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Einspruch abgewiesen, Anklage gegen Egisto Ott rechtskräftig

Dem Spionage-Prozess gegen den ehemaligen Chefinspektor des mittlerweile aufgelösten Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Egisto Ott, steht nichts mehr im Weg. Der Einspruch eines mitangeklagten Polizeibeamten gegen die Anklage wurde vom Oberlandesgericht (OLG) Wien abgewiesen. "Die Anklage ist somit rechtskräftig", teilte OLG-Sprecherin Susanne Lehr Freitagmittag auf APA-Anfrage mit.

Ott wird im nächsten Jahr wohl länger auf der Anklagebank Platz nehmen
Ott wird im nächsten Jahr wohl länger auf der Anklagebank Platz nehmen

Damit ist klar, dass sich Ott und der Mitangeklagte in einigen Wochen - vermutlich erst im kommenden Jahr - wegen einer Fülle an Vorwürfen vor einem Schöffensenat am Wiener Landesgericht verantworten werden müssen. Ott wird vor allem geheime nachrichtendienstliche Tätigkeit zulasten der Republik Österreich und Amtsmissbrauch angekreidet, was er entschieden bestreitet. Ott sei kein Spion, sondern "ein verdienstvoller Verfassungsschützer", hatten zuletzt seine Verteidiger Joseph Philipp Bischof und Jürgen Stephan Mertens der APA versichert. Ihr Mandant sei "als unbequemer Akteur und unbeugsamer Aufklärer von Missständen ins Fadenkreuz politischer Polizeikreise geraten, die ihn seit Jahren ins schiefe Licht rücken."

Anklage sieht in Ott Interessensvertreter des russischen Geheimdiensts

Die Staatsanwaltschaft Wien sieht das anders. Sie bezichtigt den mittlerweile 63-Jährigen, als ranghoher Verfassungsschützer für den russischen Geheimdienst tätig geworden zu sein, indem er im Zeitraum 2017 bis 2021 personenbezogene Daten aus polizeilichen Datenbanken zum Zwecke der Übermittlung an Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek und Vertreter des russischen Nachrichtendienstes sammelte. Ott soll in deren Interesse ohne dienstlichen Auftrag Daten wie Aufenthaltsorte, Kfz-Kennzeichen und Reisebewegungen von Personen erhoben haben. Im November 2022 soll er einen sogenannten SINA-Laptop mit brisanten geheimdienstlichen Informationen eines EU-Staates Vertretern des russischen Geheimdiensts überlassen haben, wofür laut Anklage 20.000 Euro bezahlt wurden.

Den Deal eingefädelt und den Geldtransfer organisiert soll Marsalek haben, der schon damals für den russischen Inlandsgeheimdienst FSB tätig gewesen sein soll. Der SINA-Laptop dürfte in weiterer Folge in den Iran gegangen bzw. jedenfalls für das Regime in Teheran bestimmt gewesen sein, wie Chats nahelegen, die der Wiener Anklagebehörde vorliegen. Marsalek ist untergetaucht, er ist seit Jahren auf der Flucht.

Vorsitzender Richter zur Vorbereitung auf Verhandlung intern "gesperrt"

Die bevorstehende Hauptverhandlung im Grauen Haus dürfte sich über mehrere Wochen erstrecken. Der Akt umfasst 2.000 Ordnungsnummern, der Richter, der die Verhandlung leiten wird, wurde intern "gesperrt". Um sich auf das Großverfahren vorbereiten zu können, werden ihm bis auf weiteres keine neuen Akten mehr zugeteilt.

Neben Missbrauch der Amtsgewalt und geheimem Nachrichtendienst zum Nachteil der Republik Österreich wird Ott Bestechlichkeit, Bestechung als Bestimmungstäter und Verletzung des Amtsgeheimnisses angelastet. 2019 soll er dem früheren Generalsekretär im Außenamt Johannes Peterlik personenbezogene Daten von Beamten des BVT, die er mit der Erstellung des Ibiza-Videos in Zusammenhang brachte, mitgeteilt haben. Dadurch soll er das Recht dieser Personen auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten verletzt sowie die Aufrechterhaltung der öffentlichen nationalen Sicherheit und den Erfolg zukünftiger nachrichtendienstlicher Aktivitäten gefährdet haben.

Die Staatsanwaltschaft Wien hatte seit 2017 gegen Egisto Ott ermittelt. Zu einigen Ermittlungssträngen sind die Erhebungen noch nicht abgeschlossen. Am 29. März 2024 war der Ex-BVT-Chefinspektor fest- und bis zum 26. Juni desselben Jahres wegen Tatbegehungsgefahr in U-Haft genommen worden. Ausschlaggebend für die mehrmonatige Inhaftierung waren unter anderem Informationen, Ott habe Diensthandys von drei früheren Kabinettsmitarbeitern des seinerzeitigen Innenministers Wolfgang Sobotka (ÖVP) dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB übergeben.