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Was über die Todesfahrt von Magdeburg bekannt ist

Nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist die Zahl der Toten auf fünf gestiegen. Dutzende Menschen wurden schwerstverletzt. Saudi-Arabien hat Deutschland saudischen Sicherheitskreisen zufolge vor dem mutmaßlichen Täter der Attacke auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt, Taleb A., gewarnt.

Der Tag danach: Der Weihnachtsmarkt ist gesperrt, Magdeburg trauert.
Der Tag danach: Der Weihnachtsmarkt ist gesperrt, Magdeburg trauert.
Am Tag nach der Attacke sind noch viele Fragen offen.
Am Tag nach der Attacke sind noch viele Fragen offen.
Am Tag nach der Attacke sind noch viele Fragen offen.
Am Tag nach der Attacke sind noch viele Fragen offen.
Um die Opfer wird getrauert.
Um die Opfer wird getrauert.
Einsatzkräfte beim Magdeburger Weihnachtsmarkt
Einsatzkräfte beim Magdeburger Weihnachtsmarkt
Einsatzkräfte beim Magdeburger Weihnachtsmarkt
Einsatzkräfte beim Magdeburger Weihnachtsmarkt
Einsatzkräfte beim Magdeburger Weihnachtsmarkt
Einsatzkräfte beim Magdeburger Weihnachtsmarkt

Nach der Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist die Zahl der Toten auf fünf gestiegen. "Wir haben fünf Menschenleben zu beklagen und über 200 Verletzte, davon viele schwerst und schwer verletzt", sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU).

Die Bilanz sei noch schrecklicher als am Abend zunächst angenommen. Der Ort des Anschlages werde "auf immer mit der Geschichte der Stadt Magdeburg in Verbindung bleiben", erklärte ein sichtlicher erschütterter Haseloff am Ort des Geschehens. Er werde als Gedenkort Eingang in die Stadtgeschichte finden.

Ein Auto war am frühen Freitagabend auf einem Weihnachtsmarkt in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt in die Menschengruppe gerast.

Bei dem noch am Abend festgenommenen Verdächtigen handelt es sich um einen Arzt aus Bernburg, der aus Saudi-Arabien stammt. Der Mann ist als islamkritischer Aktivist bekannt.

Saudi-Arabien warnte Deutschland vor dem Täter

Saudi-Arabien hat Deutschland saudischen Sicherheitskreisen zufolge vor dem mutmaßlichen Täter der Attacke auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt, Taleb A., gewarnt. Das Königreich habe seine Auslieferung beantragt, darauf habe Deutschland nicht reagiert, hieß es. Der Mann stammt demnach aus der Stadt Al-Hofuf im Osten Saudi-Arabiens. Er sei Schiit gewesen. Nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung in dem mehrheitlich sunnitischen Land sind schiitisch. Es gibt immer wieder Berichte über Diskriminierungen gegenüber Schiiten im Land.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in Berlin hatte es vor rund einem Jahr eine Art Warnhinweis zu dem Mann an die deutschen Behörden gegeben.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser verwies bei einem Statement in Magdeburg darauf, dass derzeit Ermittlungen liefen. Details nannte sie nicht. Was es möglicherweise an Warnungen gegeben habe oder nicht, obliege den Ermittlungsbehörden, betonte die SPD-Politikerin.

Tatverdächtiger: In Deutschland lebender Arzt aus Saudi-Arabien

Der mutmaßliche Täter, der festgenommen wurde, ist ein seit 2006 in Deutschland lebender Arzt aus Saudi-Arabien. Die Motive des Tatverdächtigen waren zunächst noch unklar. "Wir kennen noch keine Hintergründe zur Tat, wir ziehen alles in Betracht", sagte eine Sprecherin der Polizei auf Nachfrage der Deutschen Presseagentur (dpa).

