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Wiener "Tatort" zwischen Kamillentee und Staatsverweigerern

Am Ende wirkt der Blick über Wien beinahe idyllisch. "Schaut alles so nett aus von da heroben", findet auch Moritz Eisner im neuesten Austro-"Tatort". Doch was er gemeinsam mit Kollegin Bibi Fellner bis zu diesem Punkt durchstehen muss, hat es in sich. "Wir sind nicht zu fassen" lautet der Titel für diese Tour de Force, die sich am Sonntag (20.15 Uhr, ORF 2) zwischen Staatsverweigerern, Großdemonstrationen und Geheimdiensten entspinnt.

Krassnitzer, Neuhauser und Co haben viel zu tun im neuen Fall
Krassnitzer, Neuhauser und Co haben viel zu tun im neuen Fall

Ein Toter bringt viel ins Rollen

Dabei ist der Beginn recht klassisch: Am Rande einer Demonstration wird ein Toter gefunden. Während im Hintergrund die Einsatzkräfte alle Hände voll zu tun haben, die Menschenmengen im Griff zu behalten, stehen Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser als erprobtes Ermittlerduo mit rauchenden Köpfen da. Eigentlich ist da zu viel Blut, wie konnte das niemand mitbekommen, und haben die Kollegen möglicherweise bei der "Beruhigung" der Situation etwas übers Ziel hinausgeschossen?

Zunächst wird also eher intern ermittelt, was natürlich auf wenig Gegenliebe stößt - besonders beim zugeknöpften Einsatzleiter Markus Schuch (Wolfgang Oliver), der für sein Team die Mauer macht. Nachfragen, Kritik, Aufarbeitung? Sind hier nicht unbedingt erwünscht, wobei auch Eisners schnippische Art nicht unbedingt zur Aufklärung beiträgt. Da bringt ihm Fellner doch lieber einen Kamillentee, um die Sache etwas zu entspannen - keineswegs der einzig amüsante Seitenhieb in diesen dicht gedrängten 90 Minuten.

Regisseur Henning schiebt etliche Zwischenstopps ein

Denn Drehbuchautor und Regisseur Rupert Henning will es wirklich wissen: Die Demonstrationen gegen "die da oben" setzen sich zwar aus vielen verschiedenen Grüppchen zusammen, doch im Kern geht es um Staatsverweigerer und Querdenker. Bald stoßen die Ermittler auf die Kapo, die "kampfbereite außerparlamentarische Opposition". Von da ist es nicht weit bis zum ersten Anschlag mit einem Molotowcocktail, dem beinahe die engagierte Kollegin Meret Schande (Christina Scherrer) zum Opfer fällt. Der Tote scheint jedenfalls Verbindungen in diese Szene gehabt zu haben, wie Eisner und Fellner schließlich von der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst erfahren.

Während dieser Erzählstrang den mit viel Handkamera gedrehten Krimi vorantreibt, schiebt Henning ein ums andere Mal Zwischenstopps ein: Wie Familien an Verschwörungstheorien zerbrechen können ist nur eine davon. Aber auch die Frage nach Vereinbarkeit von herausforderndem Polizeiberuf und Familie blitzt auf. Dafür erhalten vermeintliche Nebenfiguren relativ viel Aufmerksamkeit, was dem Film einen gewissen Tiefgang verleiht, allerdings auch zu einem leicht zerfahrenen Gesamteindruck führt.

Funktionieren kann "Wir sind nicht zu fassen" letztlich aber auch dank seiner tollen Besetzung: Julia Windischbauer muss als Freundin des Toten einiges durchstehen und gerät zwischen die Fronten, während Nestroy-Preisträgerin Julia Edtmeier als radikale "Empörungsnudel" glänzt. Und wenn Gerald Votava im Finale den geläuterten Strizzi aus der Unterwelt gibt, der Eisner und Fellner mit Kaffee um den Finger wickelt, dann schlägt das Wiener Herz dieses "Tatorts" wieder sehr, sehr laut und lebendig.

Charmantes Duo mit Ablaufdatum

Wer sich also einlässt auf diese vermeintlich chaotische Geschichte, wird durchaus belohnt. Nicht zuletzt muss man sich vor Augen halten, dass die charmante Paarung Krassnitzer-Neuhauser ein Ablaufdatum hat, werden sie Ende 2026 doch ihren Dienst am krimifreudigen Fernsehpublikum quittieren. Auf drei weitere Fälle darf man sich noch einstellen, dann weht wohl ein neuer Wind im heimischen "Tatort"-Geschehen.

(Von Christoph Griessner/APA)