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Bedingte Haft für Tochter und Enkel nach Dehydrierungstod

Nach dem Tod einer 84-jährigen Frau im Osttiroler Dölsach im Mai aufgrund von Dehydrierung sind am Dienstag ihre 59-jährige Tochter sowie der 31-jährige Enkel am Landesgericht Innsbruck wegen grob fahrlässiger Tötung zu je fünf Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Die Seniorin hatte im Mai nach einem Sturz in der gemeinsamen Wohnung nicht mehr aufstehen können und war eine Woche lang auf dem Küchenboden in ihren Exkrementen gelegen und schließlich gestorben.

Tochter und Enkel einer 84-Jährigen landeten vor Gericht
Tochter und Enkel einer 84-Jährigen landeten vor Gericht

Die Urteile waren vorerst nicht rechtskräftig. Ursprünglich waren Mutter und Sohn wegen Vernachlässigung oder Quälens angeklagt gewesen. Letztlich kam es aber zu der Verteilung wegen grob fahrlässiger Tötung, also eines anderen Straftatbestandes. Die 59-Jährige wurde zudem zu 960 Euro unbedingter Geldstrafe verurteilt, der Sohn zu 1.200 Euro. "Mit diesem Straftatbestand und diesem Urteil fällt das Thema Quälen weg", erklärte Richter Paul Menardi folgerichtig. Dieses habe man nämlich "nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen können", begründete er die Entscheidung.

Eindeutig sei hingegen, dass die beiden "ihre Sorgfaltspflicht massiv außer acht gelassen haben", so Menardi. Das gelte sowohl für die erstangeklagte Tochter als auch für den zweitangeklagten Enkel der verstorbenen Frau: "Beide haben hier gleichermaßen Verantwortung zu tragen und hätten den Zustand wahrnehmen müssen." Als mildernd wertete Menardi in seinem Urteil die Unbescholtenheit der beiden Angeklagten, nicht mildernd könne allerdings eine geständige Verantwortung gewertet werden: "Von dieser kann keine Rede sein."

Angeklagte plädierten beide auf "nicht schuldig"

Mutter und Sohn hatten sich zuvor zu Prozessbeginn "nicht schuldig" bekannt. Sie habe zu ihm gesagt, "sie möchte nicht mehr aufstehen", erklärte etwa der Enkel bei seiner Einvernahme zu Beginn der Verhandlung vor Richter und Schöffen. Auch habe sie nach dem Sturz nicht akut über Schmerzen geklagt, berichtete er weiters. Sein Eindruck sei außerdem gewesen, dass sie "keinen Lebenswillen mehr hat", verantwortete sich der 31-Jährige. Davor hatte er die Situation kurz beschrieben. "Ich hörte einen Rumpler aus der Küche und bin dann hin", erzählte der Enkel. Dort sei seine Oma schließlich auf dem Küchenboden gelegen. "Wir haben dann versucht, sie auf den Diwan zu legen, schafften das aber nicht". Schließlich habe seine Mutter eine Matratze geholt, auf der die 84-Jährige dann auch lange gelegen sei.

Erstangeklagte: "Habe Mutter stets zu trinken gegeben"

Die erstangeklagte Mutter bekannte sich in ihrer anschließenden Einvernahme ebenfalls "nicht schuldig". "Sie hat sogar gesagt, dass sie bald wieder rausgehen möchte", erklärte diese. Sie habe zudem nicht den Eindruck gehabt, dass der "Lebensmut" der 84-jährigen eingeschränkt gewesen sei. "Ich fragte meine Mutter nach dem Sturz, ob sie weh hätte, aber sie verneinte", berichtete die Erstangeklagte. Die angebotene Hilfe "durch die Rettung" sei von ihr ebenfalls abgelehnt worden. Als sie sie auf die Matratze gelegen habe, habe die Mutter angegeben, dass sie "einfach schlafen will" und man sie "in Ruhe lassen" solle. "Ich habe ihr stets etwas zu trinken gegeben und sie versorgt, und gewaschen", beteuerte die 59-Jährige. Natürlich habe ihre Mutter aber "weniger als zuvor gegessen und getrunken", gestand die Angeklagte ein.

Dass es nicht nur "weniger" war, sonder massiv weniger war, führte Gerichtsmedizinerin Elke Doberentz in ihrem Gutachten aus. "Die Nieren haben zu arbeiten aufgehört", führte sie zur Todesursache aus. Das deute darauf hin, dass es einen "längeren Prozess des Flüssigkeitsmangel über mehrere Tage" gegeben haben müsse. Das sei aus ihrer Sicht sicherlich auch ein "quälender Vorgang und Zustand gewesen", wobei sich das "subjektive und individuelle Empfinden" natürlich nicht feststellen lasse. "Aus medizinischer Sicht war es allerdings ein Leidenszustand", hielt die Expertin fest.

Staatsanwältin: Hygienischer Zustand der Frau war "extrem"

Die Staatsanwältin hatte eingangs in ihrem Eröffnungsplädoyer die Situation, die schließlich zum Tod der 84-Jährigen führte, aus ihrer Sicht geschildert. "Die Frau lag zuerst auf eine Matratze, dann später nur mehr auf dem Küchenboden", führte sie aus. Die 84-jährige Frau habe schließlich ihre Notdurft auf dem Boden verrichten müssen: "Der hygienische Zustand war extrem." Die Frau habe "Kotbehaftungen an Körper und Händen gehabt", skizzierte die öffentliche Anklägerin die Umstände. Dass die Flüssigkeitszufuhr, die ihr die Tochter und Erstangeklagte zukommen ließ, nicht ausreichte, sei außerdem augenscheinlich: "Die Frau starb schließlich an Dehydrierung."

Im Anschluss an die öffentliche Anklägerin sprach die Verteidigerin für die Angeklagten und plädierte im Vorfeld von deren Aussagen für beide auf "nicht schuldig". "Sie haben die Mutter bestmöglich versorgt", erklärte die Anwältin. Darüber hinaus habe man wert darauf gelegt, "ihre Wünsche bestmöglich zu erfüllen". Auch sei es jedenfalls der Fall gewesen, dass sich die 84-jährige Frau zuvor "selbst versorgt hat".

Die Staatsanwaltschaft hatte nach dem Vorfall Anklage wegen des Quälens oder der Vernachlässigung einer unmündigen oder wehrlosen Person erhoben. Den beiden Angeklagten drohten, da die mutmaßliche Tat den Tod des Opfers nach sich zog, im Fall eines Schuldspruchs zwischen einem und zehn Jahren Haft.

(Quelle: APA)