SN.AT / Panorama / International

Schmiedleitner: Nach "Walküre" gleich "Die letzten Tage"

Der "Ring des Nibelungen" gilt als die Krönung einer Regiekarriere. Doch wenn Georg Schmiedleitner am Samstag mit der "Walküre"-Premiere das Mittelstück seines Nürnberger "Rings" geschmiedet hat, darf er sich gleich kopfüber in die nächste Mammut-Aufgabe stürzen. Der 1957 geborene Linzer inszeniert statt Matthias Hartmann "Die letzten Tage der Menschheit" bei den Salzburger Festspielen.

Schmiedleitner: Nach "Walküre" gleich "Die letzten Tage"
Schmiedleitner: Nach "Walküre" gleich "Die letzten Tage"

Schmiedleitner sei "ein Regisseur, der sich mit politisch-österreichischem Theater einen Namen gemacht hat", hieß es in den Mitteilungen der Salzburger Festspiele (wo das von Kraus einem "Marstheater" zugedachte Riesen-Werk wie vorgesehen am 29. Juli im Landestheater Premiere haben wird) und des koproduzierenden Burgtheaters. Dort hatte man die am 14. September 2001 über die Bühne gegangene Premiere von Schmiedleitners Inszenierung von Nestroys "Der Zerrissene" (mit Karlheinz Hackl und Birgit Minichmayr) zunächst irrtümlich mit 2005 angegeben - vielleicht symptomatisch, denn obwohl das Burgtheater-Debüt des Regisseurs überaus erfolgreich war, blieb es bisher seine einzige Arbeit an der Burg, wo "Die letzten Tage der Menschheit" nun ab September gezeigt werden sollen. Experimentelle Bühne Georg Schmiedleitner studierte Germanistik, Geschichte und Theaterwissenschaft. 1983 war er in Linz Mitbegründer der experimentelle Bühne "Spielstatt", aus der das "Theater Phönix" hervorging, dessen künstlerischer Leiter er von 1989 bis 1996 war. Seither arbeitet der Turrini- und Horvath-Spezialist als freier Regisseur. Am Rabenhof brachte er 1996 Peter Turrinis "Grillparzer im Pornoladen" mit Otto Schenk und Dolores Schmidinger zur Uraufführung. Er inszenierte u.a. am Theater der Jugend, am Deutschen Nationaltheater Weimar, am Stadttheater Klagenfurt, am Schauspielhaus Graz, am Landestheater Linz und am Schauspielhaus Bochum ("Der Kaufmann von Venedig).

Mit dem Volkstheater Wien verbinden ihn nicht nur zahlreiche Regien (zuletzt zum Saisonauftakt eine Adaption des Hans-Fallada-Romans "Kleiner Mann - was nun?") und zwei Skraup-Preise (2001 für "König Ottokars Glück und Ende" sowie 2008 für "Geschichten aus dem Wiener Wald"), sondern auch viele Emotionen. "Die Arbeit hier war immer sehr erfreulich. Es ist ein Haus, an dem man drauflos arbeiten kann, ein Ort, an dem junge Leute ins Theater gehen", sagte Schmiedleitner einmal im APA-Interview. Er bewarb sich für die Nachfolge von Michael Schottenberg - und wurde erst in der Endrunde von der aus Graz nach Wien wechselnden Intendantin Anna Badora geschlagen. Nestroy-Preis 2005Eine weitere langjährige Arbeitsbeziehung verbindet ihn mit dem Hausruck Theater. Die Inszenierung von Franzobels "Hunt oder Der totale Februar", die ein Stück brisanter Zeitgeschichte als Open-Air-Theater umsetzte, wurde 2005 nicht nur ein großer Publikumserfolg, sondern auch mit dem Nestroy-Preis gekrönt. Der Ansatz, politischen Sprengstoff mit Volkstheater zu verbinden, könnte sich auch bei Karl Kraus' bitterböser Abrechnung mit den Lemuren, Kriegstreibern und Profiteuren des Ersten Weltkriegs bewähren.

In den vergangenen Jahren hatte Schmiedleitner in Nürnberg eine künstlerische Heimat gefunden. Am dortigen Staatstheater feierte er im Jahr 2000 mit "Margaretha di Napoli" einen viel beachteten Einstand. "Das war ein richtiger Coup und wurde heiß diskutiert. Damit wurden hier die Türen für eine heutige Regiesprache geöffnet", erzählte er. Seither inszeniert er in Nürnberg jede Saison ein bis zwei Produktionen, zuletzt etwa "Der Alpenkönig und der Menschenfeind" oder "Glaube Liebe Hoffnung". Zeitgenössische Wagner-Interpretation Auch als Opernregisseur (seinen Einstand gab er 1999 an der Grazer Oper mit "Tod und Teufel" von Gerd Kühr und Peter Turrini) hat Schmiedleitner mit Verdis "Macbeth", Strauss' "Elektra" und Mozarts "Don Giovanni" in Nürnberg so gefallen, dass er mit dem "Ring des Nibelungen" betraut wurde. "Rheingold" erwies sich im vergangenen November als packende, zeitgenössische Wagner-Interpretation, bei der die Rheintöchter im Plastikmüll wateten. Am Mittwochabend war Schmiedleitner vorerst nicht zu erreichen. Kein Wunder: "Wir sind gerade in der Generalprobe zur 'Walküre'", hieß es aus dem Staatstheater Nürnberg gegenüber der APA, "der 2. Aufzug ist gerade durch".

In Nürnberg soll der "Ring" bis Herbst 2015 komplett sein. Daneben will Schmiedleitner vor allem in Leipzig inszenieren, wo er mit dem neuen Schauspieldirektor Enrico Lübbe einen Schiller-Zyklus verabredet hat, der mit "Kabale und Liebe" eröffnet wird. Ausgerechnet mit "Die letzten Tage der Menschheit" schlägt Schmiedleitner nun ein neues Kapitel seiner Karriere auf.