Auf seinen vier Stelzen ist "Byte" flott unterwegs. "Doch wenn wir den autonomen Roboter jetzt auf ein Feuer zulaufen lassen, würde er einfach durchlaufen und zerstört werden", sagt Sören Pirk. Der Informatiker leitet das Forschungsprojekt "Wildfire Twins" an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel. Mit EU-Fördermitteln in Höhe von zwei Millionen Euro will er Maschinen beibringen, sich in einigen Jahren mit Hilfe Künstlicher Intelligenz autonom durch Waldbrände zu bewegen und Feuer zu löschen.
Ein Einsatz bei einem der aktuellen Waldbrände in Südeuropa kommt für den Roboter aber viel zu früh. Die Informatiker betreiben derzeit Grundlagenforschung. Auf den ersten Blick erinnern die Simulationsbilder auf Pirks Bildschirm noch eher an Videospiele.
In der Software lassen die Forscher Bäume, Unterholz oder ganze Wälder verbrennen. "Wir müssen in unserer Simulation Daten erzeugen, die aussehen, als ob sie aus einem echten Waldbrandszenario stammen", sagt Pirk.
Videokameras allein helfen dem Team nicht weiter. Denn Bilder liefern der Maschine zu wenig Informationen über das Feuer. "Derzeit weiß der Roboter noch nicht, was er bei Erfassen von Flammen konkret zu tun hat", sagt Pirk. "Er hat keine Lösungsschablone. Er weiß nicht, ob er die Flamme vor ihm direkt löschen oder welchen Abstand er einhalten muss."
Die Forscher möchten der KI mit einer virtuellen Trainingsumgebung beibringen, sichere Wege durch wirklichkeitsgetreue Feuer-Szenarien zu finden. "Einen Wald kann ich grundsätzlich leicht von einem Satellitenbild konstruieren, schlechter sieht es dagegen beim Unterholz aus", sagt Pirk. Satellitenbilder lieferten keine Informationen darüber, ob sich das Feuer beispielsweise brechen lasse. Das sei aber relevant für ein plausibles Waldmodell. "Deshalb arbeiten wir an mathematischen Modellen und bauen ähnlich wie in einem Computerspiel 3D-Modelle von einzelnen Bäumen, dem Unterholz und Gräsern."
Aktuell arbeiten neben Pirk vier junge Wissenschafter an dem Projekt. Der etwa 100.000 Euro teure und 25 Kilogramm schwere Trainingsroboter "Byte" soll Feuerwehrleuten später detaillierte Informationen der Brandszenarien liefern. Für die Trainingssimulation ist eine große Zahl fotorealistischer Bilder von Waldbrand-Situationen nötig. Mit ihnen soll die KI lernen.
Auch praktische Experimente sind nötig. An Schleswig-Holsteins Landesfeuerwehrschule in Harrislee bei Flensburg sammelt "Byte" Daten zu Feuern mit unterschiedlichen Intensitäten. Der Einsatz der Technik sei im ausgereiften Zustand beispielsweise bei Vegetationsbränden denkbar, sagt Gruppenführer René Heyse: "Die ereilen uns ja immer mehr."
Heise demonstriert in einem Feuercontainer, wie sich Rauch bei einem Brand entzünden kann. "Wir versuchen mit dem Roboter erst einmal, das Feuer zu verstehen", sagt Pirk. Die KI müsse lernen, die Flammen zu interpretieren.
Brandexperte Heyse erhofft sich von der Technik Hilfe bei der Erkundung von Feuern. "Woher kommt das Feuer, in welche Richtung breitet es sich aus und sind dort Personen?" Möglicherweise könne KI bereits erste Maßnahmen empfehlen, weil sie errechnet hat, wie sich der Brand entwickelt. Eine KI-gestützte Plattform könne zudem ein guter Helfer sein, um Einsatzkräfte nicht zu gefährden.
Pirk kann sich langfristig auch Systeme vorstellen, die eigenständig gegen Feuer angehen können, wie sie derzeit etwa im Süden Europas wüten. In Spanien haben Brände in den vergangenen beiden Wochen rund 1150 Quadratkilometern zerstört, das ist mehr als eineinhalb Mal die Fläche des Bundeslandes Salzburg. Portugal hat aufgrund schwerer Brände um EU-Hilfe angesucht. In der Türkei mussten am Sonntag fünf Dörfer wegen eines Waldbrandes auf der Halbinsel Gelibolu evakuiert werden.