Die Ermittlungsbehörden gehen laut Polizei weiterhin von einem Einzeltäter aus. Hinweise, wonach ein zweites, möglicherweise tatrelevantes Auto in der Innenstadt gesichtet wurde, hätten sich nicht bestätigt, teilte die Polizei auf X mit. "Aktuell haben wir keine Hinweise auf Mittäter", sagte eine Sprecherin. Es würden unter anderem Durchsuchungen durchgeführt, in Bernburg laufe eine Durchsuchung. Der Tatverdächtige wurde offiziellen Angaben aus der Nacht nach verhört.

Der 50-Jährige aus Saudi-Arabien war am Tatort von Einsatzkräften gestellt und festgenommen worden.

Am Tag nach der Attacke sind noch viele Fragen offen.
Am Tag nach der Attacke sind noch viele Fragen offen.

Mann aus Saudi-Arabien ist als islamkritischer Aktivist bekannt

Mehrere Medien benannten den Mann als Taleb A. und berichteten, er sei Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Laut Recherchen des "Spiegel" war er in Deutschland zunächst Aktivist für Flüchtlinge, dürfte aber mittlerweile abgedriftet sein. In sozialen Medien und Interviews erhob er zuletzt teils wirr formulierte Vorwürfe gegen deutsche Behörden. Er hielt ihnen unter anderem vor, nicht genügend gegen Islamismus zu unternehmen. Nachdem er vor Jahren mit seiner Unterstützung für saudische Frauen, die aus ihrem Heimatland fliehen, an die Öffentlichkeit gegangen war, schrieb er später auf seiner Website in englischer und arabischer Sprache: "Mein Rat: Bittet nicht um Asyl in Deutschland."

Zuletzt habe der 2016 als Flüchtling anerkannte Mann auf seinem X-Account offen mit der AfD sympathisiert - und in einem vor acht Tagen auf einem islamfeindlichen US-Blog erschienenen Videointerview krude Thesen verbreitet über eine "verdeckte Geheimoperation" des deutschen Staates, um weltweit saudische Ex-Muslime "zu jagen und ihr Leben zu zerstören", während gleichzeitig syrische Dschihadisten Asyl erhielten.

Der Täter raste laut Haseloff mit einem Leihwagen in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt.
Der Täter raste laut Haseloff mit einem Leihwagen in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt.

Scholz nennt Attacke "wahnsinnige Tat"

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die tödliche Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg mit fünf Toten und rund 200 Verletzten als "furchtbare, wahnsinnige Tat" bezeichnet. Es gebe keinen friedlicheren und fröhlicheren Ort als einen Weihnachtsmarkt, sagte Scholz am Tatort in Magdeburg. "Was für eine furchtbare Tat ist das, dort mit solcher Brutalität so viele Menschen zu verletzen und zu töten." Gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Bundesjustizminister Volker Wissing (parteilos), Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) kam Scholz zunächst mit dem Kabinett in der Staatskanzlei zusammen. Gemeinsam mit Ministerpräsident Reiner Haseloff besuchten sie anschließend den Tatort in der Magdeburger Innenstadt.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich am Samstag am Tatort.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich am Samstag am Tatort.

Oberbürgermeisterin unter Tränen

Am Abend ist eine Gedenkfeier für die Opfer im Magdeburger Dom geplant. Man wolle Betroffenen, Angehörigen und allen anderen Bürgern eine Möglichkeit zum Trauern geben, erklärte Oberbürgermeisterin Simone Borris am Abend unter Tränen vor Journalisten. "Wir werden eine lange Zeit zum Trauern brauchen", sagte sie sichtlich fassungslos. "Wir werden das alles umfassend aufarbeiten."

Stadtsprecher Michael Reif sagte, es sei "ein Anschlag" gewesen. Die Stadt Magdeburg lässt in den kommenden Tagen alle Kultureinrichtungen geschlossen, Theater, Puppentheater und auch andere Spielstätten.

