Der Tatverdächtige habe bei seiner Festnahme am Montag ein handgeschriebenes "Manifest" bei sich getragen, so Kenny. "Aber er erwähnte, dass es der fünftgrößte Konzern in Amerika ist, was ihn wiederum zum größten Gesundheitsversorger in Amerika macht. Wahrscheinlich hat er das Unternehmen deshalb ausgesucht."
Thompson war am 4. Dezember nahe dem belebten Times Square in Manhattan aus nächster Nähe niedergeschossen worden und in einem Krankenhaus an seinen Verletzungen gestorben. Die von Überwachungskameras gefilmte Tat und die öffentliche Fahndung nach dem flüchtigen Schützen machten weltweit Schlagzeilen. Fünf Tage nach den tödlichen Schüssen fiel Luigi M. im Lokal einer Fast-Food-Kette im US-Bundesstaat Pennsylvania auf und wurde festgenommen. Nur Stunden nach der Verhaftung wurde der 26-Jährige in Manhattan unter anderem wegen Mordes angeklagt.
Polizei: Luigi M. sieht sich selbst als Held
Nach Einschätzung der Polizei sieht sich der Absolvent einer Eliteuni und Sohn einer wohlhabenden Familie, der im Internet trotz der kaltblütigen Tat von einigen schnell zum "Rächer" und modernen "Robin Hood" stilisiert wurde, als Held. "Er schien die gezielte Tötung des höchsten Unternehmensvertreters als symbolischen Schlag und direkte Aktion gegen die angebliche Korruption und die "Machtspiele" des Unternehmens zu betrachten", zitierten US-Medien aus einem Bericht der New Yorker Polizei. Luigi M. sehe sich als eine Art Märtyrer, der beschlossen habe, endlich gegen solche Ungerechtigkeiten vorzugehen.
Tatsächlich vermengte sich das Entsetzen über die Tat im Netz schnell mit der geballten Wut vieler Menschen auf das amerikanische Gesundheitssystem und die Versicherungsbranche in den USA. Beide sind stark privatwirtschaftlich organisiert: Angebot und Nachfrage spielen eine zentrale Rolle, Krankenhäuser und Versicherungen sind größtenteils nicht in öffentlicher Hand.
Horrende Medikamentenpreise, Arzthonorare und Verwaltungskosten werden von vielen als ungerecht empfunden. Besonders Geringverdiener und Arbeitslose bekommen oft nicht die Hilfe, die sie brauchen. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup zufolge sind 81 Prozent der Befragten in den USA unzufrieden mit den Kosten der medizinischen Versorgung.
United-Healthcare-Chef kritisiert US-Gesundheitssystem
Der Vorstandschef von United Healthcare hat indes den Mord scharf verurteilt und das US-Gesundheitssystem als "mangelhaft" bezeichnet. "Niemand würde ein System wie das, das wir haben, entwerfen. Und niemand hat es getan. Es ist ein Flickenteppich, der über Jahrzehnte hinweg aufgebaut wurde", schrieb Andrew Witty in einem am Freitag veröffentlichten Meinungsbeitrag in der New York Times.
Der Angriff auf Thompson hat laut Witty eine Welle von Drohungen gegen Beschäftigte der Branche ausgelöst. "Wir haben Mühe, uns einen Reim auf diese skrupellose Tat und die Hetze gegen unsere Kollegen zu machen, die mit Drohungen überhäuft wurden." Witty räumte ein, dass viele Patienten frustriert über die US-Gesundheitsversorgung seien. Jüngste Daten zeigen, dass immer mehr Menschen mit abgelehnten Versicherungsansprüchen, steigenden Prämien und unerwarteten Behandlungskosten konfrontiert sind. "Gemeinsam mit Arbeitgebern, Regierungen und anderen, die für die Versorgung zahlen, müssen wir besser erklären, was die Versicherung abdeckt und wie Entscheidungen getroffen werden."

