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Juristen warnen vor Schwächung des Rechtsstaates

Nach der öffentlichen Aufregung um Urteile der Justiz in den vergangenen Wochen haben am Donnerstag namhafte Juristinnen und Juristen vor einer Schwächung des Rechtsstaates gewarnt. Es sei eine Sache Urteile zu kritisieren, sagte etwa Meinhard Lukas vom Institut für Universitätsrecht an der Johannes Kepler-Universität Linz, eine ganz andere Sache sei es aber, "einen Richter persönlich zu beleidigen oder zu bedrohen". Auch die Politik sollte auf ihre Wortwahl achten.

Beleidigung von Justiz kann strafbar sein
Beleidigung von Justiz kann strafbar sein

Anlass für das Hintergrundgespräch im Justizpalast waren unter anderem die Ende September am Wiener Landesgericht gefällten, nicht rechtskräftigen Freisprüche für zehn Jugendliche in einem Prozess um geschlechtliche Handlungen mit einer damals Zwölfjährigen. Der Richter wurde danach nicht nur beschimpft, sondern auch mit Gewalt bedroht. Zudem gab es allgemeine Vorwürfe in Richtung einer angeblich "linkslinken Kuscheljustiz" oder "schwarzen Netzwerken" im Zusammenhang mit der diversionellen Erledigung des Strafverfahrens von ÖVP-Klubobmann August Wöginger. "Das ist ein Angriff auf den Rechtsstaat", sagte die Präsidentin des Oberlandesgerichts Wien, Katharina Lehmayer. Auch die Reaktion von Teilen der Politik kritisierten die Juristen. Es sei nicht im Sinne der Gewaltenteilung, wenn Urteile etwa von einer Ministerin umgehend als "falsch" bezeichnet werden.

Schwierige Kommunikation

Robert Kert vom Institut für Österreichisches und Europäisches Wirtschaftsstrafrecht der WU Wien unterstrich, dass Richterinnen und Richter nicht nach Willkür, sondern innerhalb eines gesetzlich vorgegebenen Rahmens ihre Urteile sprechen - außerdem gilt für die Beschuldigten das verfassungsrechtlich abgesicherte Prinzip der Unschuldsvermutung. In der Causa rund um die Jugendlichen hatte selbst die Staatsanwaltschaft deshalb den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen im Ermittlungsverfahren fallen gelassen und aus Beweisgründen eingestellt. Die Kommunikation des Urteils an die Öffentlichkeit sei zudem "extrem schwierig" gewesen, da weite Teile des Beweisverfahrens unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden. In solchen Fällen ist es Richterinnen und Richtern gesetzlich verboten, die nicht öffentlich erörterten Beweismittel detailliert in ihre mündliche Urteilsbegründung einfließen zu lassen, bei der die Öffentlichkeit stets zugelassen ist.

Hass im Netz ist strafbar

Für Privatpersonen ist die Beleidigung und Bedrohung von Richterinnen und Richtern vor allem in Social Media wie Facebook oder X schnell strafbar. Inzwischen wird diesen Delikten seitens der Justiz nachgegangen, die vor allem auf die Löschung entsprechender Postings drängt. In schwerwiegenden Fällen kommt es auch zu Anzeigen, die für die Beschuldigten vor allem durch die entstehenden Prozesskosten schnell teuer werden können. Anonym zu posten, schützt auch nicht. "Dann dauert es nur länger, sie auszuforschen", so Richterin Michaela Masicek-Wallner.