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So verändert Nudging unser Verhalten: Effizienter Klimaschutz im Alltag

Sinnvoll konsumieren, den Strom- und Wärmeverbrauch senken, CO₂ einsparen, wann immer es möglich ist: Um die Folgen des Klimawandels einzudämmen, werden Gesetze nicht genügen. Es braucht eine Änderung der Verhaltensweisen.

Sanft zu umweltfreundlicheren Entscheidungen anregen.
Sanft zu umweltfreundlicheren Entscheidungen anregen.
Das eigene Verhalten kann größereKreise ziehen.¦Katharina Gangl¦IHS-Verhaltensökonomin
Das eigene Verhalten kann größereKreise ziehen.¦Katharina Gangl¦IHS-Verhaltensökonomin

Konzepte aus der Verhaltensökonomie zeigen Wege auf, wie Menschen mit kleinen "Anstupsern" dazu motiviert werden, ihre Routinen nachhaltig zu ändern. Darüber, wie es gelingen kann, Menschen auch ohne Verbote zu einem klima- und energiebewussteren Handeln zu bewegen, haben die "Salzburger Nachrichten" mit Katharina Gangl gesprochen. Die Wirtschafts- und Sozialpsychologin leitet am Institut für Höhere Studien die Forschungsgruppe Verhaltensökonomie.


Warum fallen uns die "richtigen" Entscheidungen in puncto Klimaschutz oder Energiesparen oft so schwer? Warum wollen wir 120 Quadratmeter bewohnen, obwohl wir vielleicht nur 50 brauchen würden?
Katharina Gangl: Grundsätzlich gibt es da natürlich eine ganze Reihe von Faktoren, die menschliche Entscheidungen beeinflussen. Das beginnt damit, dass wir nur einen sehr kleinen Teil der verfügbaren Informationen verarbeiten können. Wir sind auch stark von Emotionen geleitet und von der sozialen Gruppe, in der wir uns bewegen. Ein weiterer Aspekt ist, dass wir die Gegenwart stärker bewerten als die Zukunft. Ausgehend vom Beispiel der 120-Quadratmeter-Wohnung spielen wahrscheinlich soziale Komponenten eine entscheidende Rolle. Mit einem großen Haus oder einer großen Wohnung präsentieren wir unserem Umfeld einen gewissen Status, zeigen also, was wir uns leisten können. Studien bestätigen, dass Menschen in einer sozialen Gruppe ähnlichen Standards nacheifern. Ein anderer Faktor, der auch greift, nennt sich in der Psychologie die "hedonistische Tretmühle". Der Begriff beschreibt ein "Wenn-dann-Wunschdenken", à la: "Wenn ich eine größere Wohnung habe, werde ich noch glücklicher sein." Der Effekt verblasst aber in der Realität leider sehr schnell, weil wir uns an Dinge gewöhnen und gleich einmal wieder nicht mehr so glücklich sind.

Kann man im Bereich des Klimaschutzes auf sanften Druck vertrauen, um eine Wende zu erreichen? Wäre es für den Erfolg nicht "sicherer", gesetzliche Regelungen zu schaffen, die verbindlich sind?
Gute Umweltgesetze sind natürlich zentral, vor allem auch deswegen, weil die Wirtschaft Leitlinien benötigt, an denen sie sich orientieren kann. Damit Gesetze überhaupt zur Umsetzung kommen, braucht es aber ein gewisses Maß an gesellschaftlicher Akzeptanz. Für Tempo 100 etwa gibt es keinen solchen Konsens, damit bleibt auch eine Regelung undenkbar. So ist es vorerst oft einmal notwendig, den Boden für Veränderungen aufzubereiten. Das ist die eine Ebene. Ein anderer Vorteil "sanfter" Methoden ist, dass sie jederzeit anwendbar sind. Unabhängig von der Gesetzeslage kann jede Gemeinde, jedes Unternehmen oder jede Organisation Menschen dazu anleiten, Veränderungen sofort herbeizuführen. Wichtig dabei ist, einen niederschwelligen, leichten Zugang aufzuzeigen. Die Botschaft sollte lauten: "Wir sind handlungsfähig, nutzen wir unsere Möglichkeiten! Veränderungen sind machbar und bedeuten keinen Verlust, sondern einen Gewinn."

Sie haben sich in diesem Zusammenhang mit dem sogenannten Nudging beschäftigt. Was ist das genau? Wer kann es anwenden?
Nudging kann jeder und jede anwenden, der bzw. die sich zuständig fühlt! Es kann auf allen Ebenen praktiziert werden: in Familien, Unternehmen oder Gemeinden ebenso wie Ländern und Staaten. Es ist auch möglich, sich selbst zu "nudgen", sprich sich selbst nachhaltige Verhaltensweisen anzutrainieren! Nudging bedeutet im Grunde, eine Entscheidungsarchitektur so zu verändern, dass ein bestimmtes Verhalten wahrscheinlicher wird. Um ein Thema wie den Umweltschutz oder das Energiesparen langfristig und gut zu verankern, sollten aber immer mehrere Mechanismen ineinandergreifen. Dafür braucht es gesetzliche Grundlagen und konkrete finanzielle Anreize, aber auch die Verhaltensökonomie.

