299 EU-Parlamentarier stimmten in erster Lesung gegen den Text, 207 stimmten dafür und 121 enthielten sich. Die Abgeordneten waren auch gegen eine von Wiener geforderte Zurückweisung in den zuständigen Ausschuss. Somit ist nun der Rat - also die EU-Mitgliedstaaten - am Zug, einen Gesetzesvorschlag auszuarbeiten, über den dann wiederum in zweiter Lesung im Parlament abgestimmt werden kann. Vor der finalen Abstimmung wurde noch über einen Reigen an Abänderungsanträgen abgestimmt.
"Da ist viel drin, wo ich mir denke: So geht es nicht", so Sarah Wiener bei der Pressekonferenz nach der Abstimmung. Der gesamte Entwurf sei vernichtet worden. Sie sprach von einer "herben Enttäuschung nicht nur für mich als Berichterstatterin, aber noch mehr für die Umwelt, die Ziele der Biodiversität und die Gesundheit unserer Kinder und Kindeskinder." Bei den vielen Änderungsanträgen sei "am Ende leider eine völlige Sinnlosigkeit von Reduktionszielen herausgekommen".
Als Beispiele nannte sie die Streichung des Schutzes von sensiblen Gebieten um Kindergärten, Schulen oder Altenheime "weil wer braucht das schon", so Wiener. Auch die in ihrem Entwurf vorgesehene finanziellen Kompensationen für Landwirte seien durch die Änderungsanträge gefallen. Die EVP wollte laut Wiener "Schwermetallsalze zu biologischen Pestiziden zählen". Biologische Pflanzenschutzmittel und weniger riskante Pestizide wären ursprünglich erlaubt gewesen. Selbst die Grünen hätten dann gegen den "amputierten Entwurf" gestimmt, wollten diesen aber an den zuständigen Parlamentsausschuss zurückweisen.
Enttäuscht zeigten sich in ersten Reaktionen auch die Umweltorganisationen Global 2000 und Greenpeace. "Anstatt Tiere wie Wildbienen und Vögel sowie unsere Gesundheit zu schützen, landen weiterhin giftige Pestizide auf unseren Feldern und Tellern", sagte Melanie Ebner, Landwirtschaftssprecherin von Greenpeace Österreich. Global 2000 spricht von einem "Desaster für Umwelt, Demokratie und Ernährungssicherheit".
Welche Abgeordnete wie abgestimmt haben, war zunächst noch nicht klar einsehbar. Der ÖVP-Europamandatar Alexander Bernhuber zeigte sich aber nach der Abstimmung zufrieden, dass der ursprüngliche Parlamentsentwurf zur SUR (also ohne Abänderungsanträge) nicht durchgegangen ist. "Es ist bedauerlich, dass wir uns bis zum Schluss für realistische und praktikable Lösungen für nachhaltige Pflanzenschutzreduktion eingesetzt haben, dies aber keine Mehrheit gefunden hat", sagt Bernhuber in einer Aussendung.
Kritik an den vielen Abänderungsanträgen kam nach der Abstimmung von der SPÖ. "Eine Koalition aus Konservativen, Rechten und Liberalen hatte zuvor den eigentlich tragfähigen Kompromiss durchlöchert und schlussendlich sogar die Rückverweisung an den Ausschuss verhindert", kritisiert SPÖ-EU-Abgeordneter Günther Sidl. "Das ist ein Kniefall vor den Interessen der großen Agrar- und Chemiekonzerne und lässt tief blicken, für wen die EVP (Europäische Volkspartei, Anm.) eigentlich Politik macht."
Der FPÖ-EU-Abgeordnete Roman Haider befürwortet zwar grundsätzlich das Ziel, den Pestizid-Einsatz zu reduzieren. Er befürchtete im Vorfeld aber, dass die vorgelegte Verordnung zu einer Verringerung der landwirtschaftlichen Produktion führen werde. "Durch den Rückgang der Produktion werden wir immer abhängiger von Importen", sagte Haider einen Tag vor der Abstimmung vor Journalisten in Straßburg. Zudem befürchte er, dass es vermehrt zum Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen kommt, die weniger anfällig für Schädlingsbefall sind.