Jahrelang gab es bei den Preisen für Immobilien nur einen Aufwärtstrend. Schlussendlich zu einem Sinkflug führten zuerst Lieferengpässe, dann die Teuerung und zuletzt der restriktive Zinskurs der EZB. "Der Boom scheint aktuell vorbei zu sein, ein Crash ist unwahrscheinlich", sagt Andreas Zederbauer, Vorstand der dagobertinvest AG. Denn vor allem in Großstädten bedarf es mit steigendem Zuzug immer mehr Wohnraums und die Dynamik am Immobilienmarkt könnte sich schon bald wieder wenden.
Wiener Immobilienmarkt vor Herausforderungen
"Spätestens nachdem Bloomberg Wien als schwächsten Markt für Wohnimmobilien in Europa identifizierte, wurde die Unruhe entfacht", erzählt Zederbauer. Insbesondere die strengeren Vorschriften für Wohnkredite sowie die starke Konkurrenz auf dem Mietmarkt sollen demnach in der Bundeshauptstadt zu einem Einbruch geführt haben. "Laut der City-Tracker-Analyse sinken in Wien die Preise so schnell wie in keiner anderen europäischen Stadt, die Donaumetropole verzeichnete einen Rückgang im zweistelligen Bereich."Die Immobilienverbände VÖPE und ÖVI stimmen laut Zederbauer der Devise "Wo Rauch ist, ist auch Feuer" jedoch nicht zu: Eine Auswertung von Exploreal zeige nämlich nach wie vor eine positive Dynamik bei Bauträgerprojekten. Von Mai 2022 bis Mai 2023 sind die Angebotspreise für Neubauprojekte sogar angestiegen. "Doch die Meinungsverschiedenheiten der Expertinnen und Experten verunsichern viele bei der Frage, ob Immobilien weiterhin eine krisensichere Anlage sind."
Strengere Richtlinien und Zinserhöhungen beeinflussen Preise und Mieten
"Man muss die aktuelle Situation deutlich von jener 2008 unterscheiden", ist Andreas Zederbauer überzeugt. Denn damals wurden besonders amerikanische Wohnimmobilien überbewertet und -finanziert, bis schließlich die Blase platzte. "In Österreich und Deutschland müssen Käufer jedoch einen gewissen Eigenkapitalanteil bereitstellen können. Insofern werden Immobilien hier nicht so fiktiv hoch bewertet, wie es in den USA der Fall war. Dadurch kommt es nicht so leicht zum Crash." Es könne jedoch durchaus vorkommen, dass die Immobilienpreise - im Gegensatz zur Vergangenheit - nicht jährlich um fünf bis zehn Prozent ansteigen, wie sich gerade beobachten lasse. Vor allem die Zinsbewegungen seit Juli 2022 führten zu einer Abflachung des Marktes, weil derzeit viele Kaufinteressenten schlichtweg an der Finanzierbarkeit scheitern. "Wenn Banken nun 50 bis 70 Prozent weniger Darlehen ausgeben, spiegelt sich das natürlich am Markt wider", erläutert Zederbauer. Wohnen sei jedoch ein Grundbedürfnis und das Interesse nach einer geeigneten Immobilie ungebrochen. Doch erschweren die strengeren Richtlinien sowie die Zinserhöhung eine Kreditaufnahme, verlagert sich der Trend auf Mieten. "Dieses Problem wird wohl noch längerfristig bestehen bleiben. Wer nicht kaufen kann, der mietet. Das bedingt jedoch, dass jemand anderer die Immobilie zuerst gekauft hat - zu ebendiesen schlechteren Bedingungen. Die teureren Zinsen versucht man dann durch die Mieteinnahmen auszugleichen", erklärt Zederbauer den Grund, warum derzeit die Mieten drastisch in die Höhe schießen. Begrüßenswert sei diese Entwicklung nicht, doch gäbe es neben Miet- und Mietkauflösungen derzeit wenige Alternativen.