Norbert Heiland, der Vorsitzende der Bergwacht Bayern ist bei der Pressekonferenz am Donnerstag sichtlich gerührt. Johann Westhauser sei "wohlbehalten in der Klinik eingetroffen", sagt Heiland. Die Rettung war also erfolgreich. Eindrücke von der gesamten Rettung aus der Höhle finden Sie hier...
Der verletzte Höhlenforscher Johann Westhauser wird nun in der Unfallklinik Murnau behandelt. Dort soll es am Freitag weitere Informationen geben, wie die Bergwacht am Donnerstag in Berchtesgaden mitteilte. Westhauser hatte die Strapazen seiner langen Rettung aus den Tiefen der Berchtesgadener Alpen relativ gut überstanden.
Höhlenforscher scherzte sogarDer Arzt Nico Petterich berichtete, der Patient sei stabil gewesen, habe sich sogar im Laufe der Zeit weiter stabilisiert. Andernfalls wäre der Transport weit schwieriger geworden. Am Ende wagte Westhauser sogar Scherze. Beim Start des Rettungshubschraubers habe er den Ohrenschutz abgenommen und dem Arzt gesagt: "Könntest du den Piloten bitten, dass er noch zwei Mal über das Stöhrhaus fliegt?" Das ist die nächstgelegene Hütte. Dann habe er noch etwas höher liegen wollen, damit er beim Flug etwas sieht. Er war etwa zwei Wochen in der Höhle.
Bei der Ankunft im Klinikum habe er Petterich den Dank an alle Helfer mitgegeben. "Er hat meine Hand genommen und gesagt, dass er jeden Einzelnen anrufen wird". Offenbar war Westhauser nicht klar, dass mehr als 700 Menschen an seiner Rettung mitgewirkt haben.
Rettung mit größter VorsichtGanz am Schluss gab es noch einmal eine Nervenprobe in der Riesending-Schachthöhle. Stunde um Stunde warteten am Donnerstag oben am Höhleneingang in 1800 Metern Höhe Ärzte und Helfer, unten kämpften sich die Retter mit dem schwer verletzten Forscher Johann Westhauser Meter um Meter in Richtung Tageslicht. Um 11.44 Uhr kam dann die erlösende Nachricht: Westhauser ist gerettet - gut 274 Stunden nach seinem Unfall in der Riesending-Schachthöhle, tief in den Berchtesgadener Alpen.
Schon am späten Mittwochabend oder in der Nacht zum Donnerstag wollte der Trupp am Höhlenausgang ankommen, aber dann musste das Team doch noch eine längere Pause machen. "Nicht vor 7.00 Uhr" lautete in der Nacht die neue Prognose für die Ankunftszeit, am Morgen hieß es dann: "Im Laufe der nächsten Stunden".
Dabei war am Vortag alles viel schneller gegangen als gedacht - in der Einsatzzentrale sah man fast entspannte Gesichter, die Helfer waren zuversichtlich. Von Anfang an hatte die Bergwacht aber auch betont: Eine exakte Vorhersage für den Ablauf der Rettung sei nicht möglich. Der Zustand des Patienten, enge, verwinkelte Stellen, durch die die Helfer die Trage ziehen und schieben mussten - es gab einfach zu viele Unwägbarkeiten. Sehr vorsichtig und möglichst ohne Stöße musste der 52-Jährige nach oben gebracht werden. Wie ein Salzburger Anästhesist die Bergung erlebt hat, lesen Sie hier. Letzte Riesending-Etappe über 180 Meter senkrechte Wand Die Retter seien mit ihrem schwer verletzten Patienten in der letzten Etappe in eine 180 Meter hohe senkrechte Wand eingestiegen. Dort musste der Patient, der seit sechs Tagen in einer Trage liegt, frei schwebend hochgezogen werden. Das ging nur mit Muskelkraft, denn eine Seilwinde mit Motor wäre zu gefährlich: Der Patient muss vor Erschütterungen bewahrt werden - die Aktion braucht Fingerspitzengefühl. Retter sollten sich als Gegengewichte herunterlassen, Pendelzug nennt die Bergwacht das.
Westhausers Kopf war beim Transport geschützt, Bilder aus der Höhle zeigten ihn mit einem weißen Helm. Zwar bereiteten Dutzende Helfer den langen Weg nach oben bestens vor: Neue Seile wurden gezogen, Metallstifte als Tritte in den glitschigen Fels gebohrt, zusätzliche Haken gesetzt. Sie hielten Gischt aus Wasserfällen mit Planen ab, räumten loses Geröll weg. Aber Steinschlag ist nie ausgeschlossen.
Schon für einen gesunden, trainierten Höhlenkletterer ist der Weg schwierig. Videoaufnahmen aus der Höhle zeigten, wie die Trage zwischen Felsen aus einem engen Spalt auftauchte. Dann wieder wurde sie frei schwebend an Seilen über einen dunklen Abgrund gezogen. Der Einsatz ist wegen der widrigen Verhältnisse in der Höhle sehr komplex.Internationales Rettungsteam vor Ort Rund 15 Helfer und mindestens ein Arzt stellten den Bergungstrupp um Westhauser. Sie bedienten ein für den Laien unübersichtliches Gewirr unter anderem aus Seilen und Karabinern. Italienische, deutsche und englische Befehle schallten durch die Höhle. Obwohl unterschiedliche Nationalitäten zusammenarbeiteten, klappte die Arbeit, als hätten die Retter eine solche Aktion schon lange vorher eingeübt. Viele kennen sich - der Kreis extremer Höhlenkletterer und -forscher ist klein.
Es war eine beispiellose Hilfsaktion. "Vergessen Sie alles, was Sie bei Rettungseinsätzen je erlebt haben", hatte der Höhlenretter Norbert Rosenberger schon zu Beginn gesagt. Binnen kürzester Zeit, teils schon einen Tag nach dem Unglück, reisten Teams aus verschiedenen Ländern an: Deutsche und Österreicher, dann Schweizer und Italiener. Am Schluss stießen Retter aus Kroatien dazu. Europaweit gibt es nur wenige Höhlenretter, die dieser Höhle gewachsen sind. Ein Land alleine hätte gar nicht genügend Einsatzkräfte gehabt. Viele Helfer nahmen Urlaub oder ließen sich von ihren Arbeitgebern freistellen - viele arbeiteten ehrenamtlich.
Einige spezialisierte Ärzte aus mehreren Ländern reisten an. Bis ein Mediziner zu dem Verletzten vordringen konnte, vergingen vier Tage. Aber erst Medikamente machten den Transport möglich - denn bei einem solchen Unfall droht unter anderem eine Hirnschwellung.
Höhle soll verschlossen werdenAus Sorge vor einem gefährlichen Tourismus Neugieriger nach der Rettungsaktion an der Riesending-Höhle bei Berchtesgaden will Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) deren Eingang verschließen lassen. "Technisch ist es einfach und rechtlich halte ich es angesichts der extremen Gefahren, die damit verbunden sind, für geboten", sagte Herrmann am Donnerstag in Berchtesgaden.
Er fürchte, dass mancher, nicht nur in Deutschland, sondern europaweit auf die Idee komme: "Das muss ich mir jetzt anschauen, was da los war. Das führt dazu, dass Leute in die Höhle einsteigen, die überhaupt nicht die Fähigkeit haben. Dem vorzubeugen halte ich für absolut notwendig."
Der Minister dankte den Rettern und lobte die "vorbildliche internationale Solidarität", die die Rettung des Höhlenforschers Johann Westhauser möglich gemacht hatte.