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"Systemisches Versagen": Weitere Klimaklage gegen die Republik Österreich

Der Staat sei säumig beim Bodenschutz. Dabei kommt diesem im Klimaschutz eine zentrale Rolle zu, wie Forscherin Kromp-Kolb betont.

Die österreichische NGO AllRise, die seit ihrer Klage gegen Brasiliens Präsident Bolsonaro beim Strafgerichtshof in Den Haag internationale Bekanntheit erlangt hat, wirft nun Österreich "systemisches Versagen" beim Bodenschutz vor und klagt auf Schadensersatz. Die Staatshaftungsklage, die am Donnerstag beim Verfassungsgerichtshof eingelangt ist, stützt sich vor allem auf fehlende Umsetzung von EU-Regeln wie der UVP-Richtlinie. Sie ist nicht die erste Klage dieser Art: Vor wenigen Monaten klagten zwölf Kinder und Jugendliche den Staat, weil die fehlenden Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung ihre Zukunft gefährdeten.

Die Initiatoren der neuen, den Bodenschutz betreffenden Klage fordern unter anderem eine Bodenstrategie mit verbindlichen Obergrenzen bei der Flächenwidmung, finanzielle Begünstigungen für Gemeinden mit geringem Bodenverbrauch sowie ein Klimaschutzgesetz, bei dem seit Jahren Stillstand herrscht. Prominente Unterstützung kommt von Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb, die am Donnerstag vor Journalisten sagte: "Der Boden ist ein wesentlicher Faktor in der Klimadiskussion." Seine Biodiversität sei "überlebenswichtig".

Konsequenzen von Verbauung sind unter anderem Wasserknappheit, die Zunahme von Hitzeinseln und ein geringerer Selbstversorgungsgrad. Die Ages warnt: Bereits in wenigen Jahren könnten Österreichs Äcker nicht mehr ausreichen, um das Land mit heimischen Lebensmitteln zu versorgen.

Österreich ist EU-Spitzenreiter bei der Versiegelung: Fast ein Fünftel der bewohnbaren bzw. landwirtschaftlichen Fläche ist verbaut. 11,5 Hektar Boden - das entspricht 16 Fußballfeldern - kommen täglich hinzu. Das übersteigt das im Regierungsprogramm festgelegte Ziel von 2,5 Hektar pro Tag um ein Vielfaches. Allein Niederösterreich verbraucht 2,5 Hektar Boden pro Tag, Oberösterreich 2,2 Hektar täglich. Daher klagt AllRise nicht nur die Republik, sondern auch Niederösterreich und Oberösterreich - und weitere Bundesländer könnten folgen, wie die NGO ankündigt. Die Klage wird via Crowdfunding finanziert: 25.000 Euro wurden bisher gesammelt, ihr Ziel von 32.000 Euro wollen die Initiatoren bis Ende Mai erreichen. Damit wollen sie von Bauvorhaben Betroffenen - etwa 60 Menschen meldeten sich bereits - bei ihrem juristischen Kampf unterstützen.

Wesemann von AllRise wirft der Politik vor, sie setze zu sehr auf Freiwilligkeit und Technologie, die es noch nicht gebe. Anstoß für die Klage war laut dem Initiator auch, dass die Stimmung bezüglich Klimaschutz "derzeit zu kippen droht"; die Politik kehre von grünen Themen zusehends abkehren und setze vermehrt auf klimaschädliches Verhalten - Stichwort "Autoland Österreich".

Auf die Frage, wie Erfolg versprechend die Klage sei, sagt Kromp-Kolb: "Wenn österreichisches Recht nicht geeignet ist, um die Bevölkerung vor existenziellen Gefahren zu schützen, muss die Rechtslage angepasst werden." Und Wesemann meint: "Der Kampf gegen den Klimawandel wird zu einem Gutteil in Gerichtshöfen stattfinden."

Klage umfasst auch Bundesländer Nieder- und Oberösterreich
Klage umfasst auch Bundesländer Nieder- und Oberösterreich