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Sexuelle Gewalt im Iran: Fall um TV-Star schlägt Wellen

Dass eine junge Frau im Iran dem prominenten Schauspieler und Ex-Fußballer Pejman Dschamschidi einen sexuellen Übergriff vorwirft, sorgt für Aufsehen – und Widerstand.

Im Iran gehen Frauen teilweise sehr unterschiedlich mit den strikten Vorschriften des Mullah-Regimes um.
Im Iran gehen Frauen teilweise sehr unterschiedlich mit den strikten Vorschriften des Mullah-Regimes um.
Im Iran gehen Frauen teilweise sehr unterschiedlich mit den strikten Vorschriften des Mullah-Regimes um.
Im Iran gehen Frauen teilweise sehr unterschiedlich mit den strikten Vorschriften des Mullah-Regimes um.

Wer im Iran sexuelle Gewalt anprangert, muss mit Gegenwind rechnen. Vielleicht entschied sich auch deshalb eine junge Frau für eine anonyme Anzeige, in der sie Pejman Dschamschidi, einen der erfolgreichsten Schauspieler des Landes, sexueller Übergriffe beschuldigt. Doch statt Empathie für das mutmaßliche Opfer zeigen viele Solidarität mit dem Prominenten. Von Rufmord ist die Rede, von Neid, von Verschwörung. Unter der Oberfläche aber brodelt es.

Seit zwei Wochen dominiert der Fall die Schlagzeilen, nachdem der TV-Star vorübergehend festgenommen worden war. Zunächst war offen, welche Resonanz folgen würde – bis die Enthüllungsjournalistin Elaheh Mohammadi ein Interview mit der Klägerin und ihrer Mutter veröffentlichte. Darin berichtet die junge Frau von der mutmaßlichen Vergewaltigung in Dschamschidis Wohnung. Und sie erklärt, man habe ihr viel Geld geboten, sollte sie die Anzeige zurücknehmen. Als Dschamschidi auf Kaution freikommt, verlässt er das Land, offiziell aus familiären Gründen.

In einer emotionalen Stellungnahme wendet sich der 48-Jährige schließlich an die Öffentlichkeit und weist die Vorwürfe entschieden zurück. Er spricht von „schmutziger Verleumdung“, von „Lügen und Erfindungen“, verteidigt seine Ausreise und kündigt an, in den Iran zurückzukehren. Die Kinowelt reagiert gespalten: Hinter vorgehaltener Hand solidarisieren sich Regisseure mit dem TV-Star, der früher auch Fußballprofi war. „Ganz unschuldig ist er nicht“, sagt ein Filmemacher in Teheran. Eine Vergewaltigung könne er sich aber nicht vorstellen.

Irans Gesellschaft seit Jahren im Wandel

Der Fall reiht sich ein in eine globale Debatte, die mit dem Fall Harvey Weinstein im Herbst 2017 begann und seither in vielen Ländern die Strukturen von Macht und Schweigen infrage stellt. Auch im Iran gibt es seit einigen Jahren eine vorsichtige MeToo-Bewegung. Doch der öffentliche Umgang mit sexueller Gewalt ist geprägt von Misstrauen, Tabus und rechtlichen Hürden. Seit den landesweiten Protesten unter dem Slogan „Frau, Leben, Freiheit“ vor drei Jahren aber hat sich etwas verschoben: Frauenrechte werden seitdem offener verhandelt – auch wenn die Reaktionen ambivalent bleiben.

Eine Psychologin aus der Hauptstadt Teheran, die ihren Namen nicht nennen möchte, sieht im Umgang mit dem Fall ein Muster vergangener Debatten. „Der übergriffige Mann wird so dargestellt, als wäre er selbst das wahre Opfer – jemand, der durch Neid und Intrigen seiner Rivalen oder durch weibliche Verführung zu Fall gebracht wurde“, erklärt sie. In der iranischen Gesellschaft sei es vielmehr bei den Frauen so, dass sie einen „Ruf zu verlieren“ hätten. Im Zuge der Frauenbewegung werde aber viel offener über Ungleichheit diskutiert.

Gespanntes Warten auf die Justiz

Nur vereinzelt unterstützen Prominente die Klägerin. Eine von ihnen ist die Schauspielerin Mariam Chodarahmi. „In einer frauenfeindlichen Gesellschaft wird das Sprechen über Schmerz als Verbrechen betrachtet“, schreibt sie in einer Instagram-Story. „Schweigen“, fügt sie hinzu, sei der „einzige sichere Weg“. Auch die staatlichen Stellen setzen Grenzen: Kurz nach Veröffentlichung des Interviews wird die Website der Zeitung „Hammihan“, für die Mohammadi arbeitet, blockiert.

Wann Dschamschidi in den Iran zurückkehrt, ist unbekannt. Inzwischen hat eine weitere Iranerin, die in Frankreich lebt, Vorwürfe gegen den Superstar erhoben. Details zu einem möglichen Prozess gibt es bisher nicht. In Extremfällen sieht das islamische Recht im Iran sogar die Todesstrafe für Vergewaltiger vor – allerdings kann das Opfer dem Beschuldigten im Falle einer Verurteilung auch verzeihen.