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Vergewaltigung und Folter in Skandalheim in Mexiko

Vergewaltigungen, Prügel, Einzelarrest ohne Nahrung und Wasser: Nach der Razzia in einem Armenheim in Mexiko häufen sich die Berichte über brutale Gewalt in der Einrichtung, in der mehr als 400 Kinder und Jugendliche lebten. Dutzende Eltern meldeten sich bis Mittwoch bei den Behörden, um ihre Kinder aus dem Heim "La Gran Familia" (Die große Familie) zu holen.

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Die Institution in der Stadt Zamora im westlichen Bundesstaat Michoacan existiert seit bereits 40 Jahren und genoss einen guten Ruf als Einrichtung, die Kindern aus armen Verhältnissen eine behütete Umgebung bietet. Am Dienstag durchsuchten dann Polizei und Armee das Heim auf der Suche nach fünf vermissten Kindern. Diese Kinder fanden sie dort auch - sowie weitere rund 600 Menschen, die unter sklavenähnlichen Bedingungen und in miserablen hygienischen Verhältnissen hausten. Die Heimleiterin und acht Mitarbeiter wurden festgenommen.

Minderjährige Bewohner berichteten, sie seien zum Oralverkehr mit Erwachsenen gezwungen worden, wie Chefermittler Tomas Zeron mitteilte. Eine junge Frau sagte demnach, sie sei von einem Angestellten des Heims vergewaltigt worden. Als sie schwanger geworden sei, habe er sie verprügelt, "um eine Fehlgeburt auszulösen".

Nach neuen Angaben waren in dem Heim insgesamt 607 Menschen untergebracht, davon mindestens 438 Minderjährige. Bewohner berichteten aus ihrem Alltag von miserablem Essen, das verfault und voller Kakerlaken war, und von drakonischen Züchtigungen.

Fernando Roman, ein 20-jähriger Musiklehrer, der elf Jahre in dem Heim lebte, sagte Fluchtversuche seien mit einwöchiger Einzelhaft bestraft worden - in einem Badezimmer und ohne Nahrung. Auch Schläge hätten zum Alltag gehört. Zugleich nannte Roman die Vorwürfe gegen Heimleiterin Rosa del Carmen Verduzco "stark übertrieben" und bezeichnete die Strafen als angemessen.

Dutzende Eltern hatten sich am Mittwoch vor dem Heim versammelt, um ihre Kinder zurückzufordern. Die Minderjährigen blieben aber zunächst unter der Aufsicht von Polizisten und Soldaten. Experten begannen mit DNA-Tests bei rund 70 Vätern und Müttern, um zu überprüfen, ob es sich tatsächlich um ihre Kinder handelt.

Lucia Carranza berichtete, sie habe ihren Sohn der Heimleiterin vor zwei Jahren überlassen, da sie mit ihrem Mann auf dem Feld arbeite und sich deswegen nicht um ihr Baby kümmern könne - "dieser Ort wurde mir empfohlen". Andere Eltern beschuldigten die Heimleitung, ihre Kinder entführt zu haben. Bertha Saucedo sagte im Sender Foro TV, ihre am Downsyndrom leidende Tochter sei ihr im Alter von drei Monaten geraubt worden.

Einige Eltern beschrieben die auch als "Mama Rosa" bekannte Heimdirektorin als Furcht einflößende Persönlichkeit mit engen Verbindungen in die Politik, die sie über lange Zeit vor Strafverfolgung geschützt hätten. Tatsächlich bekam "La Gran Familia" häufig hohen Besuch von Gouverneurskandidaten und anderen Regionalpolitikern von Michoacan, einer ländlichen Region, in der sich die Drogenmafia ausgebreitet hat. Generalstaatsanwalt Murillo Karam räumte ein, wegen des guten Rufs der Institution seien die Überprüfungen der dortigen Zustände "weniger gründlich" gewesen.

Die Gründerin des Internats hat nach Medienberichten in der Haft einen Nervenzusammenbruch erlitten. Nach den Berichten vom Donnerstag wurde Rosa del Carmen Verduzco am Mittwoch in Zamora im Bundesstaat Michoacan in ein Krankenhaus gebracht. Sie habe auch Herz- und Diabetesprobleme gehabt, hieß es.

Nach ihrer Verhaftung bekam Verduzco zudem Unterstützung von prominenten mexikanischen Persönlichkeiten. Obwohl Vorwürfe gegen das Kinderheim seit 2010 bekannt waren, war sie im Bundesstaat Michoacan sehr angesehen. Ex Staatschef Vicente Fox solidarisierte sich mit Verduzco auf seinem Twitter-Account. Auch der renommierte Historiker Enrique Krauze verteidigte die Frau. "Rosa nahm den sozialen Platz ein, den der Staat nicht besetzte", schrieb er auf Twitter zur langjährigen sozialen Arbeit von Verduzco. Zum Alter der Frau gab es unterschiedliche Angaben. Einige Zeitungen schrieben sie sei 80, andere 79.