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"Emil" - Boku-Experte Hackländer für abwarten und zuschauen

Der vermutlich aus Polen eingewanderte Elch "Emil" streift seit Wochen durch Österreich. In St. Pölten hat er die Westbahnstrecke lahmgelegt, und er ist immer wieder in urbanem Gebiet gesichtet worden. Das wirft die Frage auf, ob man eingreifen sollte oder nicht. Klaus Hackländer, Leiter des Instituts für Wildbiologie und Jagdwirtschaft an der Universität für Bodenkultur Wien, sagt im APA-Gespräch: Solange nicht "Gefahr in Verzug" ist, solle man besser abwarten und zuschauen.

Emil nach seiner Ankunft in Oberösterreich
Emil nach seiner Ankunft in Oberösterreich

Mittlerweile ist "Emil" in Oberösterreich angekommen. Das Land erwägt, ihn zu betäuben und in den Böhmerwald an die tschechische Grenze zu bringen, wo im Nationalpark Šumava eine Elchpopulation lebt. Zwar ist dieses Szenario nur vorgesehen, wenn der tierische Gast auf seinem Weg sich selbst oder andere gefährdet oder sonstige Probleme macht, und es wird betont, dass es lediglich um das Wohl des Tieres gehen solle, aber Tierschützer sehen den Plan äußerst kritisch. Denn jede Betäubung berge auch Gefahren für den Elch, argumentieren sie.

Ohne kritische Situation "gibt es auch keinen Grund einzugreifen"

Hackländer hält es zwar prinzipiell für klug, sich diverse Szenarien zu überlegen. "Da hat man ja aus Niederösterreich gelernt. Und dann ist man vorbereitet, wenn es wirklich zu einer brenzligen Situation kommt." Dennoch solle man den Elch eher ungestört seiner Wege gehen lassen, betont er. "Unser Problem als Mensch ist ja immer, dass wir nicht zuschauen können und wir meinen, wir müssen eingreifen", sagt er. Aber "solange keine kritische Situation auftritt, gibt es auch keinen Grund, einzugreifen. Und wenn eine kritische Situation kommt, so wie wir sie zum Beispiel beim Bahnhof in St. Pölten hatten, dann ist das Fangen und Wegbringen natürlich eine Option, aber nicht die allererste und nicht die einzige. Da hätte man einfach auch früher den Elch ein bisschen von den Gleisen verscheuchen können. Aber da war ja auch die Frage der Zuständigkeit."

Auch "Bert" lebt allein

Die kleine, isolierte Population, die nahe des Moldaustausees in Tschechien lebe, "könnte Blutauffrischung gebrauchen", meint Hackländer, aber wenn "Emil" südlich der Donau bzw. im Voralpenraum bleiben sollte, sei das auch in Ordnung. Der Experte verweist auf einen Artgenossen von "Emil": einen jungen Bullen namens "Bert", der seit drei Jahren im deutschen Bundesland Brandenburg lebe. "Der hat einen Sender oben, man weiß also immer, wo er ist. Und ja, da ist er alleine, wartet immer noch auf sein Weibchen. Aber er hat bisher anscheinend keine Anzeichen gezeigt, dass er ungeduldig wird. Das geht natürlich auch." Elche seien Wildtiere, "und ein Wildtier, das hat Instinkte, das wird schon wissen, was es machen sollte. Das einzige Problem bei 'Emil' ist natürlich, dass er offensichtlich auch aus einer von Menschen besiedelten Kulturlandschaft kommt, deswegen wenig Scheu hat vor dem Menschen und sich auch im Siedlungsbereich aufhält".

Natürlich gebe es da Gefahren, etwa im Straßenverkehr - sowohl für den Elch als auch für Verkehrsteilnehmer, räumt der Uniprofessor ein. "Aber auch hier würde ich sagen: Lasst uns doch einfach mal durch die Anwesenheit des Elches lernen, dass man vielleicht ein bisschen mehr aufpassen sollte auf der Straße. Und wenn man nachts oder in der Dämmerung durch bewaldetes Gebiet fährt, dass man einfach ein bisschen aufmerksamer ist und nicht mit 100 durchrast. Wir können uns als Menschen auch mal ein bisschen mit Rücksicht im Lebensraum der Wildtiere bewegen. Das ist sowieso ein Thema, wenn jetzt die Zeitumstellung bald wieder kommt. Da werden die Wildunfälle wieder mehr, weil wir halt immer noch meinen, wir können überall rumfahren und dabei haben wir sehr viel Rehe und Hirsche und Schweine. Und für alle Beteiligten nimmt das ja oft keinen guten Ausgang."

"Zurücklehnen und zuschauen, was passiert"

Zusammenfassend hält er fest: "Das Stichwort ist 'Gefahr in Verzug'. Wenn für 'Emil' selbst oder für Menschen eine gefährliche Situation auftreten könnte, dann sollte der Mensch eingreifen. Aber jetzt sollten wir uns erst einmal freuen, dass es ihn gibt, dass er nach Österreich gekommen ist." Dass "Emil" so weit durch das Land tourt, birgt auch ein Lob für den österreichischen Naturschutz: "Es besteht die Möglichkeit für eine Weitwanderung. Wir haben immer wieder die Sorge, dass wir zu fragmentierte Landschaften haben, zu wenig Grünbrücken. Und der Elch zeigt uns jetzt, dass wir anscheinend in Österreich doch einiges richtig gemacht haben. Denn 'Emil' kann wandern. Und das ist erst mal was Positives."

Sein Rat lautet daher: "Wir sollten uns einfach einmal zurücklehnen und zuschauen, was passiert. Aber natürlich aufmerksam sein." Es sei wichtig, "dass die Exekutive immer weiß, wo er ist und zur Not auch eingreifen kann, wenn es zu brenzligen Situationen kommt".