FICE Austria ist die Österreichische Sektion der Internationalen Gesellschaft für Erzieherische Hilfen ("Fédération Internationale des Communautés Educatives"). Sie vernetzt Menschen und Organisationen und kümmert sich um die Verbesserung der außerfamiliären Erziehung. Schon 2019 hat der Verein diese Standards ausgearbeitet. Sie befassen sich mit Fragen der Partizipation, dem präventiven Schutz Minderjähriger vor Gewalt, dem Umgang mit Gefährdungen, Übergriffen und Gewalt, der Gesundheitsversorgung und mit Bildungsprozessen.
"Alle Beteiligten, von Berufsvertretungen über die Organisationen, die die WGs betreiben, bis hin zu den Ländern als Aufsichtsbehörden sind sich einig: Die Qualitätsstandards sind richtig und wichtig. Aber sie müssen nicht zwingend angewandt werden", kritisiert FICE-Austria-Präsident Christian Posch. "Gute Ausbildung ist die Grundlage, um Übergriffe zu verhindern, oder sie zumindest zu erkennen, sollten sie doch einmal passiert sein.
Jedes Bundesland hat eigene Regeln
Als Problem sieht Posch, dass jedes Bundesland die Kinder- und Jugendhilfe anders regelt. FICE Austria und die Volksanwaltschaft kritisieren schon lange, dass die vollständige Anwendung der anerkannten Standards an den Kosten scheitert. "Über die Standards hinaus müssen frühzeitig ansetzende und flexible Hilfsangebote für junge Menschen mit herausfordernden Verhaltensweisen weiterentwickelt werden", sagte Posch.
"Es braucht verbindliche fachliche Zusammenarbeit bei Diagnostik, Hilfeplanung und Intervention. Personalressourcen und arbeitsrechtliche Grundlagen sind erforderlich." Und auch der von der SPÖ nominierte Volksanwalt Achitz meinte: "Immer wieder tauchen Skandale auf wie zuletzt um die SOS-Kinderdörfer. Ich traue mich zu sagen: Mit einheitlichen Qualitätsstandards in den Wohngruppen in ganz Österreich, wäre es nicht so weit gekommen."
Nur Hälfte der Einrichtungen kennt Qualitätsstandards
Die Standards von FICE sind gerade mal in 53 Prozent der im Zuge einer Schwerpunktprüfung im Rahmen der präventiven Menschenrechtskontrolle der Volksanwaltschaft besuchten Einrichtungen bekannt. "In beinahe der Hälfte der Einrichtungen fehlt also fundiertes Wissen über die Standards. Wichtig wäre, dass jede Einrichtung zumindest einer Person die Verantwortung für die Umsetzung und Einhaltung der Standards überträgt. Das war zur Zeit der Schwerpunktprüfung allerdings nur in 47 Prozent der Einrichtungen der Fall", sagte Achitz.
Im Parlament sei laut Achitz vor kurzem die "größtmögliche Harmonisierung der Kinder- und Jugendhilfe" sowie ein Runder Tisch angekündigt gewesen. "Der Runde Tisch wäre nicht notwendig, wenn die seit Jahren auf dem Tisch liegenden Forderungen von Volksanwaltschaft und FICE umgesetzt worden wären", sagte der Volksanwalt. Sollte es dennoch einen Runden Tisch geben, ist die Volksanwaltschaft natürlich bereit, ihre Position auch dort zu wiederholen. "Neben Behörden, Kinder- und Jugendhilfe-Einrichtungen und der Volksanwaltschaft sollten auch Care Leaver Verein, Dachverband Österreichischer Jugendhilfeeinrichtungen (DÖJ), FICE Austria, Schule, Polizei, Neustart, Universitäten und Fachhochschulen sowie Berufsvertretungen eingeladen werden", meinte Achitz.
Bisherige Geschehnisse in SOS-Kinderdörfer
Die SOS-Kinderdörfer stehen aufgrund der Vorwürfe massiv unter Druck. Mehrere Einrichtungen sind betroffen wie Imst, Seekirchen, Altmünster, Moosburg, Stübing und Wien. Auch gegen Organisationsgründer Hermann Gmeiner und den langjährigen Präsidenten Helmut Kutin gab es Missbrauchsvorwürfe. Eine unabhängige Reformkommission unter Leitung von Irmgard Griss hat den Auftrag, die Vergangenheit eingehend zu überprüfen und auch weitere Standorte in ihre Evaluierung miteinzubeziehen.
(Quelle: APA)