Spielt auch Nachahmung hier eine Rolle? Motiviert ein Nachbar einen anderen, wenn er eine PV-Anlage installiert?
Nachahmung, oder wie es in der Psychologie heißt: "Lernen am Modell", bildet in diesem Zusammenhang einen äußerst wichtigen Aspekt. Was die Nutzung von PV-Anlagen betrifft, gibt es sogar ein großes Feldexperiment. Diese Studie bestätigt einen Nachahmungseffekt. Wenn also in einer Nachbarschaft eine erste PV-Anlage errichtet wird - so die Erkenntnis der Studie -, folgen darauf meistens weitere. Dieses Ergebnis sollte eigentlich jeden und jede zum Umweltschutz motivieren: Es zeigt nämlich, dass das individuelle Verhalten Kreise zieht und dass dadurch etwas angestoßen werden kann. Eine persönlich getroffene Entscheidung kann einen Folgeeffekt auslösen.


Zum Thema Flächen- und Ressourcenverbrauch und dem Wunsch vom "Häuschen im Grünen". Wie kommen wir zu einem gesellschaftlichen Umdenken?
Um ein Umdenken in Gang zu setzen, werden sicherlich gesetzliche Regelungen nötig sein. Allerdings müssen die erst einmal akzeptiert werden! Gerade das allein stehende Häuschen im Grünen bietet ein klassisches Beispiel für ein sogenanntes Wohlstandsversprechen: Ist dieses Ziel einmal erreicht, hat man es sozusagen "geschafft". Wichtig wäre aus meiner Sicht, die Alternativen dazu als genauso attraktiv zu bewerben. Herauszustreichen, welche Vorteile es hat, in einem verdichteten Gebiet oder einem renovierten Haus zu wohnen, und diese Vorteile auch zu thematisieren. Wirklich interessant ist in dem Zusammenhang, dass ein positives Verhalten der Umwelt gegenüber positive Nebeneffekte auf viele andere Lebensbereiche - etwa Gesundheit, Soziales und Finanzen - zeigt. Diese Vorteile entsprechend zu vermitteln wäre von zentraler Bedeutung, wenn man ein Umdenken erreichen will.


Sind jüngere Menschen eher bereit, "höheren" Idealen zu folgen?
Das hohe Ideal ist das eine, die Lebensrealitäten liegen aber oft ganz anders. Das wird augenscheinlich, wenn man sich die Umweltbilanzen von älteren Menschen anschaut, die am Wochenende eher nicht einmal schnell nach London fliegen und vergleichsweise wenig energieintensive Technik nutzen. Damit relativiert sich ein hohes Ideal dann auch schnell einmal wieder. Die ältere Generation lebt oft klimabewusster und energieeffizienter, als das wahrgenommen wird.

Müssten aus Ihrer Sicht die Auswirkungen des Klimawandels deutlicher vor Augen geführt werden, um Veränderungen im individuellen Verhalten auszulösen? Ich glaube nicht, dass Angst ein guter Ratgeber ist, zumal sie nur dann funktioniert, wenn es sich um eine kurzfristige Bedrohung handelt, sprich: Es kommt ein Säbelzahntiger und ich muss schnell davonlaufen. Die Bekämpfung des Klimawandels erfordert eine Anstrengung über Menschenleben-Generationen hinweg. Da wird es nichts nützen, in Angst zu verharren, und letztendlich führt das auch zu keinen kreativen Lösungen. Viele Jugendliche sind heute schon paralysiert und traurig, weil sie um ihre Zukunft fürchten. Diese Situation zu verschärften ist sicher nicht sinnvoll.

Auch durch Greenwashing werden viele Verbraucherinnen und Verbraucher bei ihren Entscheidungen in die Irre geführt. Sehen Sie das als Problem? Das ist es mit Sicherheit. Greenwashing zu beforschen erweist sich allerdings als äußerst schwierige Angelegenheit. Am Ende des Tages ist es leider so, dass sich jeder Konsument und jede Konsumentin selber kundig machen muss, um nicht einem falschen Versprechen aufzusitzen. Etwas Neues ist das aber auch nicht, denn falsche Qualitätsversprechen hat es schon immer gegeben. Für die Verbraucher wird es allerdings schwieriger, weil sich die Standards im Bereich der Energieeffizienz oder Nachhaltigkeit ständig ändern. Was noch vor fünf Jahren als energieeffizient galt, ist heute vielleicht schon längst wieder überholt. Verlässliche Labels wären da eine große Hilfe. Man weiß heute, dass Menschen auf diese Art der Entscheidungshilfe sehr gut ansprechen. Es gäbe da aus meiner Sicht Hunderte von Maßnahmen, um Menschen dabei zu unterstützen, sich klimafreundlich und energiebewusst zu verhalten. Niemand hat die Zeit, sich rund um die Uhr nur mit diesem Thema zu beschäftigen. Es sollte einfach so leicht wie möglich werden, sich umweltfreundlich zu verhalten.

Wer kann beim Klimaschutz eine Vorbildfunktion einnehmen? Da gibt es viele Varianten. Ein Projekt, das mich aktuell sehr beschäftigt, kreist zum Beispiel darum, wie Unternehmen diese Vorbildfunktion übernehmen können. Die Idee ist, dass nachhaltiges Verhalten sich mittels eines "Spillover-Effekts" auswirkt. Wenn Unternehmen in Bereichen wie Mobilität, Konsum oder Energieeffizienz vorbildhaft agieren, könnte sich das, so der Gedanke, auch auf das private Umfeld der Mitarbeiter und Angestellten übertragen lassen.