SN.AT / Panorama / Wissen

Direktzugang zu Physiotherapie ohne Arzt gefordert

Der Bundesverband Physio Austria fordert einen Direktzugang zur Physiotherapie für Patientinnen und Patienten. Bisher ist in den meisten Fällen eine vorhergehende ärztliche Konsultation und Anordnung notwendig, erläuterte Physio-Austria-Präsidentin Constance Schlegl am Freitag. Das solle beim Gang zu einer Physiotherapeutin oder einem Physiotherapeuten mit fachlicher Spezialisierung wegfallen. Prominente Fürsprecherin der Forderung ist die Kabarettistin Andrea Händler.

Soll insgesamt Kosten und Wege sparen
Soll insgesamt Kosten und Wege sparen

Sie brauche Physiotherapie, weil sie aufgrund von Hypermobilität Kreuzschmerzen habe, sagte Händler. "Der Physiotherapeut ist der Einzige, der es geschafft hat, dass ich in der Früh nicht mehr wie eine Hundertjährige meine Unterhose anziehen muss, indem ich mich überall anhalte", sagte die Schauspielerin und Kabarettistin. "Jetzt habe ich aber Glück, dass ich Ärzte habe, die mich ständig überweisen, denn ohne Überweisung krieg ich meine Physiotherapie nicht", betonte die 61-Jährige.

Zuvor habe sie mehrere Arzt- und MRT-Termine gehabt. Auf den MRT-Bildern sei jedoch jedes Mal nichts zu sehen gewesen, da es sich um ein muskuläres Problem handle, berichtete Händler. Hierzu forderte die Abteilungsleiterin Gesundheitsberuferecht der Arbeiterkammer, Silvia Rosoli, eine Anbindung von Physiotherapeuten an die elektronische Gesundheitsakte ELGA und an dort gespeicherte Befunde. Das würde die Nachvollziehbarkeit von Behandlungspfaden vereinfachen, bürokratischen Aufwand verringern und mehr Zeit für die eigentliche Gesundheitsdienstleistung bringen, sagte sie.

Impuls für mehr Prävention

Dass Physiotherapeuten ohne ärztliche Anordnung nicht tätig werden dürfen, verursache nicht nur Kosten im System, sondern belaste kranke Menschen, die dann einen zusätzlichen Weg zum Arzt haben, erläuterte Rosoli. Der Direktzugang könne ein Impuls für mehr Prävention sein, was zu geringeren Gesundheitskosten beiträgt. Angelika Widhalm, Präsidentin des Bundesverbands Selbsthilfe Österreich (BVSHOE), sagte, sie wolle die Forderungen nicht nur über die Medien ausrichten. Sie rief die Entscheidungsträger dazu auf, sich unter Einbeziehung der Patientenorganisationen an einen Tisch zu setzen und gemeinsam Lösungen zu finden.

Vergleichbare Bereiche mit Direktzugang im österreichischen Gesundheitssystem seien Psychotherapie und Hebammen, sagte Schlegl auf Nachfrage. Wenn die Krankenkasse die Psychotherapie bezahlen soll, brauche es eine Verordnung. In den Niederlanden habe es nach der Einführung des Direktzugangs zur Physiotherapie einen deutlichen Anstieg der Therapien gegeben und die Krankenkasse sei wieder ausgestiegen, bestätigte Schlegl. Sie sei auch nicht für einen flächendeckenden Direktzugang, sondern nur bei Physiotherapeuten mit einer Zusatzqualifikation.

Händler: Nicht aus Langeweile

"Kein Mensch macht das doch, weil ihm langweilig ist", sagte Händler. "Ich schwitz wie ein Schweindl", berichtete sie von ihren 60-Minuten-Einheiten Heilgymnastik. "Ich werde dort nicht gestreichelt, ich arbeite mit dem Physiotherapeuten." Sie habe das Gefühl, dass man den Patienten nicht glaubt. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Patient gerne zur Physiotherapie geht, wenn er das gar nicht braucht. Da geht er doch lieber ein Eis essen", sagte Händler.