Schließlich sollte der neu geschaffene Posten nicht mit einem allzu charismatischen Politiker besetzt werden, der den Glanz der Scheinwerfer von den Regierungslenkern ablenkte. Da schien der belgische Kollege, dem der britische Anti-Europa-Populist Nigel Farage uncharmant einst "das Charisma eines feuchten Putzlappens" bescheinigte, die richtige Wahl, auf die sich alle einigen konnten. Am Montag wird Van Rompuy nun nach zwei gelobten Funktionsperioden sein Amt in einem offiziellen Akt an den Polen Donald Tusk übergeben.Belgischer KurzzeitpremierSchließlich hat der als belgischer Kurzzeitpremier im Schmieden von Kompromissen und Bündnissen geübte Politiker aus den knappen Zeilen des Lissabon-Vertrags über das Amt des EU-Ratspräsidenten das Maximum herausgeholt. So berief Van Rompuy während der Eurokrise fast monatlich Gipfel ein und schaffte es, in Personalunion auch das im Zuge der zahllosen Krisensitzungen der Euroländer neu geschaffene Amt als Präsident der Euro-Gipfel zu übernehmen. Auch bestritt der Ratspräsident verlässlich G-20-Treffen neben dem jüngst bereits aus dem Amt geschiedenen EU-Kommissionspräsidenten Jose Manuel Barroso.
Als Meister des Austarierens von Interessen und des geräuschlosen Schlichtens von Konflikten erwarb sich Herman Achille Van Rompuy eine Achtung, welche die Personalauswahl von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy 2009 zu bestätigen schien. In Belgien selbst hatte sich der am 31. Oktober 1947 in Brüssel geborene Van Rompuy, der in Löwen (Leuven/Louvain) nicht nur Philosophie, sondern auch Betriebswirtschaftslehre studierte, diese Fama damals bereits erworben. So hatte er 2008 in seiner Heimat den Posten des Regierungschefs von seinem glücklosen Vorgänger Yves Leterme übernommen und in seiner kurzen Amtszeit das Land am Höhepunkt des Konflikts zwischen Flamen und Wallonen wieder in ruhigere Fahrwasser geführt.Van Rompuy dichtet und schreibt BücherDie kontemplative Ruhe zur Vermittlung bezieht Van Rompuy nicht zuletzt aus seiner schöngeistigen Ader. So dichtet er japanische Haikus, wobei diese Kurzgedichte in strenger Form, die er auch in Buchform veröffentlicht hat, so gar nicht von der Politik handeln - wie etwa seine Ode an die Stadt Matsuyama: "How these short stanzas/Can make a city greater/Haiku capital".
Darüber hinaus gilt der Ästhet im Gewande eines Sparkassenfilialleiters als Experte in Fragen des Christentums, als Kenner der großen asiatischen Weisheitslehren und als großer Freund von Thomas von Aquin - alles Interessensgebiete, denen er sich als Politpensionist künftig wieder verstärkt wird widmen können. Eine vermutlich aus der Haiku-Schule perfektionierte Kunst wird Van Rompuy allerdings weniger beachtet pflegen müssen: Sein bevorzugter Weg, Entscheidungen bei Gipfeln in wenigen Silben auf dem Internetportal "Twitter" zu verkünden, dürfte ab Montag nicht mehr gefragt sein.