Internationales Entsetzen und Mitgefühl

NATO-Generalsekretär Mark Rutte drückte - wie er berichtete - dem deutschen Kanzler sein Mitgefühl aus. "Meine Gedanken sind bei den Opfern und deren Familien", schrieb Rutte auf der Plattform X. "Die NATO steht an der Seite Deutschlands." EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verurteilte die Attacke. "Meine Gedanken sind heute bei den Opfern der brutalen und feigen Tat in Magdeburg", schrieb sie auf X. Ihr Beileid gelte den Angehörigen und Freunden, ihr Dank der Polizei und den Rettungskräften. "Diese Gewalttat muss aufgeklärt und hart geahndet werden." Die Vereinten Nationen zeigten sich bestürzt und sprachen den Familien der Opfer, der Regierung und den Menschen in Deutschland Beileid aus.

Mehrere ausländische Regierungen verurteilten die tödliche Attacke - darunter auch Saudi-Arabien. "Das Königreich bringt seine Solidarität mit dem deutschen Volk und den Familien der Opfer zum Ausdruck", schrieb das Außenministerium in einer Mitteilung auf X, ohne den Verdächtigen, der aus Saudi-Arabien stammt, zu erwähnen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zeigte sich auf X "zutiefst schockiert" angesichts des "Horrors, der an diesem Abend den Weihnachtsmarkt in Magdeburg" getroffen habe. Frankreich teile "den Schmerz des deutschen Volkes und bringt seine volle Solidarität zum Ausdruck". Auch die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der spanische Regierungschef Pedro Sánchez zeigen sich in dem Online-Dienst entsetzt.

Der Weihnachtsmarkt bleibt geschlossen.
Der Weihnachtsmarkt bleibt geschlossen.

Die USA versicherten ihre Solidarität und zeigten sich bereit, Unterstützung zu leisten für einen seiner engsten Partner und stärksten Verbündeten, wie Außenministeriums-Sprecher Matthew Miller sagte.

Der Milliardär und Berater des kommenden US-Präsidenten Donald Trump, Elon Musk, griff indes den deutschen Kanzler frontal an. "Scholz sollte sofort zurücktreten", schrieb der Chef des Autobauers Tesla auf seiner Plattform X in Reaktion auf den Anschlag in Magdeburg. Zudem nannte Musk Scholz "incompetent fool", was so viel wie "unfähiger Idiot" bedeutet. Der designierte US-Vizepräsident J.D. Vance zeigte sich hingegen auf X betroffen: "Was für eine entsetzliche Attacke so kurz vor Weihnachten."

Österreichs Politik schockiert

"Die Nachrichten aus Magdeburg sind erschütternd und machen uns fassungslos. Unsere Gedanken sind in diesen schwersten Stunden bei den Opfern, ihren Familien und den Rettungskräften", schrieb Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf X. "Wir stehen eng an der Seite unserer deutschen Freunde!", versicherte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP).

Angesichts dieses dramatischen Ereignisses erfolgt "selbstverständlich eine aktuelle Lagebeurteilung auch in Österreich", teilte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) mit. Zudem seien die Sicherheitsmaßnahmen für Weihnachtsmärkte bereits vor mehreren Wochen erhöht worden, seither seien sowohl Spezialkräfte als auch Zivilermittler im Einsatz. Der Verfassungsschutz stehe im engen Austausch mit zahlreichen europäischen Sicherheitsbehörden, um permanent die Lage beurteilen zu können.

Acht Jahre nach Berliner Anschlag

Fast auf den Tag genau vor acht Jahren, am 19. Dezember 2016, war in Berlin ein islamistischer Terrorist mit einem entführten Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gerast. Dabei wurden 12 Menschen getötet, das 13. Opfer starb 2021 an den Folgen. Mehr als 70 Menschen wurden verletzt. Der Attentäter floh nach Italien, wo er von der Polizei erschossen wurde.

Auch in anderen Städten mit Weihnachtsmärkten ist die Polizei nun besonders achtsam. In Stuttgart sagte ein Polizeisprecher, die Polizeikräfte seien vor Ort sensibilisiert worden. In Berlin sagte ein Sprecher, man habe die Beamten aufgerufen, ein erhöhtes Augenmerk auf Weihnachtsmärkte zu richten.