Der Start von "Jetzt" ist in Zeiten des massiven Stellenabbaus im österreichischen Journalismus bemerkenswert. Das leicht paradoxe Versprechen, mit dem man abseits des "USP Mensch" punkten will, ist, vor zu viel Information zu schützen. "Wir haben keine Chronistenpflicht. Wir setzen einen Schwerpunkt, konzentrieren uns auf das Relevante, kuratieren", sagte Gründer Florian Novak.
"Jetzt"-App ist startklar
Das Neo-Medium hat sich im 4. Stock des Funkhauses in der Wiener Argentinierstraße eingenistet, von wo einst FM4 sendete. Noch wird gehämmert und hängt so manches Kabel herum, aber was die zahlenden Mitglieder ab Dienstag zu sehen bekommen, ist bereits präsentabel: die "Jetzt"-App. Darin ist täglich ab 6.30 Uhr ein Morgenüberblick abrufbar. Auch ein Longread - eine Art Magazingeschichte - steht ab der Früh zum wahlweise Lesen oder Anhören bereit - zum Start: "Lohnt es sich, Kinder zu kriegen?". Um 16 Uhr widmet sich die "B-Seite" dem Thema des Tages, das vormittags festgelegt wird, und wofür das Gespräch mit einem Experten oder einer Expertin gesucht wird, um hinter die Schlagzeile des Tages zu blicken.
Journalisten nicht durch Audio-Schablonen pressen
Alles wird vertont und zudem für Social Media aufbereitet. Wichtig ist Novak dabei, dass "erzählt, nicht nur vorgelesen" werde. "Der Ton wird an die Geschichte angepasst", sagt Chefredakteurin Akyün. "Es gibt hier keine Audio-Schablone, durch die jeder durchgepresst wird. Wir wollen die Persönlichkeiten der Journalistinnen und Journalisten einfließen lassen", erklärt die in der Türkei geborene Deutsche. "Journalistische Haltung, aber Mut zum Persönlichen", umreißt Novak den Zugang. Man soll den "Menschen hinter dem Mikro kennenlernen".
Diese stehen auch für den Austausch mit den Mitgliedern, die unter Klarnamen kommentieren sowie "liken" können, zur Verfügung, und können als Lieblingsautorin oder -autor gekennzeichnet werden, um sofort über neue Artikel informiert zu werden. Die App bietet zudem die Möglichkeit, Artikel für einen späteren Zeitpunkt zu speichern oder herunterzuladen. Auch merkt sie sich, wie weit man gelesen oder gehört hat.
Wachstum nötig
Die Technik liefert der strategische Partner "Zetland" aus Dänemark. Dort werden bereits 54.000 zahlende Mitglieder gezählt, womit eine 40-köpfige Redaktion finanziert wird. Bei "Jetzt" besteht die Redaktion zum Start aus zwölf Personen, die nach dem Journalisten-Kollektivvertrag und nur in Ausnahmefällen als freie Journalisten beschäftigt werden. "Unsere Redaktion muss wachsen, um den Workload zu stemmen", stellte Novak klar. Die ursprünglich im Rahmen einer Kampagne, die einmal verlängert werden musste, gesammelten 5.000 Mitglieder seien das "Fundament". Wie viel mehr nötig seien, um rentabel zu werden, verrät Novak nicht. Er kann sich zum Start neben den Mitgliedsbeiträgen (17,90 Euro pro Monat) auch auf eine Förderung der Stadt Wien und diverse (Klein-)Gesellschafter stützen.
Eine "Teilen"-Funktion ist ein möglicher Hebel, um weitere Mitglieder zu gewinnen. "Wir wollen nicht ein elitäres Mitgliedermedium sein. Wir wollen möglichst viele erreichen", so Novak. Daher könne man als Mitglied jeden Artikel teilen. Am Ende findet sich aber eine "klare Einladung", Mitglied zu werden.
KI kein Thema
Künstliche Intelligenz (KI) ist bei "Jetzt" kein Thema. "Die Chance für den Journalismus von morgen ist das Versprechen, dass man es mit Menschen zu tun hat", sagte Novak. Der Medienmanager kümmert sich nicht nur um "Jetzt", sondern auch die beiden Radiosender "LoungeFM" und "Inforadio". Sie sollen ebenfalls ins Funkhaus einziehen.
(S E R V I C E - www.jetzt.at)
(Quelle: APA)
