausgeflogen sind: Die Wohnsituation hat sich dem neuen Lebensabschnitt oft noch nicht angepasst.
Ein mehrstufiger Aktionsplan gibt eine Anleitung zum weiteren Vorgehen: Die Bedeutung von Wohnen, Analyse der Gegenwart, Wohnbiografie, Vision für das spätere Wohnen und konkrete Wünsche sind die Punkte, abgerundet vom Fragebogen "Welche Wohnpersönlichkeit sind Sie?".