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Lage bei der Flutkatastrophe in Libyen weiter dramatisch

Bei der Flutkatastrophe in der libyschen Küstenstadt Derna sind nach einem neuen UNO-Bericht mindestens 11.300 Menschen ums Leben gekommen. Aus Österreich gibt es nun erste Hilfslieferungen. Doch die nächste Katastrophe droht.

Suche nach Überlebenden in Derna
Suche nach Überlebenden in Derna
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Suche nach Überlebenden in Derna
Suche nach Überlebenden in Derna

Das UNO-Nothilfebüro berief sich bei diesen Zahlenangaben auf Informationen des libyschen Roten Halbmonds. Den Einsatzkräften und Helfern in dem Bürgerkriegsland bereitet nicht nur die mögliche Ausbreitung von Krankheiten wie Cholera große Sorge, sondern auch Landminen und Blindgänger. Unterdessen trafen weitere Hilfsgüter ein. Mindestens 35.000 Menschen haben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO in Darna ihre Unterkünfte verloren.

Laut WHO sind bisher etwa 4.000 Todesopfer identifiziert. Der Sturm "Daniel" hatte das nordafrikanische Land am vergangenen Sonntag erfasst. Nahe der besonders betroffenen Stadt Darna brachen zwei Dämme, ganze Stadtviertel wurden ins Meer gespült. Bis zur Katastrophe hatten in der Hafenstadt rund 100.000 Menschen gelebt. Der libysche Staatsanwalt Al-Sedik al-Sur kündigte an, er werde die Verantwortlichen für die Katastrophe vor Gericht stellen. Es sei eine Untersuchung eingeleitet worden, um die Ursachen für den Zusammenbruch der Dämme herauszufinden und "die Täter zu verfolgen".

Libyen ist faktisch zweigeteilt. An der Spitze der Regierung im Osten, wo der Sturm "Daniel" besonders großen Schaden angerichtet hat, sitzt Ministerpräsident Osama Hammad. Seine Regierung bezifferte die Zahl der offiziell registrierten Todesfälle mit Stand Samstagabend auf 3.252. Staatsanwalt al-Sur sagte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Regierungschef Osama Hammad, dass sich die Ermittlungen auf die für die Instandhaltung der Dämme bereitgestellten Gelder konzentrieren würden. Berichten nach habe es Risse gegeben, die eine Wartung erforderlich gemacht hätten, hieß es.

Das UNO-Nothilfebüro erwartet, dass die Opferzahlen noch weiter steigen, da die Such- und Rettungskräfte noch immer nach Überlebenden suchten. Es gibt Sorgen vor möglichen gesundheitlichen Auswirkungen für die Bevölkerung der Stadt. Bis Samstag wurden etwa 150 Durchfallerkrankungen gemeldet. Grund sei verschmutztes Trinkwasser, so der Leiter des Zentrums für Krankheitsbekämpfung, Haidar al-Sajih.

Mit den Tausenden von Vertriebenen, die jetzt unterwegs seien, steige auch das Risiko, mit Landminen und explosiven Kampfmitteln in Berührung zu kommen, die von den jahrelangen Konflikten im Land übrig geblieben sind, erklärte das UNO-Nothilfebüro. Die gewaltigen Fluten hätten unter anderem Landminen in andere Gebiete gespült, hieß es unter Berufung auf das Internationale Komitee vom Roten Kreuz.

Unterdessen stellte das österreichische Innenministerium in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz, dem Arbeiter-Samariterbund und der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH) ein Hilfspaket im Wert von etwa 100.000 Euro für die Katastrophenhilfe bereit. "Diese Lieferung ist ein Zeichen der Solidarität Österreichs und der konkreten Hilfe für die so schwer von den Unwettern getroffenen Menschen in Libyen", betonte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP).

Insgesamt sollen 100 Familienzelte, 800 Feldbetten, 2.400 Decken und 2.112 Hygienepakete, von denen eines den Monatsbedarf einer fünfköpfigen Familie deckt, geliefert werden. Die über den EU-Zivilschutzmechanismus angebotenen Hilfsgüter seien von den libyschen Behörden bereits angenommen worden, so das Innenministerium. Die Lieferung in die betroffenen Gebiete werde von Österreich bis Ende der kommenden Woche vorbereitet.

Kein sauberes Trinkwasser

"Wir bitten die Menschen dringend, sich den Brunnen in Darna nicht zu nähern", wurde Gesundheitsminister Ibrahim Al-Arabi zitiert. Das Bürgerkriegsland ist faktisch gespalten, neben der Regierung in Tripolis gibt es eine zweite im Osten des Landes. Die beiden Lager sind verfeindet und geben teils widersprüchliche Informationen zur Katastrophenlage in dem nordafrikanischen Staat heraus.


Vorrang bei den Hilfseinsätzen in Libyen hätten jetzt "Unterkünfte, Nahrung und wichtige medizinische Grundversorgung wegen der Sorge vor Cholera und der Sorge um den Mangel an sauberem Wasser", sagte UNO-Nothilfekoordinator Martin Griffiths in Genf. Im Fokus stand dabei vor allem die östliche Küstenstadt Darna. "Wir versuchen, eine zweite Katastrophe dort zu vermeiden. Es ist von entscheidender Bedeutung, eine Gesundheitskrise zu verhindern, Unterkünfte, sauberes Wasser und Nahrungsmittel bereitzustellen", sagte Jens Laerke, ein Sprecher des Büros der Vereinten Nationen für humanitäre Hilfe, dem Sender BBC.

Laut dem Leiter des Nationalen Zentrums für Krankheitsbekämpfung, Haider al-Sajih, hat sich Darna Trinkwasser mit Abwasser vermischt. 55 Kinder seien erkrankt. Sie stammten aus Familien, die durch die Fluten vertrieben wurden, sagte der Beamte der Nachrichtenseite "Al-Wasat" am Freitag.