Mit einer Mehrheit von über 50 Prozent könne man aus medienrechtlicher Sicht alle wesentlichen Entscheidungen treffen und beeinflussen. Das Überschreiten der Schwelle von 75 Prozent verändere dies kaum. Nach Ende des Übernahmeangebots an die Aktionäre hält MFE-MediaForEurope (MFE) nach eigenen Angaben nun 75,61 Prozent an der bayerischen Senderkette und kann den geplanten Umbau damit zügig angehen. Das Unternehmen der Familie des früheren italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi setzt auf ein lokales Angebot mit heimischer Produktion für ProSiebenSat.1, mit mehr Nachrichten, mehr Unterhaltungssendungen und mehr Fernsehserien und mittelfristig mit weniger zugekauften Formaten.
"Die goldene Zeit ist vorbei"
"Der rosa Elefant im Raum ist die Standortfrage", sagte Schmiege mit Blick auf Beschäftigungssicherung bei der Konzernzentrale von ProSiebenSat.1 in Unterföhring bei München. Das Entscheidende sei nun, wie der neue Eigner MFE und das Management auf die Krise im Medienbereich reagierten. "Klassische Fernsehsender - nicht nur ProSieben oder Sat.1, auch RTL - haben mit ihrem Geschäftsmodell ein riesiges Problem: Die Werbeeinnahmen sinken und die Reichweiten bröckeln", erklärte der BLM-Chef. Die goldene Zeit, in der man mit Fernsehwerbung allein viel Geld verdienen habe können, sei vorbei. Deshalb habe ProSiebenSat.1 wie alle anderen TV-Sender aus seiner Sicht mehr ein Problem mit dem Geschäftsmodell und weniger ein Problem mit dem Gesellschafter.
Klar sei aber: Wenn der Turnaround nicht gelinge, dann müssten sicher Sparmaßnahmen kommen. "MFE ist ein gewinnorientiertes Unternehmen und wird entsprechend reagieren, sollten die Erwartungen nicht erfüllt werden", betonte Schmiege, der die BLM seit Herbst 2021 leitet. Die Italiener wollten Synergien schaffen etwa bei Werbevermarktung, Kosten oder bei der Technik und Distribution. Man müsse abwarten, ob sich die angepeilte Größenordnung realisieren lasse.
Redaktionelle Unabhängigkeit ist ein Thema
Zentral bleiben nach Einschätzung der Medienaufsicht die redaktionelle Unabhängigkeit und die Frage, ob es politischen Einfluss auf die Redaktionen gibt. "Sollte MFE-Chef Pier Silvio Berlusconi sich entscheiden, wie sein Vater in die Politik zu gehen, müsste man die Lage neu bewerten", erläuterte Schmiege. "Eingriffsinstrumente bestehen nicht gegenüber dem Gesellschafter MFE, sondern gegenüber ProSiebenSat.1 - das ist unser Regulierungsobjekt." Die BLM führe Gespräche und prüfe unter anderem die redaktionelle Unabhängigkeit von ProSiebenSat.1. "Grundlage dafür ist die Rundfunkzulassung, die die Sender bei uns haben", sagte Schmiege.